Eine Babyausstattung mit Schlafsack, Strampelanzug, Mütze und Kuscheltieren liegt in einem Wärmebett der Babyklappe im Kinderhaus Goethestraße in Hamburg-Altona.
Die erste Babyklappe wurde vor 25 Jahren in Hamburg-Altona errichtet. Bildrechte: picture alliance/dpa | Christian Charisius

Seit 25 Jahren Babyklappen werden auch heute noch genutzt

08. April 2025, 15:47 Uhr

Es gibt Notsituationen, in denen hochschwangere Frauen nicht mehr weiterwissen. Eine für sie ausweglose Situation, weil sie sich ein Leben mit Kind aus unterschiedlichsten Gründen nicht vorstellen können – häufig aus Angst oder Scham. Um Frauen und den Babys in diesen Situationen zu helfen, wurden sogenannte Babyklappen eingerichtet. Auch in Mitteldeutschland können so Babys gerettet werden.

Astrid Wulf, Moderatorin und Autorin
Bildrechte: MDR/Karsten Möbius

Vor 25 Jahren in Hamburg, vor 24 Jahren auch in Mitteldeutschland: 2001 wurden die ersten sogenannten Babyklappen in Erfurt, Dresden und Halle eingerichtet. Hinter einer Metallklappe befindet sich ein Wärmebettchen. Wird die Klappe benutzt, wird ein Alarm ausgelöst und Helferinnen können sich schnell um ein abgelegtes Baby kümmern. Waltraud Frescha aus Dresden, heute 72, engagierte sich schon damals in dem Verein, der die erste Babyklappe in Sachsen anbot.

Frescha erinnert sich daran, dass das Angebot, was die Hamburger gemacht hatten, quasi die erste Babyklappe war. Man sei total "angefixt" gewesen von dem, "was die da machten". In diese Zeit sei auch reingefallen, dass ein totes Baby in Meißen im Müll gefunden wurde. Auch deshalb sei das Hamburger Modell intensiv beäugt worden. "Und für mich war dann klar, alles zu machen, damit Kinder auf die Welt kommen dürfen."

Babykorb auch am Helios Klinikum in Erfurt

Sichtblenden schützen den Babykorb am Erfurter Helios-Klinikum
Sichtblenden schützen den Babykorb am Erfurter Helios-Klinikum Bildrechte: imago/photo2000

Ein paar Monate länger als das Hilfsangebot in Dresden gibt es den Babykorb am Erfurter Helios Klinikum. Ihn betreut schon seit vielen Jahren Chefarzt Professor Gert Naumann. Er sagte, er könne sich noch an einen Fall im letzten Jahr erinnern. Als ihn nach Auffinden eines Kindes im Babykorb eine Woche später eine junge Frau anonym angerufen und sich erkundigt habe, wie es dem Kind aus dem Babykorb gehe. Sie habe unter Weinen ihre Not geschildert und wie schwer ihr das gefallen sei. Die Information, dass das Kind in der Klinik in gute Hände gekommen sei, habe die junge Frau extrem beruhigt. Es seien Frauen, die in einer existenziellen Not seien, kein Kind werde leichtfertig weggegeben, sagt Naumann.

Bei vertraulicher Geburt bleiben Schwangere anonym

Wie viele Kinder jedes Jahr abgelegt werden, habe sich nicht groß verändert, sagt Naumann. Letztes Jahr lagen demnach zwei Kinder im Babykorb. Darüber hinaus seien zwei Kinder anonym geboren worden. Das bedeutet: Die Mutter kann anonym im Krankenhaus entbinden und versorgt werden und die Klinik ohne das Kind verlassen. Seit 2014 gibt es zudem die vertrauliche Geburt. Mütter haben die Möglichkeit, Informationen zu hinterlassen, die ihre Kinder dann mit 16 Jahren erhalten. In seiner Klinik habe es vergangenes Jahr eine vertrauliche Geburt gegeben, erzählt Naumann.

Warum Babyklappen nach wie vor umstritten sind In einer Stellungnahme aus dem Jahr 2009 empfahl der Ethikrat eine Schließung der Babyklappen. Die Angebote anonymer Kindesabgabe seien ethisch und rechtlich sehr problematisch, insbesondere weil sie das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft und auf Beziehung zu seinen Eltern verletzten, hieß es. 

Dieser Auffassung folgt auch der Kinderschutzbund. "Kinder haben ein Grundrecht auf Wissen um ihre Abstammung. Und wenn sie anonym in eine Babyklappe gelegt werden, haben sie keine Möglichkeit mehr, im Nachgang nachzuvollziehen, woher sie eigentlich stammen".

Problem bei einer vertraulichen Geburt sei, betont Naumann, dass das Angebot nicht so gut angenommen werde, wie die Politik sich das gedacht habe. Der Ansatz sei gut. Jedoch bedeute es, dass die Frauen sich in ihrer Not einer Beratungsstelle öffnen müssten. Und das sei ein Schritt, den nicht alle Frauen in Not gehen.

Wer sein Kind in den Babykorb legt, bekommt dort einen Brief mit einem Codewort. So ist es auch später jederzeit möglich, Informationen zu hinterlassen oder die Anonymität aufzugeben und das Kind zu erreichen. Oft komme das aber nicht vor, sagt Gynäkologe Naumann.

13 Babyklappen in Mitteldeutschland

In Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt gibt es aktuell 13 Babyklappen. Mehr als 150 Babys konnten nach verschiedenen Angaben seit 2001 gerettet werden. Für Professor Naumann braucht es auch weiter den Babykorb – auch wenn er selten genutzt wird. Und so sieht es auch die ehrenamtlich engagierte Waltraud Frescha aus Dresden: Für jedes einzelne Kind, das in der Klappe liege, sei es eine Frage von Leben und Tod. Wäre die Babyklappe nicht da, hätte es vielleicht jemand in einer Tragetasche an eine Straßenbahnhaltestelle gestellt und es wäre an Unterkühlung gestorben. So aber liege es in einem warmen Bettchen und lebe.

Wenn die abgegeben Babys gesund sind, werden sie schnell in eine Pflegefamilie vermittelt. Die Mutter hat acht Wochen Zeit, um ihr Kind zurückzuholen, sonst kann es in der Regel von einer neuen Familie adoptiert werden.

Hilfetelefon Schwangere in Not Unter der Nummer 0800 40 40 020 können sich Schwangere rund um die Uhr an die kostenlose und qualifizierte Erstberatung Schwangere in Not wenden. Das Hilfetelefon vermittelt auch an Beratungsstellen vor Ort weiter. Die Beratung ist anonym, barrierefrei und wird mehrsprachig angeboten. 

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 08. April 2025 | 10:54 Uhr

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