Neustart nach der Krise Wie es nach Corona weitergeht - UBA-Chef sieht große Chance
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28. Dezember 2020, 15:03 Uhr
Corona hat unser gesamtes Leben im Griff. Aber mit dem neuen Jahr kommt hoffentlich irgendwann die Zeit nach Corona. Wie starten wir dann zurück in die Normalität? Und wie gehen wir mit anderen großen Themen wie etwa der Klima- und Umweltkrise um? Der neue Präsident des Umweltbundesamtes, Dirk Messner, sieht in der Corona-Krise auch eine große Chance für die Zukunft.
Es ist möglicherweise der meistzitierte Satz des Jahres. Bundesfinanzminister Olaf Scholz sagt ihn Anfang Juni – gegen Ende des ersten Lockdowns: "Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen." Für Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes (UBA) in Dessau, ist dieser Satz und das viele Geld, das er bedeutet, der Schlüssel dazu, dass nicht nur die Krise überwunden wird, sondern dass sich gleichzeitig große Zukunftschancen eröffnen: "Die G20-Länder geben 12 bis 20 Billionen US-Dollar aus, das ist das größte Konjunkturpaket der Menschheitsgeschichte. Wenn wir das jetzt in Richtung Klimaschutz investieren würden, dann könnte die Corona-Krise zu einem Sprungbrett zu mehr Nachhaltigkeit werden."
Nicht mehr Umwelt und Klima im Mittelpunkt
Dirk Messner hat im Januar sein Amt angetreten als neuer Präsident des Umweltbundesamtes. Als erstes musste er erleben, dass statt Umwelt- und Klimafragen plötzlich die Gesundheitspolitik im Mittelpunkt steht. Aber wenn die Corona-Krise überwunden ist, sollte der wirtschaftliche Neustart gleich auch ein Umstieg auf eine nachhaltige Wirtschaft sein, sagt der Umweltbundesamt-Präsident. Sein Argument: Auch wenn es paradox klingt, der Zeitpunkt war nie so günstig wie jetzt. Einfach, weil so viel Geld zur Krisenbewältigung bereitsteht.
Das viele Geld klug investieren
Nach Ansicht Messners müsse man das viele Geld, dass man jetzt in Konjunkturprogramme stecke – immerhin 110 Milliarden Euro in Deutschland und 750 Milliarden in Europa – klug in die Zukunft investierten, also klimaschutz- und nachhaltigkeitsorientiert: "Wir müssen einfach für unsere Gesundheit und für unsere Wirtschaft und für unsere Lebensqualität umweltverträgliches Wirtschaften nach vorn entwickeln. Das ist eine der großen Lehren dieser Doppelkrise aus Pandemie und Klimakrise."
Neuen Umgang mit Krisen lernen
Es ist ein Kraftakt und ein bisschen gegen die menschliche Natur. Denn die normale Reaktion wäre: Nach der Krise erstmal wieder auf die Beine kommen. Und erst wenn das geschafft ist, die langfristigen Dinge angehen. Der Umweltbundesamt-Präsident empfiehlt jedoch stattdessen: Mit Corona auch gleich den grundsätzlichen Umgang mit Krisen neu zu lernen. Indem wir künftig präventiv handeln: "Präventiv handeln heißt, Krisen nicht erst geschehen lassen, damit man dann etwas verändert." Stattdessen empfiehlt Messner, dort, "wo wir wissen, dass wir Krisenvermeidung betreiben müssten, um in Zukunft Krisensituationen auszuschließen, da sollten wir jetzt früher handeln, beim Klimaschutz geht das auf alle Fälle".
Klimaschutz und Wirtschaft gehen zusammen
Das Konzept, das er vorschlägt, hat eine einfache Grundidee: Klimaschutz und Wirtschaft gehen zusammen. Es seien überholte und nicht mehr zeitgemäße Vorstellungen, dass Umwelt- und Klimaschutz nur Geld kosten und die Wirtschaft bremsen, erklärt Messner: "Wir können ja gut zeigen, dass Investitionen in Klima- und Umweltschutz zugleich viel Beschäftigung mobilisieren. Wenn Sie z. B. die energetische Sanierung von Gebäuden nehmen, das ist ein wichtiger Bereich für den Klimaschutz, der ist sehr arbeitsintensiv, da gibt es andere Bereiche, die ähnlich gut auf die Beschäftigung wirken."
Wirtschaft nicht mehr Gegner
Dirk Messner sieht drei wesentliche Bereiche, wo mit dem Neustart nach Corona auch ein wirtschaftlicher Neustart kommen müsse: Der Energiebereich, wo die erneuerbaren Energien konsequent ausgebaut werden müssen, die energetische Gebäudesanierung und der Verkehr, der vollständig auf E-Mobilität gehen muss. Die Wirtschaft ist für den Umweltbundesamt-Präsidenten dabei nicht mehr Gegner sondern Partner: "Ich sehe vor allem, dass in der Diskussion um die Wiederbelebung der Wirtschaft Umweltschutz nicht als Belastung, sondern als Zukunftskonzept gesehen wird. Das sind die neuen Geschäftsmodelle der Zukunft, die auch für Unternehmen immer interessanter werden, und das ist eine wichtige Veränderung."
Weltweite Überwindung der Corona-Krise
Für einen wirklich gelingenden Neustart nach Corona muss nach Ansicht von Messner allerdings noch etwas geschehen. Alle Anstrengungen hierzulande brächten nur dann dauerhaft Erfolg, wenn der Blick gleichzeitig auf die weltweite Überwindung der Corona-Krise gehe: "In der Pandemie nehmen die Hungerzahlen in der Welt wieder zu. Die absolute Armut nimmt wieder zu. Was wir nicht gut machen, ist: Wir vergessen die Entwicklungs- und die Schwellenländer. Wir konzentrieren uns sehr stark auf Deutschland und Europa und haben keinen Blick darauf, dass Armutszahlen anderswo steigen. Da muss man gegensteuern, denn wir müssen diese Länder dabei unterstützen, sowohl die Armut zu bekämpfen, als dann auch den Umbau Richtung Nachhaltigkeit mitmachen zu können. Klimaschutz funktioniert nur global."
Auch hier ist es wieder das präventive Handeln, zu dem Dirk Messner aufruft: Nicht erst neue Krisen entstehen lassen, sondern gleich gegensteuern. Wenn wir heute bei Corona weltweit zusammenarbeiten, kann das eine Grundlage sein für künftige erfolgreiche Zusammenarbeit z.B. in der Klimakrise. Corona ist eine riesige Herausforderung. Aber es kann eine wertvolle Erfahrung werden, wie wir Krisen für das Finden von neuen Wegen nutzen.