Kohlebagger im Tagebau Schleenhain
Was kommt nach der Kohle? Ein neuer Bürgerbeirat soll in Sachsen-Anhalt darüber mitbestimmen. Bildrechte: imago/Rainer Weisflog

Strukturwandel Bürgerbeirat entscheidet jetzt über Zukunft der Kohleregionen mit

von Daniel Salpius, MDR SACHSEN-ANHALT

24. November 2023, 19:00 Uhr

Für den Bürgerbeirat "Strukturwandel im Mitteldeutschen Revier" sind 20 Männer und Frauen aus fünf Kreisen ausgewählt worden. Um einen Sitz hatten sich insgesamt 130 Menschen aus Sachsen-Anhalt beworben. In voraussichtlich vier jährlichen Sitzungen erhalten die Mitglieder exklusive Informationen über bevorstehende Projekte.

Die Zukunft der sachsen-anhaltischen Braunkohlegebiete soll ab Samstag von 20 Bürgerinnen und Bürgern mitentschieden werden. Sie wurden zuvor nach Altersgruppen und Geschlecht ausgelost und gehören nun dem Bürgerbeirat "Strukturwandel im Mitteldeutschen Revier" an. Vertreten sind jeweils vier Personen aus den vom Kohleausstieg besonders betroffenen Kreisen Burgenlandkreis, Saalekreis, Mansfeld-Südharz, Anhalt-Bitterfeld sowie der kreisfreien Stadt Halle.

Strukturwandel: 130 Menschen wollten mitreden

Jede Region sei dabei genau zur Hälfte mit Frauen und Männern vertreten, berichtete die Sprecherin der Staatskanzlei, Ute Albersmann, auf Nachfrage von MDR SACHSEN-ANHALT. "Das älteste Mitglied des Gremiums ist eine 70-jährige Frau, das jüngste ein 23-jähriger Mann." Bis zum 1. November konnten sich Bürgerinnen und Bürger um einen Sitz im Beirat bewerben. Vorkenntnisse waren dafür nicht notwendig. Insgesamt 130 Menschen seien dem Aufruf gefolgt, so Albersmann. Die 20 ausgelosten Frauen und Männer treffen sich am Samstag zur konstituierenden Sitzung in Halle.

Der Bürgerbeirat soll fortan bis zu vier Mal im Jahr zusammenkommen. In den nicht-öffentlichen, moderierten Sitzungen erhalten die Mitglieder laut Staatskanzlei exklusive Informationen über bevorstehende Strukturwandel-Projekte. Das Gremium soll hierüber beraten und Empfehlungen formulieren, die den Alltagserfahrungen und Sichtweisen der Menschen aus den betroffenen Regionen entsprechen.

Bürgerbeirat soll beraten

Das Bürger-Gremium entscheidet also nicht darüber, in welche Maßnahmen die zugesagten Kohle-Milliarden des Bundes fließen. Dies wird in einem komplizierten Verfahren zwischen Bund, Ländern und Kreisen verhandelt. Stattdessen seien die Beiratsmitglieder gefragt, wenn es darum gehe, wie die zuvor ausgewählten Projekte konkret ausgestaltet werden sollten, erklärt Ute Albersmann.

Die Empfehlungen wiederum werden dann in ein weiteres Gremium getragen: den Revierausschuss, in dem Landkreise, Ministerien und Verbände sitzen. Ein bis zwei Sprecher des Bürgerbeirats sollen hier dann ebenfalls feste Sitze als gleichberechtigte Mitglieder erhalten. Ein Vetorecht haben die Bürger laut Staatskanzlei auch im Revierausschuss allerdings nicht – ebenso wenig wie die vertretenen Verbände.

Freiwilligenagenturen: "Scheinbeteiligung vermeiden"

Inwiefern Vorschläge des Bürgerbeirats am Ende also auch verwirklicht werden, muss sich zeigen. Eine "Scheinpartizipation" jedenfalls müsse vermieden werden, sagt Uwe Lummitsch von der Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen Sachsen-Anhalt. Grundsätzlich sei der Bürgerbeirat jedoch ein gutes Instrument. Es zeige, so Lummitsch, dass Politik und Verwaltung die Interessen der betroffenen Menschen wahrnähmen und diesen einen Raum böten, sich einzubringen. "Wichtig wäre, dass die dortige Expertise für den Strukturwandelprozess auch genutzt wird und aus dem Beteiligungsprozess heraus entwickelte Ideen auch umgesetzt werden können."

Angeschoben wurde der Bürgerbeirat durch Sachsen-Anhalts Staatskanzlei und das Ministerium für Kultur. Damit gibt es jetzt eine weitere Form der Bürgerbeteiligung im Rahmen des Strukturwandelprozesses. Ein anderes prominentes Beispiel ist der Ideenwettbewerb "Revierpionier".

Kohle-Aus: Bund will 4,8 Milliarden in Regionen investieren

Verbunden mit dem Aus der Kohleverstromung bis 2038 hatte der Bund Sachsen-Anhalt Investitionen in Höhe von 4,8 Milliarden Euro zugesagt. Das Geld soll in Projekte fließen, die die Kohleregionen in neue wirtschaftliche Bahnen lenken. Oberstes Ziel dabei sind neue Jobs abseits des Braunkohleabbaus. Bislang seien Förderbescheide in Höhe von rund 360 Millionen Euro bewilligt worden, so Ute Albersmann.

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Nach Angaben der Staatskanzlei, die den Strukturwandel federführend begleitet, sind im sachsen-anhaltischen Revier mehr als 5.000 Menschen direkt in der Kohlewirtschaft beschäftigt, weitere 15.600 in der energieintensiven Industrie.

MDR (Daniel Salpius)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 25. November 2023 | 07:30 Uhr

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