Kohleausstieg Was mit den Gebäuden der Kohleindustrie geschieht
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18. Dezember 2024, 06:37 Uhr
Deutschland will bis spätestens 2038 aus der Kohleverstromung aussteigen. In einem zweijährigen Projekt haben die Landesämter für Denkmalschutz bundesweit 8.000 Objekte der Kohleindustrie dokumentiert. Nun ist die Dokumentation abgeschlossen. Was bleibt in den Revieren von ihrer Industriegeschichte übrig?
- Zahlreiche Gebäude der Kohleindustrie stehen unter Denkmalschutz.
- Das Sächsische Landesamt hat 3.200 Hinterlassenschaften der Kohleindustrie erfasst.
- Doch nicht jedes Gebäude steht unter Denkmalschutz.
- Bundesweit haben die Landesämter für Denkmalschutz 8.000 Objekte der Kohleindustrie dokumentiert.
Tony Saar hat sein Herz an die Kohle verloren. Genauer gesagt: an ein Kohledenkmal. Ehrenamtlich führt er durch die Brikettfabrik Herrmannschacht in Zeitz. "Hier drinnen ist es jetzt deutlich kälter als draußen. Ja. Es ist hier total feucht", sagt Saar. Hinter den dicken Backsteinmauern wurden seit 1889 Briketts gepresst. Dafür kaufte die Fabrik Kohle aus der Umgebung auf, mahlte und trocknete sie. Die Kohle sei dann mit einem Wassergehalt von gut 50 Prozent aus dem Bergbau angekommen und anschließend auf circa 17 Prozent runtergetrocknet worden, erklärt Saar: "Der Tellertrockner, der hier vor mir ist, hat 19 Etagen, knapp 360 Quadratmeter Heizfläche. Und wenn ich sage Heißdampf: 180 Grad sind hier durchgeleitet worden und haben die Kohle getrocknet."
Brikettfabrik steht unter Denkmalschutz
Die Arbeit damals: eine Schinderei. In der Fabrik war es heiß, die Luftfeuchtigkeit hoch, nur ein paar Funzeln erhellten die Räume. Neben dem Tellertrockner ist noch eine Dampfmaschine erhalten, die Förderbänder antrieb. Die Brikettfabrik steht schon lange unter Denkmalschutz. Tony Saar findet das gut: "Bis zur Wende war die Kohle hier der Hauptarbeitgeber. Und da war das hier eine reiche Region. Das ist dann danach ein bisschen abgebrochen. Aber 300 Jahre Geschichte kann man nicht unter den Tisch kehren."
Landesamt dokumentiert Bauten der Kohleindustrie
Damit das auch andernorts nicht passiert, haben Denkmalschützer nun die gesamten Kohle-Hinterlassenschaften dokumentiert. Für das Sächsische Landesamt ist Nils Schinker mit Laptop und Kamera losgezogen. Insgesamt hat er mit den sächsischen Kollegen 3.200 Zeugnisse erfasst. Das Ziel sei eine Bestandsaufnahme gewesen, erklärt Schinker: "Was sind die Hinterlassenschaften? Und, dass man jetzt vielleicht anders als in den 1990er Jahren, als man vor allem in den ostdeutschen Bundesländern ziemlich rabiat vorgegangen ist, weil viele der Industriestätten einfach nicht mehr wirtschaftlich waren und dann abgerissen worden - dass man jetzt etwas sensibler vorgeht." Dafür brauche es eine Grundlage, die nun wissenschaftlich erarbeitet worden sei.
Nicht jedes Objekt unter Denkmalschutz
Zu den dokumentierten Orten gehören Kraftwerke, Lagerhallen, Kulturhäuser und sogar Abraumhalden. Nicht jedes erfasste Objekt wird unter Denkmalschutz gestellt. Viele der Orte dürften in den kommenden Jahrzehnten verschwinden. Manche sind schon jetzt kaum mehr auszumachen. Zum Beispiel die Lager der Zwangsarbeiter in der Kohle im Zweiten Weltkrieg. Von diesen seien nur noch wenige Spuren erhalten, sagt Schinker: "Das war uns hier auch wichtig, die Zeugnisse, die es noch gibt oder eben die Spuren, und wenn es nur kartographisch nachvollziehbar ist, das mit aufzunehmen."
Bundesweit mehr als 8.000 Zeugnisse
Bundesweit wurden mehr als 8.000 Kohle-Zeugnisse erfasst. Jeder kann sie sich im Portal für Kulturlandschaft kuladig.de ansehen. Die Brikettfabrik in Zeitz gehört zu den ältesten und besonders gut erhaltenen Objekten, was auch am Engagement der Ehrenamtlichen wie Tony Saar liegt: "Ich verbringe hier schon viel Zeit. Also das erste Mal, wo ich hier angefangen habe, da kamen von anderen Leuten immer dumme Sprüche: Du bist ja schon wieder hier. Du hast wohl ein nasses Zuhause? Da habe ich immer gesagt: Meine Frau freut sich, wenn ich nicht da bin, da hat sie ihre Ruhe."
Inzwischen arbeitet Saars Frau selbst mit als Ehrenamtliche in der Brikettfabrik. Deren Produkte liegen noch gut erhalten an diversen Stellen herum. Briketts mit einer deutlich sichtbaren Prägung des Herstellers. Einst gute Marken-Briketts.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 18. Dezember 2024 | 06:17 Uhr