Bundestagswahl Kommentar: AfD und SPD kicken Linke und CDU in Thüringen vom Sockel

27. September 2021, 00:10 Uhr

Der Osten wählt anders - das hat sich auch bei der Bundestagswahl 2021 in Thüringen bestätigt. Die AfD wird stärkste Partei - für die SPD reicht es trotz großer Zuwächse nur für Platz 2. Ein landespolitischer Blick auf die Bundestagswahl.

Porträt der MDR-Journalistin Regina Lang
Bildrechte: MDR/Mayte Müller

Sage noch einer, Wahlen ändern nichts. Im Bund liegen zwar die früheren "großen" Volksparteien, CDU und SPD, weiter vorn, in Thüringen haben die Wähler und Wählerinnen die Kräfte aber immens verschoben.

In Thüringen wird die AfD stärkste Partei - knapp vor der SPD. Die hat zwar die meisten Stimmen dazu gewonnen, für den Landessieg hat es jedoch nicht gereicht. Auf der Verliererseite stehen die Linke und die CDU.  

Thüringer Linke, die klare Verliererin

Für die Thüringer Linke ist das Wahlergebnis ein Schlag ins Gesicht. Die Linke, die in Thüringen den Ministerpräsidenten stellt, hat es nicht geschafft, die Wähler bei der Bundestagswahl für sich zu gewinnen. Nach dem Ergebnis von Sonntag kann sich die Linke schon mal fragen, was von ihr übrig bleiben wird, wenn der Bodo-Ramelow-Faktor auch auf Landesebene nicht mehr zieht. Die Linke galt als die Partei, die die Menschen im Osten versteht, die für soziale Gerechtigkeit steht.

Das war einmal. Die Rolle der Ost-Versteherin hat die AfD für sich erobert. Bisherige Linke-Wähler sind in Scharen zu den Rechtspopulisten abgewandert. Vor allem in den Dörfern haben sich mehr und mehr Leute von der AfD überzeugen lassen.

Daran hat sicher auch die Corona-Politik in Bund und Land einen Anteil. Die Rechtspopulisten haben sich als Protestpartei etabliert. Dass gerade in Thüringen die AfD einen extrem demokratiefeindlichen Kurs vertritt, das scheint gut ein Viertel der Thüringer Wähler nicht abzuschrecken.

Desaster für Thüringer CDU

Für die CDU in Thüringen ist das Ergebnis ein Desaster. Die Partei war lange auf Erfolg programmiert, in den letzten Jahren ging es nur noch bergab. Und heute: Die Wahlkreise, in Thüringen traditionell eine sichere Bank für die Union - leider verloren.

Nur der Eichsfelder Manfred Grund hat sein Direktmandat wieder geholt. Alle anderen, Parteichef Christian Hirte, Ex-Parteichef Mike Mohring und der umstrittene Kandidat Hans-Georg Maaßen, sind gescheitert. Die Parteispenden-Affäre, die Maaßen-Kandidatur, die Schwäche ihres Kanzlerkandidaten - politische Themen haben es bei der CDU nicht in den Vordergrund geschafft. Heute gabs die Quittung mit einem Riesen-Minus für die ganze Partei.

Wer sind die Gewinner der Wahl?

FDP und Grüne gehören beide zu den kleinen Gewinnern - die FDP kann nach dem Harakiri um die Ministerpräsidenten-Wahl vor einem Jahr mehr als stolz sein auf ihre gut neun Prozent. Die Grünen haben zwar zugelegt, Grund zur Freude kann das Ergebnis aber nicht sein: Sechs Prozent in Thüringen, das ist keine solide Basis.

Der eigentliche Gewinner in Thüringen ist die SPD. Vor einem Jahr fast schon totgesagt, holen die Sozialdemokraten ein Plus von mehr als zehn Prozentpunkten. Seit vielen Jahren mal wieder gewinnen drei SPD-Politiker ihre Wahlkreise. Die Erfolgswelle von Kanzler-Kandidat Olaf Scholz hat alle mitgenommen - darauf kann die in den letzten Jahren eher schwache Thüringer SPD aufbauen.

Wenn die Bundestagswahl Landtagswahl wäre

Betrachtet man das Ergebnis aus landespolitischer Sicht: Was, wenn diese Bundestagswahl die Landtagswahl gewesen wäre? Der Ministerpräsident wäre abgewählt, die Oppositionspartei AfD stärkste Kraft. Wie würde eine Regierung aussehen? Da müsste zusammenregieren, was nicht zusammenpasst. Oder vier Parteien müssten über ihren Schatten springen. Armes Thüringen.

Quelle: MDR THÜRINGEN

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 26. September 2021 | 19:00 Uhr

Mehr aus Deutschland