Der Redakteur | 06.07.2023 Teure Pflege: Was tun, wenn ich den Eigenanteil fürs Pflegeheim nicht mehr zahlen kann?
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04. Juli 2023, 16:55 Uhr
Die Pflegeheimkosten sind für viele in unbezahlbare Bereiche gestiegen. Umso wichtiger ist es, sich mit den Hilfen auseinanderzusetzen. Dazu gehört nicht nur die "Hilfe zur Pflege" vom Sozialamt, sondern wichtig sind auch das Wohngeld und die richtigen Zeitpunkte für die Antragstellung. Sonst riskiert man, auch noch das sogenannte Schonvermögen (was ich behalten darf) einzubüßen. Und ganz wichtig: Die eigenen Kinder werden in den seltensten Fällen finanziell behelligt.
Die Forderungen von uns als Gesellschaft waren eindeutig: Die Pflegekräfte müssen mehr verdienen. Das schlägt jetzt bei Pflegeheimkosten richtig durch. Zu den höheren Personalkosten kommen andere gestiegene Kosten, wie Energie-, Lebensmittel- oder Handwerkerkosten. Am Ende muss für einen Platz im Pflegeheim monatlich mehr als 1.000 Euro gezahlt werden.
Wo kann ich mich beraten lassen?
Jedes Leben ist ein Einzelfall. Deswegen sind grundsätzliche Aussagen über die persönlichen Pflegesituationen schwer zu treffen, aber trotzdem gibt es ein paar Eckpunkte, die für alle gelten. Wer neu auf das Thema stößt, fühlt sich oft völlig überfordert. Deshalb kann für den ersten Überblick ein Telefonat mit der unabhängigen Patientenberatung hilfreich sein, die unter 0800 330 46 15 kostenlos erreichbar ist.
Darüber hinaus gibt es weitere Beratungstelefone, die sich zum Beispiel um Privatversicherte kümmern oder Dienste in anderen Sprachen anbieten. Die Experten geben einen ersten Überblick über die Hilfsmöglichkeiten oder geben Hinweise, wo man sich beschweren kann, wenn es Unstimmigkeiten in der Einrichtung gibt.
Wenn es dann ganz konkret um den eigenen Fall geht, Anträge gestellt werden müssen usw., sind die Pflegeberater unterschiedlicher Träger in jedem Landkreis zu finden. Die Mitarbeiter kommen in vielen Fällen auch nach Hause, über die Umkreissuche der "Stiftung zur Qualität in der Pflege" findet man auch Angebote in der Nähe.
Die Geschichte mit dem Wohngeld
Die Pflegeheimkosten bestehen bekanntlich aus vielen Bausteinen. Miete, Pflege, Investitionskosten, Verpflegung. Und für viele Bausteine - nicht für alle - gibt es auch Möglichkeiten, die Kosten zu reduzieren. Zum Teil auch deutlich. Eine erste Möglichkeit sollte immer die Prüfung auf Wohngeldanspruch sein. Hier ist das Schonvermögen sehr hoch, das heißt, man erhält schon Geld, ohne dass man sich finanziell fast "nackig" machen muss.
Das Schonvermögen beträgt laut Rechtsprechung 60.000 Euro für Einzelpersonen und 90.000 Euro, wenn man zu zweit ist. Das ist deutlich mehr als bei der Hilfe zu Pflege.
Neben den üblichen Angaben und Bescheinigungen zum Einkommen und Vermögen sind auch ein paar Angaben der Heimleitung einzuholen und ein Auszug aus dem Heimvertrag beizulegen. Bei der Berechnung der Höhe der Unterstützung werden nicht die konkreten Mietkosten abgefragt, sondern der Einfachheit halber wird das Mietniveau der Region als Basis genommen und zwar der Höchstbetrag der dortigen Mietstufe. Auf diese Art kann der Mietanteil der Heimkosten deutlich, mitunter sogar auf null reduziert werden, sagt Verena Querling, Referentin für Pflegerecht bei der Verbraucherzentrale NRW.
Der Rettungsanker: Die Hilfe zur Pflege vom Sozialamt
Auch wenn es für viele Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, ein Unwort ist: Sozialhilfen sind keine Almosen und auch kein Indiz dafür, dass man im Leben nichts geleistet hat. Um es ganz klar zu sagen: Wenn die Reserven aufgebraucht sind und das Heim von der Bank die Mitteilung bekommt, dass das Konto nicht gedeckt ist, dann ist dieser Schritt ohnehin unvermeidlich.
Umso ärgerlicher ist dann, wenn man kurz zuvor auch noch die letzten Spargroschen aufgebraucht hat, also das Geld, mit dem man sich hätte noch etwas gönnen können, was über Essen, Trinken und Alltag hinausgeht. Deshalb gilt: sich unbedingt rechtzeitig zu kümmern und den entsprechenden Antrag zu stellen.
Grenze bei 10.000 Euro für Alleinstehende
Das Schonvermögen für diese Unterstützungsleistung beträgt 10.000 Euro für Alleinstehende und 20.000 Euro für Ehepartner. Das ist immer noch eine Menge Geld. Andere Wertgegenstände, wie das Haus oder ein Auto werden gesondert betrachtet und sind in der Regel nicht gefährdet. Wenn also die Geldmittel auf diese Größen zusteuern, ist das Gespräch mit Pflegeberatern oder gleich mit dem Sozialamt unumgänglich. Erst der Antrag auf Hilfe zur Pflege stoppt quasi den Abfluss.
Es ist sinnvoll, aufzupassen, dass man diese 10.000-Euro-Grenze auch trifft. Wenn man noch zu viel hat, rechnet einem das Sozialamt aus, wie lange man das Pflegeheim noch vom eigenen Vermögen bezahlen muss.
Sicher ist es klug, wenn die Kinder und Betreuer ein Auge auf den Kontostand haben, wenn die Heimkosten aus dem Ruder laufen. Die werden letztlich ohnehin informiert von der Heimleitung, wenn das Konto blank ist. Aber diesen Zustand sollte man unbedingt vermeiden.
Wann werden die Kinder zur Kasse gebeten?
Diese Angst treibt viele Heimbewohner um. Schlimm genug, dass man auf Hilfe angewiesen ist, man möchte auf keinen Fall, dass auch noch die Kinder in Anspruch genommen werden müssen. Diese Angst kann man den meisten Betroffenen nehmen. Die Grenze, ab der die finanziellen Verhältnisse der Kinder geprüft werden, ist hoch und wurde Anfang 2020 im Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz geregelt.
Demnach müssen Kinder für ihre pflegebedürftigen Eltern nur noch dann Unterhalt zahlen, wenn sie ein Jahresbruttoeinkommen von mehr als 100.000 Euro haben. Aber auch das ist kein Dogma. Ab diesem Punkt werden die Verhältnisse zunächst geprüft und der Unterhalt entsprechend der Leitlinien (Düsseldorfer Tabelle) berechnet. Da kann auch weiterhin eine null herauskommen.
Denn es ist zum Beispiel ein Unterschied, ob ein "Kind" selbst Kinder hat oder nicht und wie viele von diesem Einkommen leben. Und entscheidend ist tatsächlich auch nur das Einkommen des Kindes des Pflegebedürftigen, aber nicht das Einkommen des Schwiegersohnes oder der Schwiegertochter. Die wären für ihre eigenen Eltern zuständig. Gibt es mehrere Kinder, kann es passieren, dass nur das Kind unterhaltspflichtig ist, dass eben die 100.000-Euro-Einkommensgrenze reißt.
Hier kann man sich auch innerfamiliär einigen, wer wieviel von dem eingeforderten Betrag trägt. Letztlich ist dieser eine Entscheidung des Familiengerichts. Das heißt: Der Sozialstaat springt zunächst ein und prüft dann, inwiefern Gelder zurückgeholt werden könnten. Das dies überhaupt geprüft wird, ist fair, immerhin sollen sozial Bedürftige unterstützt werden und nicht jeder Bewohner nach dem Gießkannenprinzip Geld bekommen. Das ist die Geschichte mit den starken Schultern, die mehr tragen können.
Das Sozialamt führt diese Berechnungen durch und die Unterhaltsberechnung selbst wird vom Familiengericht entschieden.
Sich frühzeitig mit finanzieller Situation beschäftigen
Daraus folgt auch, dass man sich schon sehr zeitig mit dem Vermögen beschäftigen sollte, Motto: Was passiert eigentlich wenn? Besonders die ersten drei Jahre in einem Pflegeheim sind eine große finanzielle Belastung, für die man rechtzeitig vorsorgen sollte. Auch wenn auch in dieser Zeit bereits ein Teil der Pflegekosten dank des Pflegeunterstützungs- und entlastungsgesetzes übernommen werden. Da gibt es einen gestaffelten Leistungszuschuss für die pflegebedingten Eigenanteile. Nach drei Jahren steigt dieser Zuschuss bis auf 75 Prozent der pflegebedingten Eigenanteile.
Hier vorzusorgen, ist zunächst die Verantwortung eines jeden selbst und davon sprechen wir ja auch das ganze Leben: "Vorsorgen fürs Alter". Auch Schenkungen, der Übertrag von Wohneigentum usw. spielen bei der Betrachtung eine Rolle und das unter Umständen auch rückwirkend. Gerade wenn doch etwas mehr Vermögen vorhanden ist in einer Familie, ist die frühzeitige Beratung zum Beispiel durch einen Fachanwalt sicher nicht die schlechteste Idee.
Anlaufstellen und Detailinformationen
- Eine erste Anlaufstelle für Pflegefragen und Ärger im medizinischen Bereich: Die unabhängige Patientenberatung: 0800 330 46 15 (gebührenfrei)
- Wohnortnahe Anlaufstellen mit Pflegeberatung - Die Umkreissuche der Stiftung zur Qualität in der Pflege
- Verschiedene Beratungstelefone zum Thema Pflege auch für Privatversicherte
- Informationen zu Entlastungen für langjährige Bewohner eines Pflegeheims und andere Hilfen nach dem Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz.
- Informationen der Verbraucherzentrale - Wann zahlt das Sozialamt?
- Informationen der Verbraucherzentrale - Die Aufteilung der Heimkosten - was zahlen Kasse und Amt, was muss man selbst tragen.
Unsere Expertin Vera Querling ist Rechtsanwältin und Expertin für Pflegerecht bei der Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen.
MDR (ifl)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 06. Juli 2023 | 16:40 Uhr
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