Der Redakteur | 26.09.2023 Die Debatte rund um gendergerechte Sprache - Ein Überblick
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26. September 2023, 19:40 Uhr
Sprache lebt. Sie hat sich schon immer entwickelt, indem Menschen sie gesprochen haben und andere Sprachen oder Erfindungen Einfluss nahmen. Vor wenigen Jahren war das Handy noch unbekannt, heute ist es ein Alltagsbegriff wie das Fernsehen. Beim Gendern hingegen läuft die Übernahme neuer Begriffe eher schleppend. Vieles klingt sperrig und sprachgeschichtlich ist alles ein riesiges Missverständnis.
Irgendwann in der Antike liegen die Wurzeln für unsere heutige Gender-Problematik. Wir wissen nicht, ob da ein paar Gelehrte einen Sitzkreis gebildet haben oder ob das ein längerer Prozess war, jedenfalls haben sich damals drei Dinge ergeben, beziehungsweise die Unterscheidung in drei Genera (Mehrzahl von lateinisch: Genus). Erstens nämlich belebtes (als maskulin bezeichnet), dann unbelebtes (neutrum) und die Kollektiva (feminin).
Kollektiva bezeichnen gleichartige Dinge oder Sachverhalte wie die Familie, eine Klasse oder eine Gruppe. Diese einstige dreiteilige Gliederung der Grammatik ist wissenschaftlich erwiesen, sagt Prof. Helmut Weiß, Sprachwissenschaftler an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Daraus hat sich unser heutiges System entwickelt. Nun könnte man argumentieren, die Männer haben das Männliche großkotzig für die Lebewesen okkupiert und somit die Basis geschaffen, dass es jetzt der Lehrer heißt. Doch Prof. Eckhard Meineke, bis 2019 Professor für Geschichte der deutschen Sprache Uni Jena, sieht hier eher eine unbedachte Benennung. Sein gerade erschienenes Buch "Studien zum genderneutralen Maskulinum" rechnet deutlich mit der Genderbewegung ab. Hätte man damals den drei Genera nicht die Begriffe maskulin, neutrum und feminin zugeordnet, sondern blau, grün und gelb, dann wäre wohl nie niemand auf die Idee gekommen, den Begriff eines grammatikalischen Geschlechts zu prägen. Aber genau das ist leider geschehen.
Maskulinum ist eine unbedachte Benennung durch die antike Grammatik. Die frühe deutsche Grammatikschreibung hat aus der Kategorienbezeichnung "Genus", die nur 'Art, Sorte" bedeutet, die Übersetzung "Geschlecht" gemacht.
Ist das Männliche nur die Resterampe?
Streng genommen könnte man die Entstehung der drei Genera auch umdrehen und auf die Theorie verweisen, dass man Kollektiva ursprünglich deshalb als weiblich angesehen hat, weil sie kulturell mit Natur und Fruchtbarkeit in Verbindung gebracht wurden. Also eigentlich mit etwas Schönem. Damit blieb für die Bezeichnung einzelner Lebewesen nur das Männliche übrig, wenn man denn - wie geschehen - als grammatische Unterscheidungsbegriffe das Männliche und das Weibliche wählt. So wie bei Steckern und Buchsen in der Elektronik übrigens auch, wo man ebenfalls von männlich und weiblich spricht.
Im Falle der Grammatik hat allerdings die Doppelbelegung von Geschlecht - einerseits grammatisch und andererseits natürlich - zu einer Diskussion geführt, die seit rund 40 Jahren ideologiebetrieben geführt wird. So jedenfalls der deutliche Vorwurf von Prof. Meineke, der sprachwissenschaftlich keine Belege dafür sieht, dass ständig nur Männer gemeint sind. Die Sprachwissenschaftlerin Luise F. Pusch gilt als Urheberin des Genderns - übrigens auch des Binnen-I, weil sie Ende der 70er-Jahre eine männerorientierte Diskriminierung in der deutschen Standardsprache diagnostizierte. Bis heute gibt es Kollegen, die ihr gedanklich folgen und dabei außer Acht lassen, dass mit dieser These reichlich unerklärbare Phänomene entstehen. Der Löffel, die Gabel, das Messer - haben die auch ein "Geschlecht"?
Bei Personenbezeichnungen muss zwischen dem Genus (grammatisches Geschlecht) sowie dem (…) natürlichen Geschlecht unterschieden werden. Substantive können sich unabhängig von ihrem weiblichen, männlichen oder neutralen Genus auf Personen jeden natürlichen Geschlechts beziehen.
Prof. Meineke verweist ebenfalls darauf, dass man vom grammatischen Geschlecht nicht auf das natürliche schließen kann. Kaum jemand käme auf die Idee, dass der Mensch als nur männlich verstanden wird. Im Umkehrschluss wäre die Person dann also nur weiblich? Und was ist mit einer Hilfskraft? Das Mädchen ist grammatisch sächlich, aber trotzdem weiblichen Geschlechts. Das sächliche Kind kann hingegen alles sein und wer ist alles mit Säugling gemeint, nur die Jungs? Stringent ist das alles irgendwie nicht.
Wie kommen wir aus der Nummer wieder raus?
Wie so vieles in der Sprachentwicklung wird sich das abschleifen. Wer mag, gendert, wer nicht, lässt es bleiben. Was einem gut durch Mund und Feder gleitet, wird sich durchsetzen und aktuell ist auch 40 Jahre nach Beginn der Genderbewegung die Zustimmungsrate eher gering. Es tun sich einfach zu viele Widersprüche auf. Warum die Partizipform "Studierende" alle früher als Studenten bezeichnete Menschen einschließen soll, das gleiche Prinzip aber bei den Dozenten schon wieder absurd klingt, das stört einfach. Die Dozenten egal welchen Geschlechts dürften sich nämlich nur ungern als Dozierende bezeichnen lassen wollen, stellte der Autor und Wissenschafts-Journalist Tim Schröder in der Fernsehsendung Fakt Ist! aus Erfurt fest. Es sieht im Moment also nicht danach aus, dass die Polizei demnächst vor Falschfahrenden warnt und die unbekannten Tätigen sucht.
MDR (thk/ask/ls)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 26. September 2023 | 16:40 Uhr