Gesundheitssystem Politik lehnt Selbstbeteiligung bei Krankenversicherung ab

24. Februar 2023, 05:00 Uhr

Die gesetzliche Krankenversicherung nimmt mit den Beiträgen der Versicherten nicht genug Geld ein, um die Kosten zu decken: Für 2023 wird mit einem Defizit von 17 Milliarden Euro gerechnet. Der Ökonom Bernd Raffelhüschen hat deshalb vorgeschlagen, eine Selbstbeteiligung der Versicherten einzuführen. Die Politik lehnt den Vorschlag allerdings ab.

Porträtaufnahme einer weißen Frau mit zurückgebundenen Haaren, einer großen Brille und grüner Bluse
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Bis zu 2.000 Euro pro Jahr gestaffelt nach Einkommen könnten die Versicherten etwa selbst zahlen, schlägt Ökonomie-Professor Bernd Raffelhüschen zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung vor. Denn ohne ein Gegensteuern könne der Beitragssatz bis 2035 auf bis zu 22 Prozent vom Bruttolohn steigen.

Die sächsische Gesundheitsministerin und SPD-Politikerin Petra Köpping lehnt diesen Vorschlag kategorisch ab. Er würde das Solidarsystem unterlaufen: "Insofern sind solche Vorschläge, zu differenzieren, aus meiner Sicht abzulehnen, weil es dazu führen kann, dass auf der einen Seite Menschen, die Unfälle oder Erkrankungen hatten, nicht mehr zum Arzt gehen, weil sie eben diese Selbstbeteiligung haben und das kann nicht unser Ansinnen sein."

Anreiz durch Selbstbeteiligung

Dieses Risiko sieht auch die Professorin für öffentliche Finanzen an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, Beate Jochimsen und spricht von einem zweischneidigen Schwert.

Die Idee sei nicht neu, aber generell zu begrüßen. Eine Selbstbeteiligung liefere nämlich auf der anderen Seite auch einen Anreiz, besser auf die eigene Gesundheit zu achten und genau darum ginge es: "Man könnte auch 500 Euro nehmen und hätte möglicherweise dann einen disziplinierenden Effekt, dass die Leute eben überlegen: Bin ich so krank, dass ich noch zum Arzt gehe oder reicht es auch, wenn ich mir eine Halsschmerz-Tablette selber kaufe."

Den Präventionsgedanken findet die Thüringer Gesundheitsministerin Heike Werner von der Linken grundsätzlich gut, allerdings lasse sich Prävention nicht verordnen. Die müsse unter anderem in Schulen und Unternehmen stattfinden. Die Versicherten hätten bereits jetzt Zuzahlungen zu tragen – etwa bei Medikamenten oder Zahnbehandlungen. Außerdem, findet Werner: "Wir wissen schon heute, dass Menschen, die prekär beschäftigt sind, sich teilweise nicht gesund ernähren können, weil dazu die Einkommen beispielsweise nicht ausreichen. Das nochmal zu verstärken durch Eigenbeteiligung ist einfach wirklich der falsche Weg."

Werner: System müsse zu Solidarprinzip verändert werden

Ministerin Werner glaubt nicht, dass die Einnahmen durch eine Selbstbeteiligung dazu führen würden, dass das aktuelle System der gesetzlichen Krankenversicherung noch eine Zukunft hat. Das System müsse grundsätzlich überarbeitet werden, sagt die Linken-Politikerin: "Hier muss man insgesamt das Finanzierungssystem verändern, damit die Einnahmeseite tatsächlich gestärkt wird – beispielsweise durch eine Bürgerversicherung, in die alle einzahlen und alle sich beteiligen müssen, damit man wirklich zu einem Solidarprinzip kommt, das alle einbezieht."

Momentan könnten sich Vermögende und Gutverdienende durch Beitragsbemessungsgrenzen und die Private Krankenversicherung entziehen, ergänzt Werner.

In Hinblick auf den Freiburger Raffelhüschen bemerkt sie, dass er nicht nur Ökonomie-Professor sei, sondern auch Botschafter der Lobby-Organisation "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft". Die vertrete die Interessen der Arbeitgeber, sagt die Ministerin. Vorschläge wie eine Selbstbeteiligung dienten vor allem dazu, dass die Arbeitgeber sich aus der paritätischen Finanzierung Stück für Stück zurückziehen könnten.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 24. Februar 2023 | 06:00 Uhr

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