Erzgebirge Ledersessel und DDR-Kartenkasse: Handgemachte Kinokultur im Clubkino Gelenau
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07. September 2024, 05:00 Uhr
Blockbuster wie Barbie oder Oppenheimer haben vergangenes Jahr die Kinosäle gefüllt. Das war auch dringend nötig. Denn spätestens in der Corona- Pandemie haben sich viele Menschen angewöhnt, neue Filme zu Hause über Streaming-Anbieter zu schauen. Ein Blick ins Clubkino Gelenau zeigt, die Liebe zum Kino ist bei vielen Liebhabern nie verschwunden.
Vorhang auf im vielleicht unwahrscheinlichsten Kino der Republik. Ein Kino auf dem Land zwischen Gebirgsbach und Gemeindefriedhof. Ein Kino in Gelenau im Erzgebirge. Hier zeigt Sven Kruppa in einem großen Saal Filme in besonderer Atmosphäre. Statt Stuhlreihen stehen achtzig schwere Ledersessel an kleinen Tischen.
"Das ist halt ein Clubkino mit einem typischen Club-Charakter. Dieser Sessel ist drehbar, dieser Sessel ist kippbar. Also wenn es doch mal nicht so der Film ist: Kinoschlaf ist ganz gesund. Aber ich hoffe mal, dass die Leute nicht zum Schlafen kommen, sondern zum Film angucken", sagt Kruppa.
Seit 30 Jahren ist er hier Filmvorführer. Und sein Kino ein Liebhabertraum. Das beginnt schon am Eingang, wo es noch klassische Abreißtickets gibt. Die Kasse sei eine Kartenkasse aus DDR-Zeiten. "Ich weiß nicht, ob man das Hören kann. Wenn man diese Kartenrolle aus dem Kartenautomat zieht. Das ist alles noch handbetrieben."
Popcorn serviert Kruppa in Mehrwegschüsseln. Dazu kann man Gelenauer Flaschenbier kaufen. Vorführungen gibt es täglich. Rund 400 Besucher kämen pro Woche, sagt der Kinobetreiber. "Also ich würde mal sagen, ich habe ein gutes Einkommen, so dass ich ein oder zwei Mal in den Urlaub fahren kann und meinen Alltag gut bestreiten kann. Ich kann jetzt nicht klagen", meint Kruppa.
Kinobranche erholt sich langsam
Tatsächlich arbeitet sich die gesamte Branche gerade wieder nach oben. Die Zahl der Kinobesucher steigt. Norina Lin-Hi, Marktforscherin bei der Filmförderungsanstalt, hat die aktuellen Zahlen mit der Zeit vor Corona verglichen. "Die gute Nachricht ist, wenn wir uns das Ende des Jahres 2019 anschauen und das Ende des Jahres 2023, haben wir sogar zehn Kinos mehr. Also wir haben 1.744 Kinos gezählt im Jahr 2023." Dies sei eine positive Bilanz. Vor allem Open-Air und kleine Kinos seien neu entstanden, sagt Lin-Hi. Klassische, große Kinos hätten allerdings zu kämpfen.
Auch bei den Besucherzahlen sieht es noch nicht glänzend aus. Rund 96 Millionen Kinotickets sind vergangenes Jahr verkauft worden – Dreiviertel so viele wie im Jahr vor der Pandemie. "Was wir aber sehen: die Leute die ins Kino gehen sind 2023 durchschnittlich 4,3 Mal ins Kino gegangen." Diese Leute seien Kinofans, meint die Marktforscherin.
Clubkino in Gelenau ist Sachsens beliebtestes Kino
Zurück im Clubkino Gelenau. Peter Fabisch ist hier nicht nur Fan, sondern auch Mitarbeiter. Der Rentner hilft regelmäßig aus. Gerade macht er Bratkartoffeln für den Chef. "Die 'Sächsische Zeitung' hat uns voriges Jahr angerufen. Die haben eine Google-Auswertung gemacht mit 1.700 Kinos. Deutschlandweit haben wir den fünften Platz belegt und in Sachsen den ersten in der Beliebtheitsskala. "
Kinobetreiber Kruppa lächelt darüber. Für den Erfolg hat er investiert. Sein Kino hat 30-Kanal-Audio, Filme in 3D. Denn Kruppa wolle mehr bieten als nur Nostalgie – für die Jungen. Inzwischen sei er über 50. "Die Jungen, die damals mit ihren Eltern ins Kino gegangen sind, kommen mittlerweile schon wieder mit ihren eigenen Kindern. Und da weiß man immer, wie alt man ist. Aber es ist schön", sagt Kruppa.
Der Familienvater ist überzeugt: Kino hat Zukunft. Einen guten Film schaue man doch nicht auf dem Handy. Sein großer Sohn sieht es offenbar genauso. Er hat in der Familie das zweite Kino aufgemacht. Ein Clubkino wie bei Papa, in Lichtenstein bei Zwickau.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 17. Mai 2024 | 06:00 Uhr
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