Haushaltstechnik in der DDR Markus Krajewski im Interview: "Im Osten sollten die Dinge lange halten"
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06. Januar 2020, 14:21 Uhr
Wo und unter welchen Bedingungen wird der größte Teil unserer Gebrauchsgegenstände hergestellt? Warum werfen wir vieles davon nach wenigen Jahren wieder auf den Müll? Und wie sah das eigentlich in der DDR aus? Hier wurden Haushaltstechnik für die Ewigkeit gebaut. Das glaubt zumindest Professor Markus Krajewski. Er ist der Frage nachgegangen, warum viele technische Geräte heute viel schneller kaputt gehen als damals im Osten.
Täuscht der Eindruck, oder geben viele Elektronikartikel wie Handys oder Drucker tatsächlich sehr schnell ihren Geist auf?
Prof. Markus Krajewski: Nein, das ist ganz offenkundig so. Und nicht selten ist das auch Absicht. In der Wissenschaft nennt man so etwas "geplante Obsoleszenz". Das bedeutet, dass Produkte von den Herstellern so geplant werden, dass sie nicht so lange halten, wie sie könnten. Die bestehen dann entweder aus minderwertigen Bauteilen oder es wurden regelrecht Schwachstellen eingebaut, die eine geringe Lebensdauer garantieren.
Wieso machen Firmen denn so etwas?
Um zu verkaufen. Dahinter stehen oft strategische Überlegungen. Angefangen hat es in der Autoindustrie. Dort hat sich schon in den 30er-Jahren die Einsicht durchgesetzt, dass es für die Verkaufszahlen besser ist, wenn Autos von Jahr zu Jahr ein bisschen umgestaltet werden. Mal gibt es einen neuen Kotflügel, mal eine kleine Verbesserung beim Motor. Immer so, dass der Käufer veranlasst ist, sein altes noch funktionstüchtiges Modell auszusortieren und das neue zu kaufen. Dieses Spiel lässt sich aber nicht ewig treiben. Ein Drucker, der eine Auflösung von 600 dpi hat, ist natürlich eine Verbesserung zu einem mit 300 dpi. Bei einer Auflösung von mehr als 1.200 dpi muss man allerdings schon genau hinsehen, um beim Ausdruck Unterschiede zu bemerken. Neue Geräte werden dann nicht mehr wegen noch höherer dpi-Zahlen gekauft. Da ist es für die Unternehmen natürlich verlockend zu sagen, wir bauen Drucker künftig so, dass sie schneller ihren Dienst verweigern, etwa durch einen einprogrammierten Seitenzähler, der nach einer bestimmten Anzahl von Ausdrucken das Gerät für "kaputt" erklärt, obwohl es natürlich noch voll funktionsfähig ist. Dann müssen die Konsumenten auch weiterhin neue Modelle kaufen. Das ist jedoch alles schwer nachzuweisen, denn kein Unternehmen gibt über so etwas gern Auskunft oder gewährt bereitwillig Einblick in die Akten.
Wurden Produkte in der DDR auch so konzipiert?
Nein, ganz im Gegenteil. Die Ostindustrie war in dieser Beziehung anders. Im Westen gab es ungleich seltener Rohstoffknappheiten. Da konnte man öfter aus dem Vollen schöpfen. Im Osten dominierte dagegen das Prinzip des Mangels. Es fehlte an Bauteilen, Rohstoffen, Produktionskapazitäten und manchmal auch an Konkurrenz. Und das hatte natürlich eine andere Planung zur Folge. Es war wichtig, die Ressourcen möglichst sparsam zu verwenden. Die Geräte sollten so konzipiert sein, dass sie lange benutzt werden konnten und wenn sie doch einmal kaputt gingen, musste man sie schnell reparieren können. Hinzu kam, dass auch die Materialentwicklung anders verlief als im Westen. In Westeuropa und den USA wurde zum Beispiel im Kalten Krieg sehr intensiv an Kunststoffen geforscht. Dort wo früher Metall eingesetzt wurde, traten im Westen oft Plastikmodelle. Die waren aber viel schwieriger zu reparieren als ihre Vorgänger. Im Osten hat man dagegen noch sehr lange auf Metallkomponenten gesetzt.
Hielten Ostprodukte also länger als die Westmodelle?
Das lässt sich so einfach nicht sagen. Das hängt letztlich auch immer von den konkreten Produktlinien ab. Vom Prinzip her aber sollten Ost-Produkte lange halten. Gut ablesen lässt sich das zum Beispiel an der Geschichte der Glühbirne. Die war als technisches Objekt schon spätestens Ende der 30er-Jahre ausgereift. Der Sockel und die Fassung gingen kaum mehr zu verbessern. Wirklich forschen konnte man eigentlich nur an dem Teil mit dem größten Verschleiß, dem Glühfaden. Und hier kann man sehen, wie die Entwicklung in Ost und West auseinanderging. Während der DDR-Glühlampenhersteller "Narva" daran arbeitete, die Fäden so zu konzipieren, dass ein langer Einsatz möglich wurde, forschte man im Westen an einer künstlichen Begrenzung der Lebensdauer, um schneller neue Birnen verkaufen zu können. Die Folge war, dass eine Glühlampe von "Osram" im Durchschnitt 750 Stunden brannte, "Narva" hingegen Lampen mit 1.500 Stunden Lebensdauer herstellte und auch entsprechend mit einer langen Lebensdauer bewerben konnte.
Wenn man bedenkt, dass die Erde nur begrenzte Ressourcen hat, war dann der Umgang mit Rohstoffen in der DDR nicht geradezu vorbildlich?
Na ja, das Gerät muss in erster Linie natürlich die Leistung bringen, die man von ihm erwartet und da war die DDR-Wirtschaft oft alles andere als führend. Aber wenn man bedenkt, wie viel Elektroschrott jedes Jahr entsteht, der dann vor allem auf afrikanischen Müllkippen landet, wenn man berücksichtigt, wie aufwändig es ist, Gold oder andere wertvolle Metalle aus alten Produkten herauszulösen, dann muss man sagen: Natürlich ist es viel besser, Modelle mit möglichst langen Lebenszyklen zu fertigen.
Zur Person Markus Krajewski, geboren 1972 in Olpe (Nordrhein-Westfalen), studierte Neuere Deutsche Literatur, Philosophie und Soziologie; Promotion zum Dr. phil. mit einer Arbeit über "Restlosigkeit. Weltprojekte um 1900". Markus Krajewski ist Professor für Medienwissenschaft an der Universität Basel. Seine Studien zur Geschichte der Glühbirne führten ihn zu der Frage, ob Elektrogeräte heute gezielt manipuliert werden, um kaputt zu gehen.
Über dieses Thema berichtete der MDR auch in "Kommen Rührgeräte in den Himmel?" MDR Dok | 22. Juli 2020 | 16 Uhr