Erster Jahrestag Hamas-Angriff Jüdisches Leben in Bedrängnis
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07. Oktober 2024, 12:14 Uhr
Vor einem Jahr drangen Terroristen der radikalislamischen Hamas in Israel ein, ermordeten rund 1.200 Menschen und verschleppten etwa 250 weitere in den Gaza-Streifen. In der Folge erklärte Israel der Hamas den Krieg. Der Konflikt strahlt seitdem bis nach Deutschland aus. Zum Jahrestag des Massakers sind viele Jüdinnen und Juden in besonderer Alarmbereitschaft.
- Am 7. Oktober jährt sich der Terrorangriff der Hamas auf Israel erstmals. Auch jüdische Gemeinden in Deutschland bekommen die Folgen des Überfalls zu spüren.
- Jüdische Gedenk- und Feiertage werden oftmals zum Ziel von Angriffen.
- Die Dokumentationsstelle RIAS verzeichnet deutlichen Anstieg antisemitischer Vorfälle.
- Die Deutsch-Israelische Gesellschaft fordert deshalb Maßnahmen gegen Antisemitismus.
Die Jüdische Gemeinde in Halle bekam den Hass zuletzt wieder ungefiltert zu spüren. Unter ihrem Google-Eintrag häuften sich feindselige Rezensionen. Google hat zwar reagiert und die Kommentare gelöscht. Trotzdem kann man sich in Halle nicht in Sicherheit wiegen. Vor allem angesichts zweier tragischer Jahrestage. Nicht nur der brutale Angriff der Hamas jährt sich. Zwei Tage später gedenkt die Stadt auch der Opfer des antisemitischen Anschlags von 2019.
"Wir haben gerade auch die weltpolitischen Geschehnisse sehr im Blick. Das derzeit sowieso schon bestehende hohe Niveau zum Schutz des jüdischen Lebens in unserem Bereich werden wir besonders sensibel auch weiterhin in höchster Priorität umsetzen", sagt der Sprecher der Polizeiinspektion Halle Michael Ripke. Zu konkreten Schutzkonzepten könne man jedoch keine Auskunft geben, um deren Wirksamkeit nicht zu gefährden.
Angriffe häufig an jüdischen Gedenk- und Feiertagen
In der Vergangenheit habe man erlebt, dass das jüdische Leben gerade an Gedenk- und Feiertagen gefährdet sei, sagt Benjamin Steinitz, Geschäftsführer des Bundesverbands RIAS, der antisemitische Übergriffe dokumentiert. Die Terrortat in Halle fand zum jüdischen Fest Jom Kippur statt. Jüngst der Anschlag auf das Münchner NS-Dokumentationszentrum am Jahrestag des Olympia-Attentats. Das seien nur zwei Beispiele von vielen.
Das Ziel eine verheerende Wirkung mit derartigen Handlungen zu erzielen, sei an solchen Daten ungleich größer, meint Steinitz. Zum einen gebe es an diesen Tagen einfach mehr Menschen, die sich da aufhalten. Und zum anderen seien das die hohen jüdischen Feiertage. "Wenn sich da das Gefühl von Gewalt oder Terror gegen Juden einschreibt, stellt sich die Frage, wie ungebrochen kann die eigene jüdische Identität noch gelebt werden?"
Deutlicher Anstieg antisemitischer Vorfälle
Der Dokumentationsstelle RIAS zufolge ist die Zahl antisemitischer Vorfälle zuletzt deutlich angestiegen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum waren es zwischen dem 7. Oktober und dem 31. Dezember 2023 350 Prozent mehr Taten. Darunter Körperverletzungen, Beleidigungen oder Schmierereien. Die jüdischen Gemeinden selbst sind vor dem Jahrestag wegen des Neujahrsfestes Rosch ha-Schana nicht zu erreichen.
"Es ist für alle jüdischen Bürgerinnen und Bürger, aber auch unsere Freunde, die uns unterstützen, richtig gefährlich geworden. Dass ein Massaker, statt alle zu erschrecken, einen eher enthemmenden Effekt hatte, ist eine Dimension, mit der keiner gerechnet hätte", sagt Elio Adler, Vorsitzender des Vereins Werteinitiatve, der sich für jüdisches Leben in Deutschland engagiert.
Deutsch-Israelische Gesellschaft fordert Maßnahmen gegen Antisemitismus
Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, wünscht sich deshalb konkrete Maßnahmen gegen Antisemitismus. Man müsse Strafbarkeitslücken bei der Volksverhetzung schließen, fordert Beck. Auch solle man nicht zur Auslöschung von Staaten der Vereinten Nationen wie Israel aufrufen dürfen.
"Außerdem meine ich, dass man angesichts dessen, was wir im Kulturbetrieb oder akademischen Betrieb gesehen haben, klar machen muss: Für antisemitische oder sonstige menschenverachtende Inhalte gibt's kein Geld vom Staat", sagt Beck. Die Sicherheitsbehörden zumindest seien seit dem 7. Oktober sensibler geworden.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 07. Oktober 2024 | 06:00 Uhr