Ärztemangel Volle Wartezimmer, gestresstes Personal – Zahnärzte werden immer weniger und immer älter
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13. Februar 2025, 14:54 Uhr
Die Zahl der Zahnärzte in Sachsen-Anhalt ist weiter rückläufig. Laut der Kassenzahnärztlichen Vereinigung wird der Druck auf die Praxen immer stärker. Beschimpfungen und Bedrohungen durch Patienten nehmen zu. Das Land will nun reagieren und mehr Zahnärzte ausbilden.
In Sachsen-Anhalt praktizierten Ende 2024 insgesamt 182 niedergelassene Zahnärztinnen und Zahnärzte, die bereits 65 Jahre oder älter waren. 19 von ihnen waren bereits über 70 Jahre alt, insgesamt sechs sogar über 80. Das geht aus einer Antwort der Landesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Landtagsabgeordneten Nicole Anger (Linke) hervor. Demnach hat etwa jeder sechste niedergelassene Zahnarzt im Land das Rentenalter bereits erreicht oder steht unmittelbar davor.
Nicole Anger, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Landtag, sagte MDR SACHSEN-ANHALT, dass die aktuellen Zahlen der zahnmedizinischen Versorgung alarmierend sind: "In mehreren Teilen des Landes besteht eine drohende Unterversorgung mit zahnärztlicher Versorgung." Ohne die Zahnärztinnen und Zahnärzte, die bereits das Rentenalter erreicht haben und dennoch weiter praktizieren, wäre das Ergebnis noch fataler.
Seit Jahren weise ihre Fraktion darauf hin, dass es dringend erforderlich ist, die Studienplatzkapazitäten zu erweitern und vermehrt Anreize zur Niederlassung im Land zu setzen.
Immer weniger Zahnarztpraxen in Sachsen-Anhalt
Die Suche nach einer Nachfolge gestaltet sich für viele Zahnmedizinerinnen und -mediziner in Sachsen-Anhalt äußerst schwierig. Wie die Kassenzahnärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt (KZV) Mitte Januar mitteilte, haben allein im Jahr 2024 landesweit 36 Praxen ohne Nachfolge geschlossen. In den vergangenen fünf Jahren sei die Zahl der Praxen um 200 zurückgegangen.
Der Rückgang der Praxen betrifft demnach sowohl Großstädte als auch den ländlichen Raum. Nur in Dessau und Halle sei die Versorgung aktuell gut. In diesem Jahr erwartet die KZV Sachsen-Anhalt, dass weitere 70 Zahnärzte ausscheiden – die meisten gehen in den Ruhestand. "Wo einmal eine Praxis geschlossen wird, wird nie wieder eine aufmachen", erklärte der KZV-Vorstandsvorsitzende Jochen Schmidt.
Wo einmal eine Praxis geschlossen wird, wird nie wieder eine aufmachen.
Zahnarzt: Wenn ein Termin zum Jackpot wird
Die KZV erwartet, dass die Zahnarztdichte im Land bis zum Jahr 2030 immer weiter ausdünnt. Die Patienten stünden vor dem Problem, sich eine neue Praxis suchen zu müssen. Allerdings gibt es Schmidt zufolge dafür so gut wie keine Kapazitäten: "Früher war es selbstverständlich, dass der Zahnarzt um die Ecke war, heutzutage sind sie (Anmerkung der Redaktion: Patientinnen und Patienten) froh, wenn sie überhaupt einen Termin bekommen." Wenn man dann einen Termin habe, seien die Wartezimmer häufig übervoll; Personal und Zahnärztinnen und Zahnärzte gestresst.
Das führe zu einem weiteren Problem. Schmidt berichtet von zunehmenden Beschimpfungen, Bedrohungen und körperlichen Auseinandersetzungen. Die Wertschätzung werde immer geringer, so Schmidt. Frustration und Verzweiflung würden sich immer häufiger in den Praxen entladen – "und das gerade bei denjenigen, die noch die Versorgung aufrechterhalten".
Auslandsstipendium gegen Zahnarztmangel
Die KZV hat verschiedene Förderprogramme zur Nachwuchsförderung auf den Weg gebracht, zudem gibt es Kooperationen mit Landkreisen und Kommunen. So wird etwa ein Stipendium für ein Zahnmedizinstudium in Ungarn angeboten. Jedes Jahr werden den Angaben zufolge zwölf Studieninteressierte unterstützt, die in der Stadt Pécs Zahnmedizin studieren möchten – auch ohne perfektes Abitur. Im Gegenzug sagen die Stipendiatinnen und Stipendiaten zu, nach ihrem Studium für fünf Jahre in Sachsen-Anhalt tätig zu sein. Die Kassenzahnärztliche Vereinigung forderte in der Vergangenheit wiederholt, dass das Land noch mehr unternimmt, um Nachwuchs zu fördern. Nötig seien etwa eine Landzahnarztquote und landeseigene Stipendienprogramme.
Land will mehr Zahnärzte ausbilden
Das Land reagiert und will in Zukunft mehr Zahnärzte ausbilden. An der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sollen zehn zusätzliche Plätze geschaffen werden, wie Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD) und Wissenschaftsminister Armin Willingmann (SPD) Mitte Januar verkündeten.
In Halle gibt es pro Jahr aktuell 40 Plätze im Bereich Zahnmedizin. Neben den zehn zusätzlichen Plätzen in Halle sollen außerdem zehn weitere Plätze über ein Kooperationsprojekt in Ungarn finanziert werden. Das Geld dafür soll aus dem Landeshaushalt kommen. Schon jetzt gibt es an der ungarischen Universität Pécs 12 Plätze jährlich, die von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung finanziert werden.
Die Studentinnen und Studenten müssen dort anders als in Deutschland kein Top-Abitur mitbringen – auch mit einem Notendurchschnitt von bis zu 2,6 ist ein Studium möglich. Im Gegenzug verpflichten sich die Stipendiaten, nach dem Studium mindestens fünf Jahre in Sachsen-Anhalt als Zahnärzte zu arbeiten.
dpa, MDR (Manuel Mohr, Kalina Bunk) | Erstmals veröffentlicht am 16.01.2025
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 13. Februar 2025 | 13:00 Uhr
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