Arbeitskämpfer
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27. Mai 2016, 12:16 Uhr
In der DDR hatte die einzige Gewerkschaft, der FDGB, vor allem die Aufgabe, Urlaubsplätze zu verteilen. Dementsprechend positiv nahmen die Ostdeutschen dann auch die westdeutschen Gewerkschaften an. Kurz nach der Wiedervereinigung war die Hälfte der ostdeutschen Arbeitnehmer in einer Gewerkschaft organisiert. Nach Massenentlassungen und erfolglosen Arbeitskämpfen schrumpfte diese Begeisterung jedoch schnell. Oftmals lag es daran, dass die Forderungen der Gewerkschaftsfunktionäre aus dem Westen an den Mitgliedern in den neuen Ländern vorbei ging.
Claus Weselsky, Gewerkschaftsvorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), weiß, was die Leute hier bewegt. Der gebürtige Sachse mischt heute in der überschaubaren Anzahl Ostdeutscher in Führungspositionen ganz vorn mit und weist immer wieder eines der größten deutschen Staatsunternehmen – die Deutsche Bahn AG – in seine Schranken. Bereits in der DDR für die Deutsche Reichsbahn als Schienenfahrzeugschlosser und später als Lokführer tätig, widmete Claus Weselsky sein Leben nach der Wende dem gewerkschaftlichen Engagement: Im Mai 1990 trat er in die gerade als erste freie Gewerkschaft wiedergegründete GDL ein und stieg schließlich bis an deren Spitze auf.
Sein rigoroses Vorgehen beschert dem Gewerkschaftsführer kein sehr positives mediales und öffentliches Echo: Er gilt als kämpferisch, rau und unangepasst – das liegt auch daran, dass er die Rekordmarken bisheriger Streiks um ein Vielfaches erhöhte und nicht nur die üblichen Streikziele wie Lohn- oder Arbeitszeitanpassungen einfordert, sondern auch strukturelle Veränderungen in den Fokus nimmt, um damit die Macht seiner Gewerkschaft zu festigen. Und Macht bedeutet für Weselsky vor allem auch Verantwortung.
Trotz allem: die Macht der Gewerkschaften im Osten ist gering. Gerade einmal 17 Prozent der Arbeitnehmer sind in einer Gewerkschaft organisiert.