
MDRfragt Viel Zuspruch für "Haustier-Führerschein"
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19. März 2025, 08:00 Uhr
Fälle von Tieren, die unter fragwürdigen Bedingungen gehalten oder misshandelt werden, haben in den vergangenen Monaten die Diskussion um Verschärfungen im Tierschutzrecht entfacht. Ginge es nach der MDRfragt-Community, wären strengere Strafen bei Verstößen gegen das Tierwohl nötig. Im aktuellen Stimmungsbarometer fordern zudem die meisten der rund 20.000 Befragten, dass Menschen erst einmal einen Kompetenz-Kurs für die Haltung von Haustieren ablegen müssen, bevor sie diese nach Hause holen.
- Mehr als die Hälfte der Befragten kann sich einen "Haustier-Führerschein" für bestimmte Tierarten, wie Exoten, vorstellen.
- Der Online-Handel mit Tieren soll stärker begrenzt oder gar gänzlich verboten werden, findet die MDRfragt-Community.
- Bessere Finanzierung für Tierheime wünschen sich viele – nicht alle setzen dabei auf Gelder aus der öffentlichen Hand.
Dass es im Tierschutzrecht strengere Regeln braucht, war für die alte Bundesregierung der Ampel-Koalition bereits klar: Im vergangenen Frühling hatte man sich auf verschärfte Vorgaben geeinigt. Die Verschärfungen gingen jedoch nicht mehr durch den alten Bundestag und liegen jetzt erstmal auf Eis. Dabei sehen viele MDRfragt-Mitglieder Handlungsbedarf: Strengere Strafen bei Verstößen gegen den Tierschutz würden 90 Prozent der Befragten im aktuellen Stimmungsbild befürworten.
Kompetenz-Kurse vor der Haustierhaltung gefordert
Aber wie könnte man Menschen von Anfang an für eine bessere Haltung sensibilisieren, damit es möglichst gar nicht erst zum Leiden der Tiere kommt? Eine Idee, die Tierschützer und Experten fordern: Wer sich ein Haustier zulegen möchte, sollte vorher nachweisen, dass er sich mit den grundlegenden Haltungsbedürfnissen auskennt – eine Art Führerschein oder Kompetenztest für die Haustierhaltung also. Den gibt es bereits für einige, als gefährlich eingestufte Hunderassen, für andere Tierarten jedoch nicht. Die Idee eines Sachkundenachweises für Haustierhalter stößt bei den Befragten des MDR-eigenen Meinungsbarometers auf große Zustimmung: 9 von 10 Befragten würden ihn befürworten.
Hinweis
An dem aktuellen Stimmungsbild von MDRfragt haben sich Anfang März rund 20.000 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen beteiligt. Das Meinungsbarometer ist nicht repräsentativ, aber aussagekräftig für die Stimmungen im MDR-Sendegebiet. Zudem erlauben die Begründungen und Kommentare der Befragten, die Stimmungstendenzen einzuordnen.
Alles zur Methodik, den Mitmachmöglichkeiten und den Ergebnissen gibt es am Ende dieses Artikels.
Dabei gibt es den größten Zuspruch dafür, den Sachkundenachweis nur für bestimmte Tierarten, beispielsweise spezielle Hunderassen oder Reptilien, verpflichtend zu machen: Mehr als die Hälfte der Befragten ist dafür. Ein weiteres Drittel der Befragten fände es richtig, diesen Nachweis für alle Haustiere zu verlangen.
Sachkundenachweis wirft Fragen nach Umsetzung und Kosten auf
Rund jede und jeder Zehnte spricht sich gegen Kompetenz-Tests für Haustierhalter aus. Ein Grund dafür, der in den Kommentaren immer wieder zu lesen ist: Wie soll so ein Nachweis praktisch umgesetzt und kontrolliert werden? Hundebesitzer Jörg aus dem Weimarer Land schreibt in seinem Kommentar beispielsweise: "Mit dem Sachkundenachweis ist es doch wie mit dem Kfz-Führerschein: Viele haben ihn, halten sich jedoch trotzdem nicht an die StVO. Also bringt das gar nichts." Andere MDRfragt-Mitglieder befürchten dagegen, dass der Nachweis mit hohen Kosten verbunden sein könnte, so wie Eva (63) aus Leipzig: "Hundesteuer und teure Tierarztbesuche reichen. Man sollte den Leuten auch etwas Freiheit gönnen."
Mit dem Sachkundenachweis ist es doch wie mit dem Kfz-Führerschein: Viele haben ihn, halten sich jedoch trotzdem nicht an die StVO.
Und die 56-jährige Ulrike, die ohne Haustier in Halle lebt, bringt noch einen anderen Aspekt in die Diskussion ein: "Wer soll das in Privatwohnungen oder Einfamilienhäusern kontrollieren? Wo fängt Privatsphäre an und wo hört sie auf?"
Haustier-Führerschein vor allem für Exoten gefordert
Wenn ein "Haustier-Führerschein" eingeführt würde, dann würden sich das die MDRfragt-Mitglieder am ehesten für bestimmte Tierarten wünschen. Katzenbesitzer Bodo aus Magdeburg schreibt dazu beispielsweise mit Blick auf Reptilien: "Wer Exoten hält, sollte schon wissen, wie man damit umgehen sollte." Aus den Kommentaren wird jedoch auch deutlich: Viele MDRfragt-Mitglieder wünschen sich, dass bestimmte Tiere überhaupt nicht zu Hause gehalten werden. "Wildtiere gehören in die Natur und nicht ins Haus", bringt es Stefan (27) aus Halle auf den Punkt.
Wer Exoten hält, sollte schon wissen, wie man damit umgehen sollte.
Manuela ist 39 Jahre alt und begründet ihre Ablehnung gegen Wildtiere und Exoten als Haustiere so: "Nachweis hin oder her, allein die Tatsache, diese Tiere zu Hause zu halten, widerspricht jeglicher Sachkunde." Sie gehört zu dem Drittel der Befragten, die sich für Kompetenz-Tests für die gängigen Haustierarten ausspricht: "Ich denke, es sollte auf jeden Fall auch eine Form von Regulierung geben, ob man 'klassische' Haustiere wie Hunde, Katzen oder Kleintiere halten kann." Sie selbst habe einen Hund, den sie aus dem Tierschutz in Rumänien geholt habe. Bevor er mit zu ihr nach Leipzig durfte, habe sie bereits eine Art Sachkundenachweis erbringen müssen: "Die Auflagen waren streng, auch nervig. Trotzdem war es genau richtig. Es ist eine große Verantwortung, sich um ein Lebewesen zu kümmern, für viele Jahre." Sie findet es deshalb eine gute Idee, zu prüfen, "ob das Tier bei der Person gut aufgehoben wäre".
Artgerechte Umgebung für viele wichtiges Kriterium
Ähnlich sieht das Robert. Der 33-jährige lebt in Dresden, ist ebenfalls Hundebesitzer und schreibt: "Ich würde es begrüßen, wenn Tierhalter einen Nachweis erbringen müssen, dass sie ein Tier beziehungsweise die artgerechte Umgebung gewährleisten können. Zum Beispiel, dass ein Hundehalter über einen Garten verfügt." Genug Auslauf ist auch für Klemens aus dem Erzgebirgskreis ein wichtiges Kriterium. Er selbst hat nach eigenen Angaben Erdkröten im Garten, hat aber in seinem Kommentar eine andere Haustierart im Blick: "Selbst eine Katze hat in natürlicher Umgebung ein Jagdrevier, das weit über den Garten hinaus geht – eher in Quadratkilometern zu bemessen als in Quadratmetern einer Wohnung. Das ist nicht tiergerecht."
Regelungen gesucht, um "Animal Hoarding" zu verhindern
In den vergangenen Wochen wurden Fälle bekannt, in denen Menschen Haustiere in großer Zahl und unter schlechten Bedingungen gehalten haben – "Animal Hoarding" ist der Begriff für dieses Phänomen.
Einige MDRfragt-Mitglieder hoffen, dass verpflichtende Nachweise, verbunden mit der entsprechenden Kontrolle, dagegen helfen könnten: "Ich fände es gut, wenn es so eine Art Melderegister gibt. Um zu verhindern, dass Menschen Tiere horten", meint beispielsweise Erik (36) aus Dresden.
Die Begrenzung kann nur durch Kosten, also Steuern, geregelt werden.
Die 61-jährige Katzenbesitzerin Alexandra sieht hier die Ämter in der Pflicht: "Es sollte viel mehr Aufklärung, aber auch Kontrollen seitens Tierschutz, Veterinäramt oder ähnliches viel stärker geben (vor allem bei entsprechenden Hinweisen)." Und der tierlose Micha (73) aus Dresden würde finanziell eingreifen: "Vielen ist nicht klar, dass Tiere kein Spielzeug sind, sondern Lebewesen, die ein relativ langes Leben haben und nicht erwachsen werden. Die Begrenzung kann nur durch Kosten, also Steuern, geregelt werden."
Mehrheit für Verbot, Tiere online zu handeln
Ein Thema, das im geplanten Tierschutzgesetz stärker reguliert werden sollte, ist der Online-Handel mit Tieren. Der Verkauf auf Internet-Plattformen boomt. Bekanntes Beispiel ist der Handel mit Hundewelpen, die zu jung oder krank verkauft werden.
Die Mehrheit der Befragten ist dafür, den Online-Handel mit Tieren grundsätzlich zu verbieten. Für strengere Auflagen sprechen sich 4 von 10 aus.
Die 24-jährige Hundebesitzerin Jennifer aus dem Landkreis Greiz gehört zu denjenigen, die strengere Auflagen fordern. Sie könnte sich so etwas wie ein Gütesiegel für den Online-Handel mit Tieren vorstellen: "Es sollte nur sehr, sehr wenige Plattformen geben, die die Vertrauenswürdigkeit und das Verantwortungsbewusstsein der Händler beziehungsweise Züchter überprüfen. Auch die Käufer sollten stichprobenartig überprüft werden."
Das öffnet Qualzuchten Tür und Tor.
Ursula (77) aus dem Harz dagegen, die selbst Vögel zuhause hält, ist grundsätzlich gegen den Online-Handel mit Tieren: "Das öffnet Qualzuchten Tür und Tor und manche Käufer suchen sich dann etwas aus, sei es Hund oder Katze oder auch exotisch, das cool aussieht und nicht danach, ob es zu einem passt." In vielen Kommentaren werden fachkundige Züchter vor Ort als wichtige Anlaufstelle gesehen, um passende Tiere zum passenden Herrchen oder Frauchen zu vermitteln. Hundehalter Rolf (70) aus dem Landkreis Meißen würde das sogar verpflichtend machen: "Man müsste ein Gespräch mit dem Fachverkäufer oder Züchter nachweisen, und das glaubhaft. Mit dieser Maßnahme könnte man auch den Schwarzhandel bekämpfen, da für jeden Kauf der Züchter bekannt sein muss."
Mehr Geld der Kommunen für Tierheime gewünscht
Doch was, wenn Herrchen oder Frauchen nicht mehr für das Tier da sein können – weil sie überfordert sind, weil sich die Lebensumstände geändert haben oder sie schlichtweg versterben? Anfang des Jahres hatte der Tierschutzbund Alarm geschlagen: Zahlreiche Tierheime müssten möglicherweise schließen, weil sie die Doppelbelastung nicht mehr stemmen können. Trotz vielerorts gestiegenen Zahlen von Fundtieren werden die Tierheime nicht ausreichend finanziell von den Kommunen unterstützt. Denn: Die Finanzierung durch die Kommunen richtet sich häufig nicht nach der Zahl der Tiere, die aufgenommen werden, sondern danach, wie viele Einwohner die jeweilige Kommune hat.
Rund zwei Drittel der MDRfragt-Mitglieder, die sich an der aktuellen Befragung beteiligt haben, sprechen sich dafür aus, die Kommunen für die tatsächlichen Kosten für die Tiere in die Pflicht zu nehmen. Gegen eine solche Finanzierung spricht sich etwas weniger als ein Drittel aus.
Stefan (27) der ohne eigenes Haustier in Halle lebt, gehört zu den Befürwortern einer besseren finanziellen Ausstattung für Tierheime: "Die Unterbringung von Fundtieren ist eine staatliche Aufgabe und sollte von ihm wenigstens vollständig bezahlt werden. Ob die Aufgabe bei den Kommunen an der richtigen Stelle ist, ist eine andere Frage." Auch Kerstin (52) aus dem Salzlandkreis findet: "Ganz einfach: Pauschale Aufwandsentschädigung je Tier."
Wer sich gegen eine stärkere Finanzierung der Tierheime durch die Kommunen ausspricht, argumentiert häufig grundsätzlich damit, dass für die Tierhaltung eben auch diejenigen aufkommen sollen, die sich das Tier angeschafft haben – und nicht die öffentliche Hand. Ute aus dem Landkreis Saalfeld-Rudolstadt hat selbst keine Haustiere und fasst ihren Standpunkt so zusammen: "Wird das Tier privat zur Last, soll die Gesellschaft zahlen. Warum?" Und der 71-jährige Norbert aus Mittelsachsen hat Sorgen, dass eine bessere Finanzierung gar zum finanziellen Anreiz für Tierheime werden könnte: "Die Tierheime werden nur ermutigt, massenweise Tiere ranzuschaffen, wenn Kosten ohne Begrenzung übernommen werden."
Andere Finanzierungsideen: Versicherungspflicht oder Abgabe auf Tiernahrung
Eckart (64) aus dem Landkreis Bautzen hat eine Idee, wie eine bessere Finanzierung der Tierheime ohne die öffentliche Hand aussehen könnte: "Eine Tierhalter-Haftpflicht-Versicherung, in die jeder Tierhalter von Katzen, Hunden und "Hoftieren" wie Hühner und Kaninchen einzahlen muss, kann dafür aufkommen." Ähnlich sieht das Katzenbesitzerin Christiane (33) aus dem Landkreis Zwickau: "Tierhalter sollten eine 'Steuer' an Tierheime zahlen müssen. Damit würde sich das Thema Finanzierung schon erledigen. Wer ein Tier aus einem Tierheim aufnimmt, bekommt diese 'Steuer' für einen bestimmten Zeitraum erlassen." Und der tierlose Matthias (60) aus dem Landkreis Bautzen, hat noch eine andere Finanzierungsidee: "Es wird so viel über Sonderabgaben für bestimmte Lebensmittel diskutiert. Warum nicht über eine Abgabe auf Tiernahrung bzw. eine entsprechend höhere Umsatzsteuer auf entsprechende Produkte zur Finanzierung der Tierheime?"
Über diese Befragung
Die MDRfragt-Befragung mit dem Titel „Braucht's mehr Herz für Haustiere?“ lief vom 11. bis 14. März 2025. 19.548 Menschen haben sich dabei beteiligt, davon 9.934 aus Sachsen, 4.802 aus Sachsen-Anhalt und 4.812 aus Thüringen.
Bei MDRfragt können sich alle anmelden und beteiligen, die mindestens 16 Jahre alt sind und in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen wohnen, denn: Wir wollen die Vielfalt der Argumente kennenlernen und abbilden.
Die Kommentare der Befragten erlauben, die Gründe für die jeweiligen Positionen und das Meinungsspektrum sichtbar zu machen. Da sich jede und jeder beteiligen kann, der möchte, sind die Ergebnisse von MDRfragt nicht repräsentativ.
Die Ergebnisse von MDRfragt werden nach wissenschaftlichen Kriterien anhand verschiedener soziodemografischer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Bildungsgrad gewichtet, um sie an die tatsächliche Verteilung in der mitteldeutschen Bevölkerung anzupassen. Damit wird die Aussagekraft der Ergebnisse erhöht und es ergibt sich ein valides und einordnendes Stimmungsbild aus Mitteldeutschland. MDRfragt wird zudem wissenschaftlich beraten und begleitet, beispielsweise durch regelmäßige Validitätstests.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Fakt Ist! | 19. März 2025 | 20:15 Uhr