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"Biodeutsch" ist auf einem Monitor zu lesen. 8 min
Das Unwort des Jahres 2024 lautet "biodeutsch". Warum sich die Jury für dieses Wort entschieden hat, begründet die Sprachwissenschaftlerin Kristin Kuck aus Magdeburg im Audio. Bildrechte: picture alliance/dpa | Christian Lademann
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Sprachwissenschaftler haben den Begriff "biodeutsch" zum Unwort des Jahres 2024 gekürt. Das Wort werde vor allem in den sozialen Medien in rassistischer und nationalistischer Weise gebraucht, teilte die Jury mit.

MDR KULTUR - Das Radio Mo 13.01.2025 10:30Uhr 08:11 min

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Sprache "Biodeutsch" ist Unwort des Jahres

13. Januar 2025, 10:42 Uhr

Der Begriff "biodeutsch" ist zum Unwort des Jahres 2024 gekürt worden. Das gab die Jury im hessischen Marburg bekannt. Der Begriff "biodeutsch" wurde im vergangenen Jahr im öffentlichen und gesellschaftlichen Sprachgebrauch verwendet, um Menschen vor dem Hintergrund vermeintlich biologischer Abstammungskriterien einzuteilen, zu bewerten und zu diskriminieren, begründete die Jury ihre Entscheidung.

Sprachwissenschaftler haben den Begriff "biodeutsch" zum Unwort des Jahres 2024 gekürt. Zur Begründung teilte die Jury am Montag in Marburg mit, die mit dem Gebrauch von "biodeutsch" einhergehende Unterteilung in angeblich "echte" Deutsche und in Deutsche zweiter Klasse sei eine Form von Alltagsrassismus. Auf Platz zwei landete der Begriff "Heizungsverbot". Der im Zusammenhang mit dem Gebäudeenergiegesetz verwendete Ausdruck sei irreführend verwendet worden, um klimaschützende Maßnahmen zu diskreditieren, so die Jury.

Von Satire zum rassisitischen Kampfbegriff

Die Jury kritisiert nicht nur das Wort an sich, sondern seine neuere Verwendung. Denn das Wort "biodeutsch" gibt es schon lange: Ursprünglich wurde es im Kabarett und von migrantischen Comedians ironisch-satirisch verwendet. Mit dieser Bedeutung ist das Wort 2017 in den Duden aufgenommen worden. "Dann wurde der Begriff jedoch von rechten Akteuren gekapert. Bei der AfD und auch im NPD-Parteiprogramm findet man Verwendungen des Wortes im Sinne von 'echten Deutschen'. Es wird eine biologistische Form von Nationalität behauptet", sagte Kristin Kuck MDR KULTUR. Die Sprachwissenschaftlerin an der Uni Magdeburg ist Mitglied der Jury. Es handle sich um eine äußerst problematische und rassistische Verwendung des Wortes, so Kuck.

Kristin Kuck im Porträt. Sie hat schulterlange braune Haare, trägt ein schwarzes Oberteil und lächelt freundlich in die Kamera.
Kristin Kuck ist Jurymitglied und Sprachwissenschaftlerin an der Uni Magdeburg. Bildrechte: Jana Dünnhaupt

Gerade im Migrationsdiskurs wurden in den letzten Jahren besonders viele Unwort-Kandidaten produziert.

Jury-Mitglied Kristin Kuck

Fünf Stunden habe die Jury debattiert, bis sie sich auf das Unwort des Jahres einigen konnte, erzählt Kuck: "Was uns dazu bewogen hat, "biodeutsch" zu wählen, war, dass das Wort droht in die Alltagssprache einzugehen". Besonders im letzten Jahr gäbe es viele Belege in der Politik und in der Presse, dass das Wort gedankenlos zur Unterscheidung von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund verwendet wird – ohne Anführungsstriche und ohne jegliche Markierungen, erklärte die Sprachwissenschaftlerin.

"Gerade im Migrationsdiskurs wurden in den letzten Jahren besonders viele Unwort-Kandidaten produziert", sagte Kristin Kuck. In diesem Bereich fänden sich viele Wörter, die demokratiefeindlich, diffamierend seien und gegen das Prinzip der Menschenwürde verstießen. Mit der Zweit- und Drittplatzierung versuche die Jury Aufmerksamkeit auf andere Themen zu lenken, so Kuck.

Knapp 3.200 Einreichungen zum Unwort des Jahres

Dieses Jahr wurden Wörter wie "D-Day", "Ampelkrach", "Technologieoffenheit" und "kriegstüchtig" eingreicht. Die ehrenamtliche Jury der Aktion besteht aus vier Sprachwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern und jährlich wechselnden Mitgliedern. Das Ziel der Aktion ist es, die Gesellschaft für diskriminierende, stigmatisierende, euphemisierende, irreführende oder menschenunwürdige Sprachgebräuche zu sensibilisieren. Es gehe dabei auch um die Verantwortlichkeit der Menschen im Hinblick auf ihr sprachliches Handeln. Insgesamt waren es 3.200 Einsendungen mit 655 verschiedenen Wörtern. Davon haben dieses Jahr etwa 80 Wörter den Kriterien der Jury entsprochen, sagte Kristin Kuck. Jede Person kann bis zum 31.12. eines jeden Jahres Unwortvorschläge an die Jury einreichen.

Das Unwort des Jahres 2023 war "Remigration". 2022 fiel die Wahl auf "Klimaterroristen". Unwort des Jahres 2021 war "Pushback". Das erste Unwort seit Beginn der Aktion im Jahr 1991 lautete "ausländerfrei".

Quelle: DPA; redaktionelle Bearbeitung: tv, op, tda

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 13. Januar 2025 | 11:30 Uhr