Haushaltsentwurf 300 Millionen Euro für den ländlichen Raum sollen gestrichen werden

05. August 2023, 05:00 Uhr

Der Bund will laut Haushaltsentwurf die Fördergelder für den ländlichen Raum und den Küstenschutz ab 2024 deutlich kürzen. Geld, mit dem etwa Dörfer und kleine Gemeinden verschiedene Projekte finanzieren können: Kitas, barrierefreies Wohnen und andere Dinge. Die Pläne der Ampelregierung könnten nun auch einige Vorhaben in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen scheitern lassen.

Neben der Bushaltestelle hängt in großen Holzbuchstaben hinter der Scheibe das Wort "Gesundheitskiosk". In dem kleinen Büro in der thüringischen Gemeinde Blankenburg im Unstrut-Hainich-Kreis berät Carolin Anders Einwohner. In einer ländlichen Region, in der der nächste Arzt oder das nächste Krankenhaus nicht gleich um die Ecke sind, ein wichtiges Angebot – gerade für ältere oder gehandicapte Menschen.  

"Das ist die Anlaufstelle um alles zu besprechen, ob es Gesundheitsfürsorge ist, Daseinsvorsorge, ob es Vorsorgevollmacht ist", sagt Krankenschwester Anders. Bisher gibt es in der Region vier dieser Gesundheitskioske, deren Bau unter anderem mit Geldern aus der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) finanziert wurde. Es ist das wichtigste nationale Förderinstrument für den ländlichen Raum, mit dem der Bund den Ländern finanziell unter die Arme greift.

Warum der Bund die GAK-Gelder kürzen will

Für das Jahr 2023 sind es rund 1,1 Milliarden Euro. Gefördert werden unter anderem eine nachhaltige Landwirtschaft, der Schutz der Küstenregionen und der ländliche Raum. Damit können beispielsweise Dorfkerne oder Kitas saniert, medizinische Basiszentren errichtet oder erhalten werden. Das Ganze wird Co-finanziert durch die Länder, so dass sich die für 2023 verfügbaren Mittel auf insgesamt rund 1,9 Milliarden Euro summieren.

Der Bund will allerdings seine Mittel für die GAK nächstes Jahr kürzen, um rund 300 Millionen Euro. So sieht es der Haushaltsentwurf 2024 vor. "Vor ein paar Jahren konnte sich Deutschland noch Geld leihen zu negativen Zinsen, also Geld dazu bekommen. Das ist inzwischen ganz anders durch die viel höheren Zinsen der EZB", erklärt der Präsident des Leibniz-Institutes für Wirtschaftsforschung Halle, Reint Gropp. Außerdem gebe es inzwischen zusätzliche Ausgaben etwa durch die deutliche Aufstockung des Verteidigungshaushalts. "Und das Geld muss irgendwo herkommen und wir können jeden Euro nur einmal ausgeben."

Was das für den ländlichen Raum bedeuten könnte

Die geplanten Kürzungen werden den ländlichen Raum hart treffen, befürchtet Frank Baumgarten. Er ist Vorsitzender der Stiftung Landleben. Die Stiftung, gegründet von vier Gemeinden im Unstrut-Hainich-Kreis, hat die Gesundheitskioske gebaut. Dafür bekam sie eine Förderung von 367.000 Euro. Doch das ist nicht das einzige, was hier unter anderem mit dem Geld aus der GAK geschaffen wurde.

"Wir haben hier im Jahre 2012 begonnen altersgerechtes Wohnen im ländlichen Raum umzusetzen", sagt Baumgarten. Dafür seien zehn kleine Häuschen mit barrierefreiem Zugang errichtet worden – und die Nachfrage sei hoch. Denn es ist eine Alternative für alte Menschen, die nicht mehr in ihren Häusern leben können, aber auch nicht ihren Heimatort verlassen wollen, um in der nächst größeren Stadt in einem Altersheim ihren Lebensabend zu verbringen. Gleichzeitig soll für junge Menschen ein Angebot geschaffen werden.

"Genau das ist das Ziel, dass wir sagen, die alten Häuser sollen möglichst jungen Familien dienen, die hierher ziehen wollen, weil wir eine gute Struktur hier haben, mit Schule, mit Arztpraxis", so Baumgarten. Für dieses Projekt gab es insgesamt 275.000 Euro Förderung. Mit den Bungalows, den Gesundheitskiosken und etlichen anderen Projekten will die Stiftung Landleben die Gemeinden attraktiv halten – für alt wie jung.

Das muss also in eine bestimmte Strategie hineinpassen und es muss nachhaltig sein.

Reint Gropp Wirtschaftswissenschaftler

Da macht Förderung nach Ansicht des Wirtschaftswissenschaftlers durchaus Sinn: "Das muss also in eine bestimmte Strategie hineinpassen und es muss nachhaltig sein", sagt Gropp vom Leibniz-Institut. Außerdem müsse es zu den Erwartungen der Bevölkerungsentwicklung passen. "Also was erwarten wir, wie viele Leute hier noch wohnen werden in zehn Jahren, das ist gerade in Ostdeutschland ja ein Riesenthema." Wenn das passe, dann könnten solchen Investitionen in die Infrastruktur sinnvoll sein.

Städte und Gemeindebund Thüringen will gegen Pläne protestieren

300 Millionen sparen und trotzdem den ländlichen Raum ausreichend fördern – eine schwierige Aufgabe. Franziska Kersten ist Bundestagsabgeordnete der SPD und dort unter anderem zuständig für die GAK. Sie glaubt nicht, dass die geplanten Kürzungen dramatische Folgen haben werden: "Denn es ist so, dass nicht alle Mittel abgeflossen sind. Es gibt also etliche Länder, die es nicht geschafft haben, aus personellen Kapazitäten und auch vielleicht das überhaupt zu bewältigen. Insofern wollen wir es einmal einfacher machen. Also Bürokratieabbau." Aus ihrer Sicht werde so dennoch ausreichend Geld in den ländlichen Raum fließen.

Das hofft auch der Bürgermeister von Waltershausen in Thüringen, Michael Brychcy (CDU). Derzeit wird im Ortsteil Schwarzhausen ein altes Schloss für 3,2 Millionen saniert und soll einmal eine Kita beherbergen. Das Gebäude stand jahrelang leer, zwischenzeitlich war hier eine Grundschule untergebracht. Um die Sanierung stemmen zu können, zapfte Waltershausen mehrere Fördertöpfe an, darunter auch die GAK.

"Also solche Programme wie die GAK sind dringend notwendig", sagt Brychcy. "Ich würde sogar sagen, mir wäre es sogar recht, wenn die noch ein Stückchen aufgestockt werden würden." Denn allein schon Waltershausen hätte noch einige solcher Gebäude, an und mit denen sie gern etwas machen würden.

Michael Brychcy, der Präsident des Gemeinde- und Städtebundes Thüringen ist glaubt nicht, dass die Kürzungen so kommen werden, wie sie momentan im Haushaltsentwurf stehen. Denn der muss erst einmal noch durch die Parlamente: "Ich bin da noch optimistisch, dass das zwar getan werden soll, aber noch haben wir eine Stimme und die werden wir so laut erheben, dass der Finanzminister wahrscheinlich ein Einsehen haben muss."

Quelle: mpö

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR exakt | 02. August 2023 | 20:15 Uhr

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