Mobilität Wie sicher ist die Mitnahme von Kindern auf dem Longtail-Lastenrad?
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29. September 2024, 14:37 Uhr
Schon lange gibt es Kindersitze, die auf dem Gepäckträger montiert werden. Vor einigen Jahren kam das Lastenrad hinzu – in einer Box meist vor dem Fahrer oder der Fahrerin sitzen die Kinder angegurtet. Relativ neu ist das sogenannte Longtail. Das ist ein Lastenrad, auf dem bis zu zwei Kinder auf einer Bank über dem Hinterrad sitzen können. Doch Hersteller weisen kaum auf die mitunter notwendigen Kindersitze hin.
Die Kinder in die Kita bringen, dann zur Arbeit fahren, nach dem Feierabend wieder abholen und dann noch einkaufen. Dafür brauchen Familien vor allem in Städten nicht mehr unbedingt ein eigenes Auto. Lastenräder, zumeist mit elektrischem Motor und einer Box vor dem Lenker sind seit einigen Jahren unterwegs. Doch mittlerweile sieht man auch einen neuen Typ, genannt Longtail oder Backpacker.
StVO schreibt Kindersitze für unter Siebenjährige vor
Die Leiterin der Unfallforschung der Versicherer (UDV) im GDV, Kirstin Zeidler, sieht in den Longtails einige Vorteile. Diese Lastenräder nutzten zumeist kleinere Räder, die Sitzbank liege damit nicht so hoch im Vergleich zu einem gewöhnlichen Fahrrad, auf dem ein Kindersitz montiert sei. "Der Schwerpunkt der Longtails liegt damit tiefer. Sie sind dadurch stabiler und das Gleichgewicht lässt sich besser halten."
Zeidler bemängelt jedoch, dass Hersteller teilweise auf Fotos oder in Videos den Kunden irreführende Informationen vermittelten und verweist auf die Straßenverkehrsordnung. Im Paragraph 21 ist die Personenbeförderung geregelt.
Paragraph 21 Kinder bis zum vollendeten siebten Lebensjahr dürfen auf Fahrrädern von mindestens 16 Jahre alten Personen mitgenommen werden, wenn für die Kinder besondere Sitze vorhanden sind und durch Radverkleidungen oder gleich wirksame Vorrichtungen dafür gesorgt ist, dass die Füße der Kinder nicht in die Speichen geraten können. StVO
Fehlende Hinweise zur Verwendung von Kindersitzen
"Den Verbrauchern muss der richtige Umgang gezeigt werden, also keine Produktfotos oder -videos, auf denen Kinder ohne Kindersitz transportiert werden, die augenscheinlich jünger als sieben Jahre alt sind", erklärt Zeidler. Da seien die Hersteller oder auch Händler angehalten.
Andererseits sieht Zeidler den Gesetzgeber in der Pflicht, die Regelungslücke für Lastenräder in der StVO zu schließen. "Es ist geregelt, wie Kinder auf Fahrräder und in Anhängern mitgenommen werden können, für Lastenfahrräder gibt es keine expliziten Angaben". Die Herausforderung bestehe darin, Vorgaben für die verschiedenen Typen von Lastenfahrrädern zu finden, die auch einige Jahre Bestand haben sollen.
Longtails bieten durch Reling seitlichen Schutz
Der ADFC wertet die Longtails – wie andere Kindertransportmöglichkeiten mit dem Fahrrad – als "relativ sicher, ein erhöhtes Unfallrisiko ist nicht bekannt. Schwere Verletzungen sind beim Kindertransport im Unterschied zur Beförderung im Auto selten, tödliche Unfälle erst recht", erklärt ADFC-Rechtsexperte Roland Huhn. Zudem seien die Longtails auf den Transport von Kindern ausgelegt, insbesondere mit der Reling, die auch als seitlichen Schutz dient.
Wegen des zuverlässigen Zweibeinständers sei dieser Typ des Lastenfahrrads im Gegensatz zum normalen Fahrrad mit montiertem Kindersitz stabiler. "Außerdem haben die Kinder mehr Platz als auf einem Kindersitz, wo es schnell eng werden kann, etwa wenn die Eltern einen Rucksack tragen", meint Huhn.
Es gibt nicht das eine Kindertransportsystem für alle
Der ADAC, der auch Unfalltests zur Sicherheit von Fahrrädern, Kindersitzen und Helmen durchführt, hat 2021 verschiedene Lastenradtypen geprüft. Dabei ging es um Handhabung, Sicherheit, Fahrverhalten und Komfort. Gerade beim Fahrverhalten und Sicherheit schnitt das Longtail gut ab und mit zusätzlichem Kindersitz seien die jüngeren Kinder gut geschützt. Projektleiter der Fahrradtests beim ADAC, Stefan Grabmeier, erklärt, die Kinder könnten sich zusätzlich an dem Geländer festhalten.
Die Cargobikes mit Transportbox schnitten beim Unfalltest nicht so gut ab, da sie etwa in Kurven oder bei einem Unfall auf die Seite kippen können. Die Box schützt zwar zunächst, kann sich jedoch vom Rahmen lösen und über die Straße schlittern. Zudem riss im Test die klappbare Sitzbank. Bei Unfällen mit Fahrradanhängern sind dem Test zufolge die Kinder gut geschützt. Ein Nachteil ist demnach aber, dass andere Verkehrsteilnehmer den Anhänger übersehen könnten.
Für welche Form des Transports man sich entscheide, müsse jeder für sich selbst herausfinden, betont Grabmeier: "Es gibt nicht die eine Transportform, die für alle empfohlen werden kann." Jeder Nutzer müsse selbst abwägen, welcher Typ am besten passe. "Für Menschen in der Stadt eignet sich womöglich ein zweirädriges Lastenrad, weil sie wendiger sind als die dreirädrigen. Wo es breite Wege gibt, kann auch ein Fahrradanhänger die beste Option sein." Letztlich sei die Entscheidung des Typs auch eine finanzielle Frage. "Ein Kindersitz auf dem Hinterrad oder ein Anhänger sind natürlich günstiger in der Anschaffung als ein Lastenfahrrad."
In jedem Fall empfiehlt Grabmeier, das Fahren mit dem Lastenrad zunächst ohne Kind zu üben. Das Fahrverhalten unterscheide sich mit dem zusätzlichen Gewicht und der größeren Maße deutlich. Zudem empfiehlt der ADAC-Experte, unabhängig vom Alter einen Helm zu tragen, da so schwere Kopfverletzungen vermieden werden können.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 29. September 2024 | 11:00 Uhr