Strukturwandel Wie viel Denkmalschutz braucht die Kohleindustrie?
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30. Januar 2024, 05:00 Uhr
Der Denkmalschutz hat deutschlandweit alle Gebäude der Kohleindustrie erfasst, die womöglich denkmalwürdig sind. Dafür reisten Experten durch Deutschlands Kohlereviere – bezahlt vom Bund. Nun liegen die Ergebnisse vor. Erste Kohle-Denkmäler gibt es ja schon. Doch die Frage, wie viele man insgesamt braucht, ist umstritten – auch im Mitteldeutschen Revier.
- Denkmalpfleger haben im Mitteldeutschen Kohlerevier alleine in den Teilen Sachsen-Anhalts über 2.600 Objekte ausgemacht, die unter Denkmalschutz gestellt werden könnten.
- Der dortige Bundestagsabgeordnete kritisiert die Vernichtung älterer Stätten und die Ausbremsung von Entwicklung.
- Einer Expertin zufolge sollte die Bedeutung des MItteldeutschen Kohlereviers nicht unterschätzt werden
Tony Saar öffnet die Tür zur Brikettfabrik Herrmannschacht Zeitz. Es ist dunkel zwischen den alten Mauern. Schon 1889 wurde hier Kohle zermahlen und zu Briketts gepresst. Vieles ist noch erhalten: Die Dampfmaschine, die Pressen. Saar zeigt den Saal, in dem die Briketts getrocknet wurden – auf Stahlplatten. "Hier drin war es schön warm. Weil diese Dinger, diese Stahlgestelle haben Wärme abgestrahlt ohne Ende. Einhundert Prozent Luftfeuchtigkeit, 50 Grad Raumtemperatur. Kohlestaub in der Luft, finster wie der Bärenarsch. Hier gab es nur fünf Lampen. Ein "schöner" Arbeitsplatz … Es war aber auch der Arbeitsplatz in der Brikettfabrik, wo man das meiste Geld verdienen konnte als Arbeiter."
Bundestagsabgeordneter befürchte Denkmalschutz auf Kosten von Weiterentwicklung
Seit 1960 steht die Brikettfabrik unter Denkmalschutz. Mit dem Kohleausstieg stellt sich nun die Frage: Was wird aus den anderen Orten der Kohleindustrie? Um sie zu erfassen, sind Denkmalpfleger durchs Mitteldeutsche Revier gezogen. Im Dezember, sagt Martin Schneider vom Landesamt für Denkmalpflege Sachsen-Anhalt, habe man die Erfassung im Bundesland abgeschlossen. "Wir haben von Grabsteinen der Bergleute bis hin zu Kraftwerken, Brikettfabriken…Ich sage mal bei unserem Erfassungsprojekt war es insgesamt, was wir aufgenommen haben an Objekten über 2.600 Stück."
Nicht alle dieser Objekte werden automatisch zu Denkmälern erklärt. Aber einige. So wurde das alte Kohlekraftwerk Deuben bereits komplett unter Denkmalschutz gestellt. Beim dortigen SPD-Bundestagsabgeordneten Rüdiger Erben sorgte das für Unmut. Denn der Denkmalstatus, so seine Befürchtung, verhindere eine Weiterentwicklung. Er fragt: Was soll man denn aus so einem alten Kraftwerk noch machen? "In und um Deuben stand eine Vielzahl deutlich älterer und historischerer Veredelungsanlagen. Alles ist dort, auch schon unter dem Geltungsbereich des heutigen Denkmalschutzes, dem Erdboden gleichgemacht worden. Und jetzt kettet man sich an die letzten Anlagen und verhindert eine Entwicklung. Und das kritisiere ich vor allem."
Mitteldeutsches Kohlerevier war bedeutend
Sachsen-Anhalts Landeskonservatorin Elisabeth Rüber-Schütte entgegnet, sie wolle auch an Denkmälern wirtschaftliche Aktivität ermöglichen. Was das konkret heißt, lässt sie offen. Für die Nachnutzung des Kraftwerks Deuben führe man Gespräche. Generell finde sie es schade, dass viele Zeugnisse der Kohleindustrie schon verloren sind. "Es ist ja leider so, dass das Mitteldeutsche Revier nicht ganz so prominent ist in der Wahrnehmung wie das Rheinische Revier, aber ja hochbedeutend gewesen ist, auch für viele Folgeindustrien gesorgt hat. Und auch für ganz viele Innovationsschübe, die auf andere Bereiche übertragen wurden. Und da geht es einfach darum, diese Kultur bei dem Strukturwandel ganzheitlich zu erfassen, zu bewahren und sich bewusst zu machen."
Tony Saar hat Kohlegeschichte im Blut. Er führt durch die Brikettfabrik Zeitz. Was hier rauskam, waren Markenprodukte – mit eingeprägten Herstellernamen auf jedem Brikett. "Und ich muss wirklich sagen, die Firmenlogos, die haben sich damals wirklich Mühe gegeben, ihren Namen zu zeigen. Es war die einfachste Werbung. Jeder hat es in der Hand gehabt. Mehrfach."
Saar ist froh, dass die Zeitzer Fabrik die Zeiten überdauert hat. Er führt ehrenamtlich durch die Anlage. Das Interesse sei groß. Trotzdem bleibt offen, wie viele solcher Erinnerungsorte die Kohleregion künftig braucht.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 30. Januar 2024 | 06:17 Uhr
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