Eine Frau, die eine israelische Fahne hält, guckt sich Plakate an, auf denen Personen zu sehen sind, die von der Hamas entführt wurden. 4 min
Audio: Bei dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 starben 1.200 Menschen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Ilia Yefimovich

Erster Jahrestag Hamas-Angriff Jüdisches Leben in Bedrängnis

07. Oktober 2024, 12:14 Uhr

Vor einem Jahr drangen Terroristen der radikalislamischen Hamas in Israel ein, ermordeten rund 1.200 Menschen und verschleppten etwa 250 weitere in den Gaza-Streifen. In der Folge erklärte Israel der Hamas den Krieg. Der Konflikt strahlt seitdem bis nach Deutschland aus. Zum Jahrestag des Massakers sind viele Jüdinnen und Juden in besonderer Alarmbereitschaft.

Die Jüdische Gemeinde in Halle bekam den Hass zuletzt wieder ungefiltert zu spüren. Unter ihrem Google-Eintrag häuften sich feindselige Rezensionen. Google hat zwar reagiert und die Kommentare gelöscht. Trotzdem kann man sich in Halle nicht in Sicherheit wiegen. Vor allem angesichts zweier tragischer Jahrestage. Nicht nur der brutale Angriff der Hamas jährt sich. Zwei Tage später gedenkt die Stadt auch der Opfer des antisemitischen Anschlags von 2019.

"Wir haben gerade auch die weltpolitischen Geschehnisse sehr im Blick. Das derzeit sowieso schon bestehende hohe Niveau zum Schutz des jüdischen Lebens in unserem Bereich werden wir besonders sensibel auch weiterhin in höchster Priorität umsetzen", sagt der Sprecher der Polizeiinspektion Halle Michael Ripke. Zu konkreten Schutzkonzepten könne man jedoch keine Auskunft geben, um deren Wirksamkeit nicht zu gefährden.

Angriffe häufig an jüdischen Gedenk- und Feiertagen

In der Vergangenheit habe man erlebt, dass das jüdische Leben gerade an Gedenk- und Feiertagen gefährdet sei, sagt Benjamin Steinitz, Geschäftsführer des Bundesverbands RIAS, der antisemitische Übergriffe dokumentiert. Die Terrortat in Halle fand zum jüdischen Fest Jom Kippur statt. Jüngst der Anschlag auf das Münchner NS-Dokumentationszentrum am Jahrestag des Olympia-Attentats. Das seien nur zwei Beispiele von vielen.

Das Ziel eine verheerende Wirkung mit derartigen Handlungen zu erzielen, sei an solchen Daten ungleich größer, meint Steinitz. Zum einen gebe es an diesen Tagen einfach mehr Menschen, die sich da aufhalten. Und zum anderen seien das die hohen jüdischen Feiertage. "Wenn sich da das Gefühl von Gewalt oder Terror gegen Juden einschreibt, stellt sich die Frage, wie ungebrochen kann die eigene jüdische Identität noch gelebt werden?"

Deutlicher Anstieg antisemitischer Vorfälle

Der Dokumentationsstelle RIAS zufolge ist die Zahl antisemitischer Vorfälle zuletzt deutlich angestiegen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum waren es zwischen dem 7. Oktober und dem 31. Dezember 2023 350 Prozent mehr Taten. Darunter Körperverletzungen, Beleidigungen oder Schmierereien. Die jüdischen Gemeinden selbst sind vor dem Jahrestag wegen des Neujahrsfestes Rosch ha-Schana nicht zu erreichen.

"Es ist für alle jüdischen Bürgerinnen und Bürger, aber auch unsere Freunde, die uns unterstützen, richtig gefährlich geworden. Dass ein Massaker, statt alle zu erschrecken, einen eher enthemmenden Effekt hatte, ist eine Dimension, mit der keiner gerechnet hätte", sagt Elio Adler, Vorsitzender des Vereins Werteinitiatve, der sich für jüdisches Leben in Deutschland engagiert.

Deutsch-Israelische Gesellschaft fordert Maßnahmen gegen Antisemitismus

Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, wünscht sich deshalb konkrete Maßnahmen gegen Antisemitismus. Man müsse Strafbarkeitslücken bei der Volksverhetzung schließen, fordert Beck. Auch solle man nicht zur Auslöschung von Staaten der Vereinten Nationen wie Israel aufrufen dürfen.

Männer verbrennen 2017 in Berlin Neukölln eine selbst gemalte Israel-Fahne. Im Hintergund ist die türkische und die palästinensische Flagge zu sehen. Einige tragen Kefia. 46 min
Bildrechte: picture alliance/dpa

"Außerdem meine ich, dass man angesichts dessen, was wir im Kulturbetrieb oder akademischen Betrieb gesehen haben, klar machen muss: Für antisemitische oder sonstige menschenverachtende Inhalte gibt's kein Geld vom Staat", sagt Beck. Die Sicherheitsbehörden zumindest seien seit dem 7. Oktober sensibler geworden.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 07. Oktober 2024 | 06:00 Uhr

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