Vermögensverteilung Erbschaftssteuer: Je reicher, desto geringer
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03. Januar 2025, 12:35 Uhr
Es fehlt Geld im deutschen Haushalt – daran wird auch die vorgezogene Bundestagswahl nichts ändern. Eine Möglichkeit, einige Löcher zu stopfen, könnte eine Reform der Erbschaftssteuer sein. Aber welche Rolle spielt sie im Wahlkampf? Und taugt die Erbschaftssteuer überhaupt zum Wahlkampfthema?
- Um die Erbschaftssteuer künftig gerechter zu gestalten, sprachen sich bereits im Oktober mehrere Parteien für eine Reform der Abgabe aus.
- Ein Experte vom Institut für Wirtschaftsforschung glaubt, dass das Thema für viele eine untergeordnete Rolle spielt.
- Die Politik ist bei dem Thema in zwei Lager aufgeteilt.
- Wichtig sei es, die Privilegisierung von Betriebsvermögen zu beenden, sagt eine Ungleichheitsforscherin.
Noch vor Ankündigung der vorgezogenen Bundestagswahl im Februar sprachen sich im Oktober gleich mehrere Parteien für eine Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer aus. Denn die Hälfte der Vermögen in Deutschland werde nicht erarbeitet, sondern vererbt, erklärt die Wissenschaftlerin Martyna Linartas, die zum Thema Ungleichheit forscht. "Deutschland ist derzeit eine Erbengesellschaft, in der es mehr auf die Erbschaften ankommt, mehr darauf, in welche Familie man geboren wird, als auf die eigene Leistung." Erbschaften seien extrem ungleich verteilt, meint die Forscherin: "Die oberen zehn Prozent kriegen mehr als die Hälfte aller Erbschaften. Die unteren 70 Prozent kriegen überhaupt keine nennenswerten Erbschaften und Schenkungen."
Ifo-Experte: Thema spielt für viele untergeordnete Rolle
Denn die Steuerlast wird zwar in Schritten sukzessive erhöht – bei mehr als 26 Millionen Euro greift dann aber der Spitzensteuersatz von 30 Prozent. Durch Ausnahmeregelungen ist es ab 26 Millionen aber auch möglich, gar keine Erbschaftssteuer zahlen zu müssen. Wenn nämlich das Privatvermögen der Erben nicht hoch genug ist.
Eigentlich hätte das Thema gesellschaftliche Sprengkraft, trotzdem spiele es für viele eine untergeordnete Rolle, weiß Florian Neumeier vom Institut für Wirtschaftsforschung (ifo): "Ich glaube das Thema Erbschaftssteuer ist einfach zu abstrakt, denn sie trifft einen in der Regel nur einmal, nämlich dann, wenn man erbt. Und die Betroffenheit ist grundsätzlich sehr gering, wenn es nur einmal passiert."
Neumeier zufolge müsste man sich eher auf die potenziellen Einnahmen fokussieren, um das Thema für den Wahlkampf spannend zu machen, "also was kann mit dem Geld gemacht werden". Nach seinen Worten könnte eine fairere Erbschaftssteuer zu einer Verdopplung des Aufkommens führen, also von heute rund zehn Milliarden, dann Richtung 20 Milliarden.
SPD will gerechtere Erbschafts- und Schenkungssteuer
Deshalb wolle beispielsweise die SPD eine gerechtere Gestaltung der Erbschafts- und Schenkungssteuer, erklärt Ungleichheitsforscherin Martyna Linartas. "Ich glaube, man kann das generell nach zwei Lagern aufteilen. Die, die die Erbschaftssteuer gerne weiter schwächen würden, und andere, die sie gerne stärken würden, zu denjenigen, die sie gerne schwächen würden im Sinne dessen, das dann durch die Erbschaftssteuer geringere Einnahmen erzielt würden." Das sei unter anderem die Idee von CDU, FDP oder AfD.
"Auf Seiten der SPD sehen wir, dass man sagt, die Erbschaftssteuer sollte definitiv gestärkt werden. Auch die Grünen haben in einem jüngsten Papier gesagt, dass sie generell die Erbschaftssteuer stärken möchten", erklärt die Ungleichheitsforscherin. Dafür wollten sie beispielsweise die Schlupflöcher im Erbschaftsrecht schließen. So sollten für reiche Erben keine Ausnahmeregelungen mehr gelten.
Ungleichheitsforscherin befürwortet Ende von Betriebsvermögen-Privilegien
Um die Erbschaftssteuer gerechter zu machen, bräuchte es aus Sicht von Martyna Linartas aber deutlichere Maßnahmen. Der Forscherin zufolge wäre es wichtig, Betriebsvermögen nicht länger zu privilegieren: "Betriebsvermögen, das sind die Firmenanteile und alles das, was dann eben auch von denjenigen, die Millionäre, Multimillionäre und Milliardäre sind gehalten werden.
Das haben bisher aber starke Interessensgruppen und konservative Parteien verhindert. Die Experten gehen davon aus, dass das Thema deshalb auch im aktuellen Wahlkampf keine größere Rolle spielen wird, weil die Dimension der Ungerechtigkeit vielen noch nicht bewusst ist.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 03. Januar 2025 | 06:21 Uhr