Unglückliches Kind sitzt zu Hause in der Ecke auf dem Boden
Wegen Überlastung können Jugendämter nicht alle Kinder optimal betreuen. Bildrechte: IMAGO / ingimage

Überlastete Mitarbeiter Todesfälle von Kindern: Wer trägt die Verantwortung in Jugendämtern?

05. März 2025, 11:06 Uhr

In vielen Jugendämtern sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überlastet und können die Familien und Kinder nicht so intensiv betreuen, wie sie es eigentlich wollen. Ein Nutzer von MDR AKTUELL, der selbst in einem Jugendamt arbeitet, fragt sich deshalb, wer im Falle eines gewaltsamen Todes eines Kindes aus einer aktenkundigen Familie zur Verantwortung gezogen werden kann – wenn vorher eine Überlastungsanzeige der Fachkraft gestellt wurde.

Juliane Neubauer
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Es gibt keine einfache Antwort auf die Frage, wer die Verantwortung in einem gewaltsamen Todesfall eines Kindes tragen muss. Wenn es sich um eine Familie handelt, die dem Jugendamt bekannt war, müssen die Umstände ganz genau betrachtet werden.

Wenn es einen Zusammenhang mit den Hilfen zur Erziehung oder der Beratung durch ein Jugendamt gibt, liege die Verantwortung bei der Leitung des Jugendamtes oder einer zuständigen Fachabteilung, erklärt das Amt für Jugend und Familie der Stadt Leipzig auf Anfrage von MDR AKTUELL.

Sollte die zuständige Fachkraft vorher eine Überlastungsanzeige an den Vorgesetzten gestellt haben, mache das nicht unbedingt einen Unterschied, erklärt eine Mitarbeiterin des Leipziger Amtes schriftlich: "Sollte es der Arbeitgeberin nicht gelungen sein, die Ursachen für die Überlastung abzustellen, wird dennoch überprüft, ob die/der jeweilige Mitarbeiter/-in fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat. Das Stellen einer Überlastungsanzeige entbindet die Mitarbeitenden nicht von ihrer Verantwortung im Rahmen des staatlichen Wächteramtes."

Mehr Geld und mehr Fachkräfte gefordert

Trotzdem sollte mit der Überlastungsanzeige einer Fachkraft eigentlich ein Prozess in Gang kommen, der eine Entlastung bringt. Dann könne auch wieder eine bessere Betreuung der einzelnen Familien bei Verdachtsfällen von Kindeswohlgefährdungen ermöglicht werden, erklärt Silke Wiesenthal, Sprecherin des Thüringer Familienministeriums: "Auch der Vorgesetzte ist dann gefragt, zu schauen, wie die Aufgaben im Team umorganisiert werden können, damit der Verdachtsfall entsprechend geprüft und die notwendigen Schritte eingeleitet werden können."

Wenn sich Mitarbeitende der Jugendämter Sorgen darüber machen, bei ihrer Arbeit etwas zu übersehen, dass für Kinder lebensgefährlich wird, sei das ein Anzeichen dafür, dass mehr Geld für mehr sozialpädagogische Fachkräfte ausgegeben werden müsse, findet Rebekka Schuppert vom Kinderschutzbund: "Zum Beispiel wird immer wieder darüber diskutiert, dass Fallzahlen für einzelne Jugendamtsmitarbeiter begrenzt werden sollten. Dass sie zum Beispiel maximal 28 Fälle haben." Oft hätten Jugendamtsmitarbeitende aber deutlich mehr Fälle.

Neben der Aufstockung der sozialpädagogischen Teams in vielen unterbesetzten Ämtern müsse auch das Angebot der sogenannten Inobhutnahmestellen ausgebaut werden. Das sind Einrichtungen für Kinder, die akut aus ihren Familien herausmüssen. Auch hier muss mehr Geld zur Verfügung gestellt werden, fordert Schuppert.

Wenig Wertschätzung für anspruchsvollen Job

Der Sozialpädagoge Kay Biesel hat sich wissenschaftlich mit Fehlern in Jugendämtern auseinandergesetzt, für ihn ist besonders wichtig, dass es "viele, tolle Fachkräfte gibt", die einen schweren und emotional belastenden Job machten.

Außerdem würden die Fachkräfte zum Teil nicht gut bezahlt, sagt Biesel: "Und sie haben nicht immer die besten Rahmenbedingungen und sind trotzdem jeden Tag motiviert aufzustehen, um Familien und Kindern in Not zu helfen. Dem gebührt Respekt und Anerkennung."

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 05. März 2025 | 06:20 Uhr

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