Show-Kampf aus dem Studio "Knockout 51": Neonazis nutzten offenbar Eisenacher Fitnessstudio
Hauptinhalt
10. Dezember 2023, 05:00 Uhr
Mitglieder der Neonazi-Kampfsportgruppe "Knockout 51" trainierten offenbar auch in einem Eisenacher Fitnessstudio. Nach MDR Investigativ-Recherchen gehört auch ein Trainer des Studios zum Vertrauenskreis der Rechtsextremen.
Die Instagram-Story ist nur 15 Sekunden lang. Das Video zeigt den derzeit vor dem Oberlandesgericht Thüringen angeklagten mutmaßlichen Rädelsführer von "Knockout 51", Leon R. untermalt von Hardcore-Musik im Kampf gegen "Knockout 51"-Mitglied Benjamin S., gegen den ein gesondertes Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit den Neonazi-Kampfsportlern läuft.
Beide Männer sollen die Trainings der Rechtsextremen unter anderem im "Flieder Volkshaus" geleitet haben. Regelmäßig posteten die Mitglieder von "Knockout 51" Videos solcher Trainings. Dieses Instagram-Video wurde allerdings nicht in der bekannten rechtsextremen Immobilie gedreht, sondern offenbar im Eisenacher Fitnessstudio "MC Shape".
Fitnesstrainer gehörte zum Freundeskreis der Neonazis
Nach Recherchen von MDR Investigativ soll auch der "MC Shape"-Trainer Paul B. zum engen Umfeld von "Knockout 51" gehören. In einem Instagram-Post des Fitnessstudios "MC Shape" vom August 2020 wird B. als neuer Trainer vorgestellt, der für die nächsten dreieinhalb Jahre ein duales berufsbegleitendes Studium der Fitnessökonomie absolviere.
"Bei uns wird Paul für euch vorrangig als Trainer zur Verfügung stehen und auch einige Kurse leiten", heißt es dort. Laut Anklage der Bundesanwaltschaft soll Paul B.s Cousin Lauro B. Mitglied der Neonazi-Kampfsportgruppe gewesen sein.
Fitnesstrainer Paul B. war selbst am 6. Verhandlungstag im Oktober als Zeuge im Prozess gegen die Gruppe geladen. In der Prozessdokumentation der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (Mobit) und der Thüringer Opferberatung ezra heißt es über Paul B.s Befragung, der Zeuge habe die Aussage verweigert, um sich nicht möglicherweise selbst zu belasten, nachdem der Richter ihn darauf hingewiesen hatte, dass ihm ein Zeugnisverweigerungsrecht zustünde, weil sich den Prozessakten ein Foto von ihm im "Knockout 51"-Pullover befände und er in einer polizeilichen Vernehmung 2022 ausgesagt habe, dass er mit den Angeklagten Bastian Ad. und Maximilian A. gut befreundet sei und ebenfalls angegeben habe an einer weiteren körperlichen Auseinandersetzung auf der Kirmes in Schönau, zu der er befragt werden sollte, beteiligt gewesen zu sein.
Thüringer Neonazi-Kämpfer beim "Hell's-Angels" Event
Wie eng Paul B.s Verbindungen mutmaßlich waren und sind, zeigt seine Beteiligung rund um die Kampfsportaktivitäten der Gruppe. So soll Paul B. nach Recherchen von MDR Investigativ im September mit weiteren Thüringer Neonazis, darunter auch mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer von "Knockout 51" zum so genannten Airfield Rumble gereist sein, einem von dem lokalen Hell's Angels-Chapter organisierten Kampfsportevent. Ein Instagram-Foto zeigt den Eisenacher Fitnesstrainer beim Binden der Handbandagen des Neonazis Jerome B., der dort neben weiteren Rechtsextremen für den Wuppertaler Rocker-Club "Ghost Gang MC" antrat.
Zur Thüringer Reisegruppe gehörte auch Benjamin S., jener Neonazi-Kampfsportler aus dem Video im "MC Shape". Er trat dort für den Rockerclub, der nach Angaben des LKA Nordrhein-Westfalen Verbindungen mit der rechtsextremen Szene hat, als Kämpfer an.
Nach Informationen von MDR Investigativ tauchen Mitglieder des Rockerclubs immer wieder mit Kadern der in Deutschland verbotenen Neonazi-Netzwerke "Combat 18" und "Blood & Honour" aus dem Ruhrgebiet auf. Mehrere mutmaßliche "Knockout"-Mitglieder und Unterstützer, darunter Nils A. und Benjamin S., sollen mittlerweile in die Aktivitäten des Wuppertaler Rocker-Clubs eingebunden sein.
Eisenacher Fitnessstudio lässt Fragen zu Trainer unbeantwortet
Weiß das Studio von seinen rechtsextremen Aktivitäten und gab es weitere Trainings von "Knockout 51" – Mitgliedern im "MC Shape"? Auf Anfrage von MDR Investigativ antwortete der Eisenacher Geschäftsführer des Franchise-Unternehmens, grundsätzlich verurteile man Extremismus jedweder Art aufs Schärfste. "Wir werden aber derartige Anfragen, die gegen geltendes Recht, die Privatsphäre und den Datenschutz verstoßen nicht beantworten. Ich denke aber, dass Sie aufgrund Ihrer Fragestellung, mein Fitnessstudio mit einem Boxclub verwechseln." Man habe im Studio mehrere tausend Mitglieder aus unterschiedlichsten Herkunftsländern und Öffnungszeiten rund um die Uhr, heißt es vom Geschäftsführer. "Es handelt sich bei einer derart hohen Mitgliederzahl, hier also um einen kompletten Querschnitt der ortsansässigen Bevölkerung in Bezug auf die politischen Ansichten und den Migrationshintergrund (…)"
Fitnessstudio-Verband: Fitnessbranche steht für Vielfalt
Ein Sprecher des Arbeitgeberverbands deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen e.V. (DssV e.V.) sagte MDR Investigativ, die Aktivitäten eines Arbeitnehmers in dessen Freizeit, selbst aktives Zurschaustellen einer rechtsradikalen Einstellung, indem er z.B. einen Nazisportler trainiere, berechtigten den Arbeitgeber nicht ohne weiteres zur Kündigung.
"Wenn dem Arbeitgeber aber der Nachweis gelingt, dass das Verhalten des Arbeitnehmers den Betriebsfrieden stört, kann er das abmahnen oder, wenn es zu massiven Störungen kommt, sogar fristlos kündigen", so der Sprecher. "Jeder hat die Verantwortung gegen Rechtsextremismus und für eine tolerante sowie gerechte Gesellschaft einzutreten", so der DssV-Sprecher. Die Fitnessbranche stehe grundsätzlich für Vielfalt unabhängig von Religion, Sexualität, Geschlecht und Herkunft.
Rechtsextremismus-Experte: Studios müssen ihrer Verantwortung gerecht werden
Der Autor und Rechtsextremismus-Experte Robert Claus sagte dem MDR, unabhängig davon, welche politischen Ansichten der Betreiber eines Fitnessstudios oder Kampfsportgyms vertrete, wirke jeder, der an Kampfsport bzw. Fitnesstrainings von Neonazis teilnehme oder ihnen dafür eine Infrastruktur zur Verfügung stelle, letztlich an der Gewaltausbildung dieser militanten und gefährlichen Szene mit.
"Insofern gilt hier für kommerzielle Anbieter auf dem freien Markt wie auch für traditionelle Sportvereine: Sie sind aufgerufen, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden, eine gewaltkritische Haltung an den Tag zu legen und sich von extrem rechten Akteuren aus gewaltaffinen Szenen klar zu distanzieren", so Claus weiter. Fitnessstudios könnten einen entsprechenden Passus in die Kundenverträge aufnehmen und Kunden auf Basis dessen den Vertrag kündigen. Wer Personen aus der Szene extrem rechter Kampfsportler anstelle, finanziere dadurch immer auch ein Stück weit die Szene, ihre Akteure und politischen Aktivitäten.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 29. November 2023 | 10:00 Uhr
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/5abe04d4-8ab2-4133-880d-14cbadb7ac51 was not found on this server.