Auspuff mit Abgasen eines Verbrennungsmotors
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Luftverschmutzung WHO empfiehlt schärfere Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide

22. September 2021, 15:00 Uhr

Mitteldeutschlands Städte haben in den vergangenen Jahren ihre Luftqualität stark verbessert. Neue Grenzwerte der WHO könnten die Latte nun höher hängen. Langfristig können Dieselautos aus den Zentren verbannt werden.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt künftig deutlich schärfere Grenzwerte für die Belastung der Luft mit Stickoxiden und Feinstaub. Am Mittwoch (22.09.) hat die für Gesundheit zuständige Unterorganisation der Vereinten Nationen (UN) die entsprechenden Richtlinien veröffentlicht. Galten bisher maximal 40 Mikrogramm Stickoxide (NO2) pro Kubikmeter Luft noch als guter Wert, sinkt diese Grenze nun auf 10 Mikrogramm ab. Bei ultrafeinem Feinstaub der Korngröße PM2.5 werden künftig maximal 5 statt bisher 10 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft empfohlen. Bei den etwas gröberen PM10 Stäuben sinkt die Grenze von 20 auf 15 Mikrogramm.

Mitteldeutschland: Viele Städte würden schärfere Grenzwerte überschreiten

Die Grenzwerte haben zwar reinen Empfehlungscharakter und sind nicht rechtlich bindend. Die Europäische Union hat sich bisher aber häufig an der WHO orientiert. Werden die in der EU geltenden Normen für die Luftqualität auch verschärft, hätte das zur Folge, dass an vielen Messstationen in Deutschland wieder Grenzwertüberschreitungen festgestellt würden. Nahezu alle in Mitteldeutschland gemessenen Werte liegen über den neuen Grenzen. Wissenschaftler betonen allerdings, dass die Verschärfung der Grenzwerte der richtige Schritt sei und verweisen auf die Erfolge der vergangenen Jahre.

So hätten sich im Zuge der Debatte über die Luftverschmutzung mit Feinstaub und Stickoxiden fast überall in Deutschland die Messwerte verbessert. Beispielsweise an der verkehrsreichen Messstation Lützner Straße in Leipzig sankt die Belastung von 56 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahr 2003 auf 34 Mikrogramm im Vorpandemie-Jahr 2019. Im Jahr 2020 lag dieser Wert mit 28 Mikrogramm noch niedriger, doch das dürfte teilweise den Auswirkungen des Corona-Lockdowns geschuldet sein. Leipzig hatte 2018 als einzige Stadt in Sachsen die zulässigen Grenzwerte überschritten.

Grenzwerte haben Verbesserungen der Luftqualität gebracht

Die Daten des Umweltbundesamtes zeigen allerdings auch an allen anderen Messstationen der drei mitteldeutschen Bundesländer positive Entwicklungen. Beim PM2.5 Feinstaub liegen die Werte an allen Stationen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen inzwischen unter 10 Mikrogramm und auch beim größeren PM10 wurde der Grenzwert von 20 Mikrogramm überall eingehalten.

Wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen, dass dadurch bereits die Gesundheit der Bevölkerung verbessert werden konnte. Viele Menschen würden von noch weniger Feinstaub und Stickoxiden profitieren, aber auch von weniger Ozon, Schwefeldioxid und Kohlenmonoxid. Auch zu diesen drei (im Fall von Ozon nur in Bodennähe) schädlichen Gasen macht die neue WHO-Leitlinie Aussagen. So werden Zwischenziele bei der Absenkung empfohlen.

Luftreinhaltung ist günstiger als für die Heilung von Folgekrankheiten

Hartmut Herrmann, Abteilungsleiter am Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) in Leipzig sieht die neuen Grenzwerte als großen Schritt in die richtige Richtung, da er bei den neuen WHO-Empfehlungen nur mit kleineren Verschärfungen gerechnet hatte.

Ich hätte tatsächlich nicht so starke Reduzierungen der Richtwerte erwartet, bin aber positiv überrascht.

Dr. Hartmut Herrmann, Leiter der Abteilung Chemie der Atmosphäre, TROPOS Leipzig

So habe die Erfahrung gezeigt, dass scharfe Grenzwerte deutliche Fortschritte gebracht hätten. "Die neuen Werte sollten uns vor der Einschätzung 'mission completed' in Deutschland und Europa schützen. Neuere Modellierungen zeigen eine erhebliche Exzess-Mortalität und Morbidität in Europa, die klar auf die einzelnen Komponenten der Luftverschmutzung zurückzuführen sind", so Herrmann. Die Reinhaltung der Luft sei weiterhin eine wichtige Mission für die Gesellschaft.

Aus Sicht von Barbara Hoffmann, Umweltepidemiologin an der Universität Düsseldorf, machen die neuen Leitlinien deutlich, dass es keine ungefährliche Luftbelastung gebe. "Auch ein bisschen Luftverschmutzung ist schlecht für den Körper, wenn sie jeden Tag, Jahr für Jahr eingeatmet wird. Sie muss überall verringert werden, auch dort, wo sie schon relativ niedrig ist. Das lohnt sich auch finanziell, denn die Krankheitskosten, die durch Luftverschmutzung entstehen, sind höher als die Kosten für Luftreinhaltung."

Dieselfahrzeuge könnten langfristig aus Innenstädten verbannt werden

Professor Alfred Wiedensohler, führender Wissenschaftler für das Thema Aerosole und Feinstäube am TROPOS in Leipzig, zeigt sich allerdings teilweise enttäuscht von den neuen Empfehlungen. So habe sich die WHO nicht getraut, Grenzwerte für ultrafeine Stäube festzulegen. "Die wissenschaftliche Community hätte zumindest den schwarzen beziehungsweise elementaren Kohlenstoff (BC/EC) als gesundheitsrelevanten Teil von Feinstaub PM2.5 erwartet." Allerdings würde empfohlen, diese Stoffe künftig in die Messungen aufzunehmen. "Das ist zumindest eine Empfehlung in die richtige Richtung", so Wiedensohler.

Die Europäische Union plant im kommenden Jahr 2022 eine Überarbeitung ihrer Leitlinien. Das wäre aus Sicht von Tamara Schikowski, ebenfalls Epidemiologin an der Universität Düsseldorf, eine gute Gelegenheit, die neuen Grenzwerte der WHO verbindlich vorzuschreiben. "In Bezug auf die starke Absenkung von NO2 in den neuen WHO-Richtlinien, gehe ich davon aus, dass auch die EU ihre Grenzwerte drastisch reduzieren wird. Es zeichnet sich schon jetzt in vielen Städten – wie Paris und London – und Ländern ein Umdenken in Bezug auf Dieselfahrzeuge in Innenstädten ab, die als Hauptverursacher von NO2 gelten."

(ens/smc)

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