"Meinung zu Gast" Die Klimafonds-Niederlage als Chance sehen
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27. November 2023, 15:28 Uhr
"Meinung zu Gast"-Autor Marcel Auermann sieht vor allem Ostdeutschland durch das fehlende Geld im Klimafonds betroffen. Aber daraus könnten sich auch Vorteile ergeben, argumentiert er.
Da hat die Bundesregierung den Salat. Nein, da haben wir alle den Salat, den uns die Berliner Ampel-Koalition eingebrockt hat. Mit einem haushaltspolitischen Kniff wollten SPD, Grüne und FDP die Schuldenbremse zugunsten des Klimaschutzes umgehen. Doch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe fährt diesem Vorhaben knallhart in die Parade. Damit klafft ein Riesenloch in der Finanzierung von vielen Dingen, die uns alle angehen. Besonders Ostdeutschland könnte es treffen.
Mit einem Schlag fehlen fest eingeplante Kredite von 60 Milliarden Euro. Mit ihnen sollten unter anderem Bürger und Unternehmen bei den Strompreisen entlastet werden. Sie sahen eine Kaufprämie für Elektroautos vor. Weitere Mittel sollten in die Wasserstoffwirtschaft und den Ausbau von Schienenwegen fließen. Ebenso wollte man die Forschung zu klimaneutralem Fliegen und klimafreundlicher Schifffahrt unterstützen. Konkret stand auch der Wiederaufbau der Solarindustrie in Ostdeutschland auf dem Plan.
Meinung zu Gast In der Rubrik "Meinung zu Gast" analysieren und kommentieren Medienschaffende aus Mitteldeutschland Transformations- und Veränderungsthemen: faktenbasiert, pointiert und regional verortet. Die Beiträge erscheinen freitags auf mdr.de und in der MDR AKTUELL App. Hören können Sie "Meinung zu Gast" dann jeweils am Sonntag im Nachrichtenradio MDR AKTUELL.
Bestand des Strompreispakets ist fraglich
Und nun? Wenn das jemand wüsste. Es herrscht große Ratlosigkeit. Denkbar ist vieles – unter anderem auch, dass die Bundesregierung die Strom- und Gaspreisbremsen nun vorzeitig streicht. Sollten die Energiepreise im Winter erneut anziehen, könnten sie nicht mehr staatlich gebremst werden. "Dann werden wir höhere Gas- und Strompreise und Fernwärmepreise haben", warnt Robert Habeck.
Gerade der Bundeswirtschaftsminister war es, der Industriekonzernen, die viel Strom und Gas verbrauchen, eine besondere Unterstützung angedeihen lassen wollte. Das Vorhaben dürfte so nicht mehr umsetzbar sein. Bei Wiegand Glas in Schleusingen, wo allein an diesem Standort pro Tag rund 3,5 Millionen Glasbehälter gefertigt werden, erhoffte man sich schon nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs probate Mittel von der Regierung, um die steigenden Energiepreise auszugleichen. Monatelang stritten die Ampel-Parteien über einen staatlich subventionierten Strompreis für energieintensive Unternehmen.
Als Ergebnis steht nun ein sogenanntes Strompreispaket, das der gesamten Wirtschaft vor allem mit Steuersenkungen helfen soll. Welchen Bestand das nach dem Urteil von Deutschlands oberstem Gericht in der abgelaufenen Woche hat – fraglich. Mal davon abgesehen, dass Nikolaus Wiegand die jetzige Lösung ohnehin skeptisch sieht. Der geschäftsführende Gesellschafter von Wiegand Glas hält sie in einem Interview im "Bericht aus Berlin" nicht für die lang ersehnte Unterstützung und erst recht nicht für einen "großen Wurf".
In der richterlichen Niederlage liegt die Chance
Bundesfinanzminister und FDP-Parteichef Christian Lindner bringt auf den Punkt, um was es nun exakt geht: "Wir werden jetzt gezwungen, mit weniger öffentlichen Subventionen die Wirtschaft zu modernisieren." Im Klartext heißt das, er muss nun alles durchleuchten und auf den Kopf stellen, um Posten zu finden, die weniger Geld erhalten – oder auch gar keins.
Das muss nichts Schlechtes sein, und in der richterlichen Niederlage liegt sogar eine Chance. Förderungen müssen priorisiert werden. Man überlegt noch einmal genau, was sinnvoll erscheint, vor allem aber, was nicht. Genau das bedeutet Politik. Politik kann und darf nicht alle Wünsche erfüllen.
Mittelständler gehen oft leer aus
Es erschloss sich von Anfang an vielen Bürgern, aber auch mittelständischen Unternehmen nicht, Milliardensubventionen in die Ansiedlung von Chipfabriken in Dresden und Magdeburg zu stecken. Erstens zählen die geplanten Standorte nicht zu strukturschwachen Gegenden.
Zweitens: Fällt die Förderung für Großunternehmen durch den Staat weg, hilft es mittelständischen Unternehmen. Der Wettbewerb wäre für alle Firmengrößen gegeben. Eine etwaige Verzerrung wäre aufgehoben. Und zwar auf allen Ebenen: bei der Ansiedlung von Konzernen genauso wie beim Suchen und Finden von Arbeitskräften. Denn Arbeitskräfte tendieren zu Großunternehmen. Mittelständler, die es aber oft in deutlich größerer Zahl in Ostdeutschland gibt, haben das Nachsehen und gehen bei der Besetzung von offenen Stellen leer aus.
Wenn die Wirtschaft perspektivisch die Transformation mehr selbst neu gestaltet, muss das also per se nichts Schlechtes bedeuten. Unternehmen könnten mit ganz eigenen und vor allem unabhängigen Konzepten gestärkt hervorgehen. So hätte die Klatsche aus Karlsruhe gerade auch in Ostdeutschland doch etwas Positives.
Redaktioneller Hinweis Kommentare geben grundsätzlich die Meinung des Autors oder der Autorin wieder und nicht die der Redaktion.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 26. November 2023 | 09:35 Uhr
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