Grafik: Aus einem Abwasserrohr strömen Corona-Viren.
Coronaviren können im Abwasser nachgewiesen werden. Bildrechte: MDR/MDR Data

Steigende Infektionszahlen So ist die Corona-Lage in Mitteldeutschland

27. September 2023, 16:39 Uhr

Mit dem Herbst steigt die Zahl der Corona-Infektionen in Mitteldeutschland. Der aktuelle Anstieg scheint sich jedoch zu verlangsamen. Abwasserproben sollen bessere Daten über die Verbreitung liefern. Das Monitoring ist aber bisher nicht flächendeckend verfügbar. Eine Übersicht über die aktuelle Corona-Lage.

Leonhard Eckwert
Bildrechte: Charlotte Anlauf

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Aktuelle Corona-Neuinfektionen

Mit Beginn des Herbstes infizieren sich in Mitteldeutschland wieder mehr Menschen mit dem Coronavirus. Proben in Sachsen-Anhalt zeigen eine steigende Viruslast im Abwasser. Auch die Krankenhäuser testen mehr Patienten positiv auf Corona. Die Zahl der Toten bleibt hingegen konstant auf einem niedrigen Niveau.

Seit Mitte August steigt die Zahl der bestätigten Infektionen in allen drei Bundesländern. Mitte September hatte sich der Anstieg beschleunigt. In den vergangenen Tagen haben sich wieder weniger Leute angesteckt.

Am 27. September wurde bei rund 2.000 Menschen in Mitteldeutschland das Coronavirus nachgewiesen. Zum Vergleich: Genau ein Jahr zuvor testeten sich rund 54.000 Infizierte positiv. Seitdem ist nicht nur der Anteil der Genesenen gestiegen. Auch die Teststrategie hat sich verändert. Am 7. April dieses Jahres wurden fast alle Corona-Maßnahmen eingestellt. Deshalb gehen spätestens seit dem Frühjahr kaum noch Corona-Fälle in die Statistik ein. Die meisten Infizierten kurieren ihre Krankheit – ohne sich testen zu lassen. Einen PCR-Test können aktuell nur noch Ärzte anordnen, wenn Corona-Symptome vorliegen.

Corona-Dunkelziffer durch Studie ermittelbar

Die aktuellen Neuinfektionen und Inzidenzen sind mit früheren Zahlen nicht mehr vergleichbar. Die Dunkelziffer dürfte gestiegen sein. Um dennoch einen verlässlichen Überblick über die Verbreitung des Coronavirus zu erhalten, hat Rheinland-Pfalz die Studie SentiSurv RLP gestartet.

Als einziges Bundesland läuft hier seit Dezember 2022, mit kurzer Unterbrechung, eine Studie zur genauen Ermittlung der Inzidenz ohne Dunkelziffer. Dafür testen sich einmal pro Woche mehr als 10.000 repräsentativ ausgewählte Teilnehmer selbst auf Coronaviren.

"Die Ergebnisse von SentiSurv sind Inzidenzen ohne Dunkelziffer", sagt Jan Mohring vom Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik. Er berechnet die Ergebnisse aus der Erhebung. Der Mathematiker geht davon aus, dass sich die Trends aus Rheinland-Pfalz auch auf andere Bundesländer übertragen lassen.

In Rheinland-Pfalz lag die 7-Tage-Inzidenz laut der Studie am 20. September bei 941 – offiziell meldete das Robert Koch-Institut (RKI) 11 Infektionen pro hunderttausend Einwohner. In Sachsen würde die Inzidenz demnach grob gerechnet somit von 12 auf über 1.000 steigen. In Sachsen-Anhalt würde die Inzidenz statt 11 auf 941 steigen, in Thüringen von 9 auf 770.

Coronaviren im Abwasser

Einen besseren Überblick über Infektionen sollen auch Proben aus dem Abwasser geben. Bundesweit untersuchen Kläranlagen ihr Abwasser auf Spuren von Coronaviren. Steigt die Viruskonzentration an einem Standort gegenüber der vorigen Messung stark, sind mehr Menschen im Einzugsgebiet infiziert.

Sachsen-Anhalt untersucht an dreizehn Standorten das Abwasser auf Coronaviren. Die Ergebnisse veröffentlicht das Landesamt für Umweltschutz auf seiner Internetseite.

Die Proben zeigen, bei welchem Anteil der Standorte die Konzentration der Coronaviren steigt, annähernd gleich bleibt oder fällt. Stellt die Mehrheit der Standorte eine Zunahme der Viruslast fest, deutet das auf mehr Neuinfektionen im Bundesland hin.

In der aktuellen Messwoche vom 11. bis zum 17. September zeigen 64 Prozent der Messstellen eine höhere Coronavirus-Konzentration als in der Vorwoche. Damit setzt sich der Anstieg seit Anfang September fort. Die Daten aus der Woche 18. bis 24. September liegen noch nicht vollständig vor. Hier zeichnet sich aber schon ab, dass sich das Virus wieder langsamer ausbreitet.

Swetlana Rot untersucht die Wasserproben für das Landesumweltamt. Auch sie erkennt in den Daten einen vorübergehenden Anstieg – und damit mehr Infizierte in Sachsen-Anhalt. Eigentlich sollte das Robert-Koch-Institut die Abwasserproben aus Kläranlagen in ganz Deutschland sammeln und auswerten. Doch von den dreizehn Stationen in Sachsen-Anhalt taucht bislang nur die Anlage in Rollsdorf im Mansfelder Land im Wochenbericht auf. Die Proben aus Sachsen-Anhalt habe das RKI noch nicht auswerten können, sagt Swetlana Rot.

Corona: Kaum Abwasserdaten für Sachsen und Thüringen

Aus den Wochenberichten stammen auch die einzigen öffentlichen Daten für Sachsen. Mit nur drei gemeldeten Anlagen aus Döbeln, Grimma und Leipzig lassen sich keine Rückschlüsse auf Sachsen ziehen. Der lückenhafte Ausschnitt zeigt, dass die Viruslast zurückgeht. Für Thüringen kann das RKI bisher keine Daten darstellen. Ab Mitte Oktober sollen laut Umweltbundesamt mehr Stationen vom RKI ausgewertet werden können.

Aus den Proben könne man bisher noch nicht standardmäßig auf die Inzidenz in einem Bundesland schließen, sagt Swetlana Rot vom Landesumweltamt in Sachsen-Anhalt. Es gebe aber bereits einen Zusammenhang mit der gemessenen Inzidenz.

Jan Mohring vom Fraunhofer-Institut wertet in Rheinland-Pfalz auch Abwasserproben aus. Dort ist man schon einen Schritt weiter: "Wir haben bereits eine Kurve, die gut der Realität entspricht. Wir können mit einem bestimmten Faktor die Abwasserwerte in Inzidenzen umrechnen." Die in Rheinland-Pfalz laufende Studie zur Inzidenz ohne Dunkelziffer liefere die Vergleichsdaten. Man sei gerade dabei, die Erkenntnisse in Fachkreisen vorzustellen.

So funktioniert die Untersuchung des Abwassers nach Viren

Coronaviren und andere Krankheitserreger wie Influenzaviren gelangen über Stuhl und Urin ins Abwasser. In Kläranlagen können Teile der Viren aus dem Wasser isoliert und mit der PCR-Methode nachgewiesen werden. Dazu müssen genügend Erreger in der Probe vorhanden sein. Allerdings seien die Werte einzelner Kläranlagen nicht miteinander vergleichbar, sagt Swetlana Rot vom Landesumweltamt Sachsen-Anhalt. Der gemessene Wert hänge stark davon ab, was in das Abwasser eingeleitet wird. Große Abwassermengen aus der Plasmaherstellung oder der Fleischverarbeitung können die Messwerte stark verändern. Zu Beginn der Pandemie bestand die Hoffnung, dass die Abwasserdaten auch als Frühwarnsystem für Erkrankungswellen dienen könnten. Laut der Virologin Swetlana Rost gibt es nach heutigem Stand kaum einen Verzug: Die Inzidenz steigt mit der Viruslast im Abwasser.

Corona-Lage in den Krankenhäusern

Regelmäßige Tests auf das Coronavirus finden außer in Arztpraxen vor allem in den Krankenhäusern statt. Während der Corona-Hochzeiten seien Mitarbeiter und Patienten wöchentlich getestet worden, sagte der Intensivmediziner Stefan Klug Anfang September auf einer Podiumsdiskussion des Science Media Centers: "Jetzt ist es so, dass in den Kliniken nur noch bei Atemwegssymptomen getestet wird. Das gilt dann für Mitarbeiter und für Patienten. Asymptomatische, beschwerdefreie Mitarbeiter oder Patienten werden heute in deutschen Krankenhäusern nicht mehr getestet."

Wenn aktuell Patienten in Kliniken positiv auf Corona getestet werden, sind sie in der Regel an der Infektion erkrankt. Die Fallzahlen aus den Krankenhäusern sind im Schnitt für mindestens die vergangenen zwei Wochen unvollständig. Das liegt an der Meldekette zwischen Kliniken und RKI – dadurch ist die gemeldete Zahl niedriger als in der Realität. Um diesen Verzug auszugleichen, schätzt das RKI zusätzlich die tatsächliche Zahl der hospitalisierten Fälle.

Die Zahl der hospitalisierten Fälle steigt in allen drei Ländern seit dem Spätsommer. Das RKI schätzt, dass mitteldeutsche Kliniken zwischen dem 16. und 23. September bei etwa 250 Menschen eine Corona-Infektion festgestellt haben. Das sind so wenige wie noch nie zu diesem Zeitpunkt.

Der Anteil der Corona-Patienten auf den Intensivstationen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen liegt derzeit bei höchstens 1 Prozent. In der Vergangenheit waren zeitweise mehr als 20 Prozent aller verfügbaren Intensivbetten mit Corona-Patienten belegt. Im Winter 2021 lag der Anteil der Corona-Erkrankten auf sächsischen Intensivstationen sogar bei mehr als 40 Prozent. Die größte Gruppe auf den Intensivstationen sind die Über-60-Jährigen.

Ein großes Problem sei, so der Intensivmediziner Stefan Kluge, dass etwa ein Viertel der Intensivbetten wegen Personalmangels nicht betrieben werden könnte. Die Belastung werde aber bei weitem nicht so hoch sein wie in den Pandemiejahren, sagt Kluge. Er sieht ein anderes Problem auf die Kliniken zukommen: "Ich glaube, wir können davon ausgehen, dass irgendwann im Herbst und Winter vermehrt Atemwegsinfektionen zirkulieren, die auch zu einer Belastung des Gesundheitswesens führen. Der Mitarbeitermangel wird uns weiterhin zu schaffen machen und sich durch Infektionsquellen noch mal verschlechtern."

Todesfälle im Zusammenhang mit Corona

Die Zahl der Todesfälle in Zusammenhang mit einer Corona-Infektion verharrt in Mitteldeutschland auf einem niedrigen Niveau. In der Woche vom 18. September bis 24. September registrierte das RKI sechs Todesfälle. Damit ist die Zahl der Todesfälle seit dem Sommer so niedrig wie zuletzt im Sommer 2020.

Die aktuell in Deutschland dominante Viruslinie Eris (EG.5) führt laut Experten nicht zu schwereren Krankheitsverläufen. Die Zahl der Todesfälle ist nach wie vor stark altersabhängig. Der weitaus größte Anteil der Verstorbenen war älter als 60 Jahre.

Wie Todesfälle in die Statistik einfließen

Eine Corona-Infektion kann nicht immer eindeutig der Todesursache zugeordnet werden. Bei Patienten mit mehreren Erkrankungen kann oft nicht eindeutig festgestellt werden, ob die Infektion oder eine Vorerkrankung zum Tod geführt hat. Auch kann zwischen der Corona-Infektion und dem Tod ein längerer Zeitraum liegen. Solche Fälle gehen gegebenenfalls nicht in die Statistik ein, weil das Gesundheitsamt den Fall bereits vorher abgeschlossen hat. Außerdem ist es wahrscheinlicher, dass schwere Krankheitsverläufe, die zum Tode geführt haben, eher gemeldet werden als leichte Krankheitsverläufe. Die Angaben zum Sterbefall können daher nur Hinweise auf die Schwere der Erkrankung geben.

MDR (Leonhard Eckwert)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 28. September 2023 | 07:00 Uhr

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