Ostdeutsche Perspektive Mehr Mut anstatt Wut: der Osten vor der Bundestagswahl
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20. Februar 2025, 08:13 Uhr
Kurz vor der Wahl fängt die Reportage "Wut. Die Reise geht weiter" ein Stimmungsbild im Osten ein. Sind die Menschen wirklich so wütend wie medial dargestellt? Filmemacher Matthias Schmidt trifft vor allem auch auf Mut und Ideenreichtum.
"Was mich ärgert, ist, dass auch heute noch, im Jahr 2025, holzschnittartig über den Osten berichtet wird", sagt Christian Bollert. Der Unternehmer und Journalist hat unter anderem das Portal "Wir sind der Osten" mitgegründet, um zu zeigen: 'Der Osten' sind nicht nur Wutbürger und Rechtsextreme. Bollerts Kritik: Über die Menschen im Osten werde häufig gesprochen, mit ihnen jedoch zu selten. Diese Kritik wird auch in der Reportage "Wut. Die Reise geht weiter" deutlich, die derzeit in der ARD Mediathek zu sehen ist. Filmemacher Matthias Schmidt begibt sich auf einer Reise quer durch Mitteldeutschland auf die Suche nach Stimmen, Meinungen und Gefühlslagen. Und dabei trifft er vor allem auf Menschen, die im Osten etwas bewegen wollen.
Gemeinsam für eine Kleinstadt im Erzgebirge: Lößnitz Makers
Die "Lößnitz Makers" zum Beispiel – eine Gruppe von Menschen im Erzgebirge, die mit Ideenreichtum und Gemeinschaftssinn versuchen, der Kleinstadt neues Leben einzuhauchen. Ganz ohne Stereotypen-Denken.
"Ich würde gar nicht allzu sehr unterscheiden in Ost- und Westdeutschland", sagt Rico Geisler von den Lößnitz Makers. "Wir versuchen, das Ganze sozusagen auf die Stadt, auf die Kommune herunterzubrechen und versuchen, die Leute wieder stärker einzubeziehen und an einem gemeinsamen Ziel arbeiten zu lassen." Denn das eine die Menschen in der Stadt, sagt Geisler: "Man möchte, dass die Stadt sich positiv entwickelt." Die Probleme, die sich in der Gesellschaft zeigen, könnten in der Stadt selbst im Kleinen auch behoben werden, sagt er.
Die Wiederbelebung eines alten Postamts, Parties, Workshops oder gemeinsame Essen – mit derlei Aktionen wollen die Lößnitz Makers die Menschen in einer sich immer weiter spaltenden Gesellschaft wieder zusammenbringen.
Geislers Kollegin Susanne Krauß nennt ein weiteres Beispiel: "Wir wollen im August ein gemeinsames Picknick auf dem Markt machen. Wir stellen Tische, Stühle, Bänke auf und jeder bringt etwas aus seiner Küche mit." Wo Menschen zusammenkommen und essen, dort entstehe Gemeinschaft, sagt Krauß. "Da kommt man ins Gespräch, da tauscht man sich aus." Und das vergangene halbe Jahr habe gezeigt, dass sich über dieses Miteinander, wenn auch im Kleinen, etwas ändern und Vorurteile abgebaut werden können.
Zwischen Vereinzelung und Entsolidarisierung
Woher kommt aber das Gefühl, auch über 30 Jahre nach dem Fall der Mauer, abgehängt zu sein? Die Leipziger Politikwissenschaftlerin Astrid Lorenz wirft einen Blick auf die Zeit kurz nach dem Fall der Mauer. "Ich glaube, der größte Frust wurde erzeugt durch die Massenarbeitslosigkeit der 90er und das Gefühl der Entsolidarisierung innerhalb der Gesellschaft", sagt sie. Viele Menschen seien in den Westen abgewandert, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Was blieb, sei ein Gefühl der Vereinzelung in der ehemaligen DDR. "Vorher war es ja eine Gesellschaft, in der jeder von der Wiege bis zur Bahre immer irgendwie aufgehoben war, immer einsortiert, und man war Teil eines festen Kollektivs und Systems." Das sei von einem Tag auf den anderen weggebrochen.
Kampf gegen Vorurteile
Wie blicken die nach 1989 Geborenen heute auf Ost und West? Hier richtet die Reportage den Blick auf eine junge Frau aus Halle. Sidney Witzel wurde 2005 geboren, macht eine Ausbildung zur Logopädin in der Saalestadt und ist Musikerin. Obwohl sie den Fall der Mauer nur aus Geschichtsbüchern kennt, wird auch sie immer wieder mit Vorurteilen über "den Osten" konfrontiert.
Sie fragt sich: "Woher kommen diese Vorurteile denn? Sie müssen ja irgendwie von den Eltern oder der Schule kommen? Irgendwer muss auch meiner Generation diese Vorurteile in den Kopf gesetzt haben." Und dabei blickt sie auf beide Seiten – sowohl in den Westen, als auch in den Osten." Würde auch ihre Generation diese Vorurteile weiterleben, "dann wird es nie enden", sagt Sidney Witzel. Dagegen kämpft die Musikerin an. Diese und weitere Stimmen sehen Sie in der ARD Mediathek.
MDR (nvm)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Wut. Die Reise geht weiter. | 20. Februar 2025 | 20:15 Uhr