recap Ist der Fachkräftemangel ein Märchen?
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21. April 2023, 16:56 Uhr
Seit Jahren wird in Deutschland vom Fachkräftemangel gesprochen. Unternehmen klagen über unbesetzte Stellen und offene Ausbildungsplätze. Im sozialen Bereich, im Bausektor und der IT-Branche ist das Defizit am stärksten. Manche Arbeitsmarktforscher sagen aber: Es gibt die Fachkräfte, sie sind nur woanders. Wie passt das zusammen?
Durch den demografischen Wandel geraten Unternehmen unter Druck: Die sogenannten Babyboomer gehen nach und nach in Rente und die geburtenschwächeren Jahrgänge, die nachkommen, können den Mangel nicht ausgleichen. Laut dem Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung werden bis 2035 rund sieben Millionen Fachkräfte fehlen. Doch es gibt auch Experten, die sagen, das hier kein Fachkräftemangel zu beklagen ist – die Unternehmen müssten sich eben nur mehr strecken, um passende Arbeitnehmer von sich zu überzeugen.
Die Arbeitskräfte sind nicht weg, die sind nur woanders.
Simon Jäger leitet das Institut zur Zukunft der Arbeit und sieht in der "stillen Reserve" ein großes Potenzial. Das sind Menschen, die nicht in den Arbeitsmarkt hineinkommen oder nicht voll arbeiten, weil es dafür nicht die passenden Bedingungen gibt. Um dieses Potenzial zu aktiveren, müssten die Arbeitsbedingungen attraktiver sein und mehr Anreize gesetzt werden. "Die Arbeitskräfte sind nicht weg, die sind nur woanders", spitzt Jäger zu.
Auch für Martin Gaedt liegt die Verantwortung für Personalnot auf der Seite der Arbeitgeber. In seinen Büchern beschäftigt er sich mit neuen Arbeitszeitmodellen, etwa der Vier-Tage-Woche und dem, wie er es beschreibt, "Mythos Fachkräftemangel". Gaedt schätzt die Situation auf dem deutschen Arbeitsmarkt so ein: "Es gibt die Unternehmen, die jammern und die unattraktiv sind und die, die viele Fachkräfte gewinnen."
Doch dass sich der Personalmangel durch die Vier-Tage-Woche und bessere Bezahlung flächendeckend beheben lässt, daran lassen allein schon die Zahlen zweifeln. So wurde vom Institut der deutschen Wirtschaft etwa die "Fachkräftelücke" berechnet. Die Kennziffer beschreibt, wie viele offene Stellen es gibt, für die kein entsprechend ausgebildetes Personal zur Verfügung steht. Im vergangenen Jahr waren das 630.000 Stellen, die nicht besetzt hätten werden können.
Außerdem bestehen regionale und branchenspezifische Unterschiede. Im Osten ist der Fachkräftemangel stärker ausgeprägt als im Westen. Pflege ist stärker betroffen als beispielsweise der Medienbereich.
Dass sich etwas ändern muss, damit Unternehmen passendes Personal finden, darin sind sich dann doch doch alle einig. Aber wie groß ist die Rolle der Arbeitgeber dabei und was kann die Politik tun – Stichwort "Fachkräfteeinwanderungsgesetz". Das und mehr besprechen wir in der aktuellen recap-Folge.
Dieses Thema im Programm: recap bei youtube | 21. April 2023 | 17:00 Uhr