Auf dem Viktorianischen Picknick 2019
Wird in diesem Jahr fehlen: das Schwarz im Straßenbild, wie hier beim Viktorianischen Picknick 2019. Bildrechte: MDR/Jeannine Völkel

Leipzig WGT-Absage verursacht Verluste in Millionenhöhe

28. Mai 2020, 13:07 Uhr

Am Pfingstwochenende wird in Leipzig etwas fehlen: Das Schwarz im Straßenbild, pompöse Ballkleider, Zylinder, Gasmasken und der herbe Duft von Patschuli. Das Wave-Gotik-Treffen 2020 fällt aus. Wie so viele Festivals musste das Familientreffen der Szene wegen Corona abgesagt werden. Den Hotels, Bars, Clubs und Geschäften in Leipzig brechen damit rund 20.000 Gäste weg – und damit Einnahmen in Millionenhöhe.

Der Eingang des Gothic-Ladens Darxity ist mit einer Kette versperrt. Als die Türglocke läutet, kommt John, einer der Besitzer, aus dem Büro und zeigt auf eine Flasche: Erst Hände desinfizieren. John trägt einen schwarzen Mundschutz mit aufgedrucktem Pentagramm. Normalerweise wäre sein Geschäft jetzt voll, sagt er: "Sonst sind unheimlich viele Leute da, die kommen ja auch aus aller Welt. Wir haben dann jeden Tag Lieferungen, sind auch nicht nur zu zweit im Geschäft, sondern zu viert, zu fünft, wenn nicht gar mehr." All das falle in diesem Jahr weg.

Nun schlendert kurz vor Pfingsten gerade mal ein Kunde durch die Reihen aus schwarzen Kleidern und Deko-Artikeln. Die Umsätze sind eingebrochen. Und mit dem Online-Verkauf können die Betreiber des Darxity das Loch nur bedingt auffüllen. Aktuell habe der Laden 50 bis 60 Prozent Umsatzeinbußen verglichen zum Vorjahr, so John – und das sei erst der Beginn der WGT-Woche.

Wie für andere Händler das Weihnachtsgeschäft

Johns Laden ist nicht das einzige Geschäft in Leipzig, das sich auf die schwarze Szene spezialisiert hat. Sie leiden ganz besonders unter der Absage des Wave-Gotik-Treffens, stellt Volker Bremer fest. Er ist der Geschäftsführer der Leipziger Tourismus und Marketing Gesellschaft. "Das ist wie für einen normalen Händler das Weihnachtsgeschäft. So bricht für die mit dem Wave-Gotik natürlich die Chance weg, dass sich diese vielen Tausend Gäste mal neu einkleiden, Accessoires kaufen", sagt Bremer. "Und es sind ja teilweise auch Personen, die zum Wave-Gotik-Treffen kommen, die gut situiert sind, die sich ein schönes Hotelzimmer leisten können. Die fallen eben auch weg."

Das WGT zieht jedes Jahr rund 20.000 Gäste nach Leipzig, etwa ein Viertel reist aus dem Ausland an. Dazu kommen zahlreiche Szene-Aänger, die sich zwar kein Festivalticket kaufen, aber zum Beispiel das Viktorianische Picknick im Park oder das sogenannte Heidnische Dorf mit Mittelaltermarkt und Konzertbühnen besuchen.

Umsatzeinbußen von zwölf bis 16 Millionen Euro

"Wir wissen aus statistischen Untersuchungen, dass man als Übernachtungsgast in Leipzig etwa 190 Euro in der Stadt lässt", so Bremer. Für das Hotelzimmer, um sich zu verpflegen, etwas einzukaufen, eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen. "Wenn man das dann alles bei rund fünf Festivaltagen betrachtet, kommt man auf einen Umsatz von zwölf bis 16 Millionen Euro, die hier ausgegeben werden, allein durch die Festivalgäste."

Zu Pfingsten springen zudem viele andere Veranstalter auf den schwarzen Zug auf und organisieren Konzerte und Partys für die Szene. Das Werk II zum Beispiel. Früher war es offizieller Veranstaltungsort des WGT, seit 2015 richtet es parallel das unabhängige Gothic-Pogo-Festival aus. An jedem der fünf Abende strömen etwa 800 bis 1.000 Gäste in die zwei Hallen des alten Fabrikgeländes.

Für das Werk II ist das Festival eines der Highlights im Jahr. Dass es nun ausfällt, trifft die Betreiber umso härter. Sprecherin Antje Hamel sagt, dass Mieteinnahmen entfallen. Dazu käme die Gastronomie, das sei die größte Umsatzeinbuße: "Da reden wir von einem mittleren fünfstelligen Betrag über die fünf Tage. Also um die vierzig- bis fünfzigtausend, um das zu beziffern."

Auch der emotionale Aspekt fehlt

Auch Daniel John organisiert im Zuge des WGT-Wochenendes Partys und Veranstaltungen, unter anderem das sogenannte EBM-Warmup im Felsenkeller. Er sitzt auf einer Parkbank, fährt nun in den Urlaub statt hinterm DJ-Pult zu stehen. Dabei stehe für ihn der finanzielle Aspekt eher im Hintergrund: "Für mich ist es mehr der emotionale Aspekt, dass in dieser Konstellation Menschen zusammenkommen, die ich das ganze Jahr nicht sehen kann. Für mich hat das immer sehr viel Kraft und Energie bedeutet, die ich daraus ziehen kann. Und das bleibt jetzt auf der Strecke."

Immerhin: Manches Konzert soll zumindest online übertragen werden. Ein paar Künstler haben zusammen das Darkstream-Festival als Alternative zum WGT initiiert. Und das Gothic Pogo Festival läuft ebenfalls im Netz.

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Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Kultur Kompakt | 28. Mai 2020 | 08:30 Uhr

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