Erasmus Wie die EU jungen Menschen Bildung im Ausland ermöglicht
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23. Mai 2024, 16:30 Uhr
Mehr als 26 Milliarden Euro stellt die EU für den Zeitraum von 2021 bis 2027 für Erasmus+ zur Verfügung. Das EU-Programm fördert nicht mehr nur Auslandssemester für Studierende, sondern auch internationale Bildungsangebote für Auszubildende, Schüler und verschiedene Bildungsprojekte. Wie kompliziert sind die Anträge? Wie viele Menschen in Mitteldeutschland nutzen diese Angebote? Und ist Erasmus nur etwas für Kinder reicher Eltern?
- Auslandssemester mit Erasmus+ können eine große Bereicherung für Studierende sein – und werden auch gezielt gefördert.
- Austauschprogramme gibt es für Studierende wie für Auszubildende.
- In Mitteldeutschland werden die Angebote unterschiedlich häufig in Anspruch genommen: Auszubildende nutzen sie seltener als Studierende; in Thüringen gehen besonders wenige Studierende ins Ausland, in Sachsen besonders viele.
Erasmus+ für Studierende: Unkomplizierte Anträge, gezielte Förderung
Tom Prennig studiert an der Hochschule Mittweida im Master Blockchain und DLT – beschäftigt sich also mit den technischen Grundlagen für Kryptowährungen wie Bitcoin. Mit Hilfe der Erasmus+ Förderung hat er zwei Auslandssemester in Bergen in Norwegen verbracht. Die Förderung zu beantragen sei einfach gewesen, meint er, und lobt auch die Beratung und Abwicklung des Antrages. Einzig die Kommunikation der Fördermöglichkeiten sei noch ausbaufähig, meint Prennig: "Was ich mir vielleicht mehr gewünscht hätte: Ein besseres Marketing. Ich wusste erst gar nicht, dass das existiert, und habe es dann erst von anderen Studenten mitbekommen."
Die EU fördert Prennigs Auslandsstudium in Norwegen mit insgesamt 800€ im Monat. 600€ sind die "Grundversorgung" durch Erasmus+. Deren Höhe richtet sich nach den Lebenshaltungskosten im Zielland, für Aufenthalte in Norwegen gibt es den Höchstsatz. Weitere 200€ bekommt Prennig aus Aufstockungsbeträgen, sogenannten "Top-Ups". Diese stehen zum Beispiel Studierenden mit Kindern, erwerbstätigen Studierenden, oder – wie in Prennigs Fall – Erstakademikern zu, also Kindern von Eltern, die keinen Hochschulabschluss haben.
Für Tom Prennig reicht das Geld, um den Alltag in Norwegen zu bestreiten, lediglich Urlaubsreisen während des Auslandssemester müsste man von vorher Erspartem bezahlen. Seine zwei Auslandssemester und das Erasmus+ Programm empfindet er als große Bereicherung: "Wenn es das Erasmus-Programm noch nicht gäbe, würde ich es direkt einführen, weil ich es sehr gut finde. Es verbindet die Länder miteinander, fördert den Austausch und bildet neue Freundschaften“
Wenn es das Erasmus-Programm noch nicht gäbe, würde ich es direkt einführen. Es verbindet die Länder miteinander, fördert den Austausch und bildet neue Freundschaften
Mit Erasmus ins Ausland – das geht auch für Azubis
Im Rahmen von Erasmus+ wird nicht nur Studierenden wie Tom Prennig ein Bildungsaufenthalt im Europäischen Ausland ermöglicht. Bis 2017 stand der Name "Erasmus" zwar noch exklusiv für das Förderprogramm, mit dem die EU es Studierenden ermöglichte, im Europäischen Ausland zu studieren. Mittlerweile jedoch umfasst Erasmus+ auch Angebote für Auszubildende, Schüler, Sportvereine und Jugendprojekte.
Eine, die dieses Angebot genutzt hat, ist Luise Dümichen. Sie macht in Annaburg eine Ausbildung zur Konditorin und war schon zweimal für ein Praktikum im Ausland. Einmal in Frankreich und einmal – von der Europäischen Union gefördert – in Spanien. Obwohl sie jeweils nur für kurze Zeit in den jeweiligen Ländern war, beide Male nur für einige Wochen, konnte sie viel von ihren Aufenthalten mitnehmen, sagt sie: "Ich fand's auf jeden Fall sehr interessant. Mal neue Torten zu sehen, andere Kombinationen, viel individuelleres, und auch einfach mal was anderes als das, was man sonst sieht – weil es in Frankreich ja auch ganz viele typische Gebäcke gibt, die es hier nicht gibt. Da wurde ich auch viel herangeführt, damit ich auch mal alles gemacht habe und kennen gelernt habe."
Zahlen musste Dümichen für ihre Auslandsaufenthalte nichts. Die EU übernimmt mit dem Erasmus+ Programm die Organisation für die internationalen Praktika und zahlt den Lehrlingen Anreise und Unterkunft. Dümichen selbst stellte das Auslandspraktikum also eher weniger vor Probleme – bei ihrem Meister Sören Käpernick sah das anders aus: Er betreibt drei Filialen mit siebzehn Angestellte – das funktionierte ohne seine Auszubildende nicht ohne weiteres: "Für uns war das natürlich eine ganz schöne Herausforderung. Ich meine, wir haben noch den einen oder anderen Kollegen, auf den wir zurückgreifen können. Aber man merkt wirklich, wenn jemand fehlt."
Käpernick würde trotzdem auch weiterhin Auszubildenden ein Auslandspraktikum ermöglichen. Einerseits helfe das den Lehrlingen in der persönlichen Entwicklung, andererseits sieht er auch Vorteile für seinen Betrieb: "Auslandserfahrung sammeln, speziell vielleicht auch andere Produkte kennenzulernen, die ein oder andere Sache mit nach Deutschland zu bringen. Ich meine, gerade Frankreich ist ja berühmt für Patisserie und feine Produkte, hochwertige Produkte. Und wenn man da so zwei, drei Sachen irgendwo in das eigene Unternehmen mit einbringen kann, dann ist das natürlich sehr sehr hilfreich."
Auszubildende nutzen die Förderungen durch Erasmus+ seltener als Studierende
Dümichen ist eine von relativ wenigen Auszubildenden aus Sachsen-Anhalt, die ein Praktikum im europäischen Ausland absolvieren. 2023 waren es 271 Azubis und Berufsschüler – ähnlich viele wie in Thüringen (264) und deutlich weniger als in Sachsen (704). Aus Hamburg, wo es vergleichbar viele Auszubildende gibt, gingen mehr als drei Mal so viele ins Ausland. Bei den Studierenden zeichnen die Zahlen ein anderes Bild. 2023 gingen aus Thüringen 898 Studierende mit Erasmus+ in ein Auslandssemester, aus Sachsen-Anhalt 823 und aus Sachsen 2.739. Der Anteil derer, die ein Auslandssemester machen, liegt in Sachsen-Anhalt damit knapp über dem Bundesdurchschnitt, und Sachsen ist gemeinsam mit Bremen "Spitzenreiter" – außerdem ist die Universität Leipzig deutschlandweit die Hochschule mit den meisten Studierenden, die ein Auslandssemester über Erasmus+ absolvieren. Thüringen hingegen ist bundesweites Schlusslicht beim Anteil der Studierenden, die ein Auslandssemester machen.
Dass vergleichsweise wenige Auszubildende ein Auslandspraktikum machen, liegt unter anderem daran, dass das Angebot nicht ausreichend beworben werde, sagt Thomas Böttcher, der in Sachsen-Anhalt Menschen bei der Planung geförderter Auslandsaufenthalte unterstützt: "Jeder weiß, dass Europa offen und freizügig ist, aber welche konkreten positiven Auswirkungen das haben kann, weiß man nicht unbedingt. Es wäre wünschenswert, wenn davon mehr Betriebe, Ausbilder und Berufsschulen wüssten."
Bundesland | Erasmus+ Studierende | Erasmus+ Auszubildende und Berufsschüler |
---|---|---|
Sachsen | 2739 | 704 |
Sachsen-Anhalt | 823 | 271 |
Thüringen | 898 | 264 |
Erasmus+: Nicht nur Auslandssemester
Seit 2017 sind die verschiedenen Bildungs- und Austauschprogramme der EU unter dem Namen "Erasmus+" zusammengefasst. Diese liefen davor unter verschiedenen Namen wie "Leonardo Da Vinci" (Programme in der Berufsbildung) oder "Comenius" (Programme in der Schulbildung).
Neben Auslandssemestern und -praktika für Studierende und Auszubildende werden auch Projekte in der Jugendarbeit sowie Reisen von Schulen und Sportvereinen gefördert – wie zum Beispiel das Projekt "Der Baum Europa trägt viele Blätter" des Ilmenauer Lindental-Gymnasiums, bei dem die Schüler drei Jahre lang in verschiedene Europäische Länder reisten.
Für den Zeitraum 2021 bis 2027 stellt die EU für all diese Projekte einen Etat von 28,4 Milliarden Euro zur Verfügung. Der Großteil davon fließt in die Hochschulbildung: Mobilitätsprojekte, also geförderte Auslandsaufenthalte, förderte Erasmus+ in Deutschland 2023 an Hochschulen mit etwa 185 Millionen Euro, für Mobilitätsprojekte im Bereich Berufsbildung wurden etwa 70 Millionen Euro aufgewendet.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 21. Mai 2024 | 21:45 Uhr