Gewusst? Wesen des Jahres 2022: Wechselkröte, Wiedehopf und Weiße Elster
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17. Januar 2022, 11:56 Uhr
Wesen des Jahres? Das sind Tiere, Pflanzen, Regionen, die Aufmerksamkeit brauchen, weil manche sonst, salopp gesagt, über kurz oder lang den Bach runtergehen. Die Auszeichnung hilft dabei, für die Natur und ihre Zusammenhänge zu sensibilisieren.
Vogel des Jahres: Der Wiedehopf
Der Punk unter den einheimischen Vögeln frisst gern Käfer, Grillen, Heuschrecken, beziehungsweise deren Larven, sowie Schmetterlingsraupen, Spinnen oder Eidechsen. All das wandert in den langen, dünnen, gebogenen Schnabel der Wiedehopfe.
Nur wie geht das, möchte man fragen, so ein langer spitzer Schnabel und dann so dicke Insekten? Alles eine Frage der Technik, weiß Thomas Peter vom Brehmhaus Renthendorf: Der Wiedehopf stochert seine Beute mit dem langen spitzen Pinzettenschnabel aus dem sandigen Boden, wirft sie kurz in die Luft, fängt und verspeist sie dann bei weit geöffnetem Schnabel.
Wiedehopfe leben am liebsten in halboffenen bis offenen Landschaften. Hier gibt es nämlich Höhlen am Boden oder alte Baumhöhlen, in denen sie brüten können und wo der Bodenbewuchs nicht zu dicht ist, um Insekten jagen. Das ist in Deutschland kaum noch der Fall, was auch erklärt, warum es im ganzen Land nur etwa 800 Brutpaare gibt. Wer in Sachsen oder Brandenburg in den Bergbaufolgelandschaften der Lausitz unterwegs ist, hat ihn vielleicht schon mal gesehen oder gehört. Oder am Kaiserstuhl in Baden-Württemberg und in Rheinhessen. Sein Ruf ist nämlich unverwechselbar, ein dreifaches "Huup, huup, huup". Was sich auch in seinem lateinischen Namen wiederspiegelt, unter Vogelkundlern ist der Wiedehopf als upupa epopos bekannt. Hier lesen Sie noch mehr über den bunten Langschnabel.
Lurch des Jahres: Die Wechselkröte
Sie gilt als stark gefährdet und ist extrem selten, nur nicht auf den Listen der gefährdeten Arten. Da ist sie in allen Bundesländern überall vertreten, entweder als gefährdet, extrem gefährdet oder gar ausgestorben: Die Wechselkröte. Aber wie kommt das eigentlich, hat die Kröte mit ihren grünen Flecken und den rötlichen Warzen, die ihre Grundfarbe je nach Licht, Temperatur oder Stimmung und Untergrund anpasst, besonders extravagante Wünsche an ihre Umgebung?
Eigentlich nicht viel, es reichen Wasser, um den Laich abzulegen, sandige Böden, um sich einzugraben und Insekten, um satt zu werden. Da der Mensch seit geraumer Zeit die Natur so formt, wie er sie braucht, hat sich die Wechselkröte an veränderte Landschaften angepasst, quasi als Kulturfolger des Menschen, sie kommt nun auch in Abgrabungen und Abbauflächen zurecht. Dumm nur, wenn der Mensch nach getaner Arbeit dann die Sand- und Kiesgruben wieder auffüllt und -forstet.
Zu schaffen machen der Wechselkröte, wie anderen Amphibien auch, die Einträge von Düngemitteln und Insektiziden, die mit dem Regen von den Feldern in die Gewässer gespült werden. Dadurch, dass viele Ökosysteme von Straßen durchschnitten sind, schaffen es die Kröten oft nicht lebendig von einem Teich zum nächsten.
Von anderen Kröten unterscheidet sich die Wechselkröte durch ihren Gesang: Wenn die Männchen rufen, zirpen sie sehr melodisch und erinnern dabei an Maulwurfsgrillen.
Heilpflanze des Jahres: Die Brennnessel
Echt jetzt, rufen diejenigen, denen sich eine handfeste Begegnung mit der Brennnessel ins Schmerzgedächtnis gebrannt hat. Heilpflanze des Jahres 2022 ist genau diese grüne Pflanze mit den winzigen Brennhärchen, die sich oft selbst in die Garten einlädt und fröhlich in die Höhe und Breite wuchert, wenn der Mensch nicht eingreift. Wir sollten (nicht nur 2022) statt ans lästige Brennen lieber an die guten Seiten der Pflanze denken, egal, wie biestig sie auf den ersten Griff daher kommt: Sie ist nämlich ungeheuer vielseitig. Die Nessel enthält zum einen Karotinoide, Kalium, Kalzium, Eisen und Chlorophyll und insgesamt mehr Vitamine als ein Blattsalat. Die Samen sind essbar und gelten in vielen Kulturen als Aphrodisiakum. Alle Pflanzenteile der Brennnessel bis hin zur Wurzel werden therapeutisch genutzt, sie gilt beispielsweise als leicht harntreibend und entzündungshemmend. Auch schmerzstillende, durchblutungsfördernde und immunmodulierende Wirkungen werden beobachtet, außerdem gibt es Studien, die die Wirksamkeit der Brennnesselwurzeln bei Prostatabeschwerden erforschen und bei Schweißausbrüchen bei Frauen in den Wechseljahren.
Das brennende Gefühl und die rötlichen Quaddeln verdanken wir übrigens einem Mix aus Histaminen, Ameisensäure und Acetylcholin, das unsere Haut bei der Berührung mit den Brennhärchen fies reizt. Trotzdem landet die Nessel auch auf manchem Esstisch: Wie das, ohne sich zu stechen? Indem man die Härchen vor dem Verarbeiten in einer Tüte zum Beispiel plattwalzt. Danach steht dem Weiterverarbeiten im Salat, als Suppe, paniertes Gemüse, Smoothie oder Eierkuchenfüllung kein Härchen mehr im Weg.
Aber nicht nur als Heilpflanze, auch als Kleidung kann die Brennessel verarbeitet werden. Brennnesseln galten über Jahrhunderte auch als "Leinen der armen Leute". Aus den winterharten, ausgetrockneten Stielen der Pflanze lassen sich Fasern gewinnen, aus denen sich nach mehreren Verarbeitungsschritten Garn für Kleidung und Taschen herstellen lässt. Außerdem waren Brennnesseln auch einmal Grundstoff für Papierherstellung.
Insekten und Vögel wissen das vermeintliche "Unkraut" übrigens auch zu schätzen, Tagpfauenauge, Kleiner Fuchs und Admiral legen auf der Brennnessel ihre Eier ab. Die Raupen der Schmetterlinge ernähren sich nämlich von ihren Blättern.
Baum des Jahres: Die Rotbuche
Die Rotbuche, ist die so selten, dass man sich die näher anschauen sollte, bevor man sie nicht mehr sieht? Nein, der Grund dafür, dass dieser Allerweltsbaum, den wir in Parks, alleinstehend oder in Alleen finden, Baum des Jahres 2022 ist, ist ein anderer: Es ist die Anpassungsfähigkeit von Fagus sylvatica, wie Andreas Roloff, Professor für Forstbotanik an der TU Dresden und Mitglied im Kuratorium Baum des Jahres sagt. Ihm zufolge zeigen sich zwar Schäden durch klimatische Veränderungen und extreme Wetterereignisse deutlich an alten Rotbuchen.
Aktuelle Untersuchungen zeigen demnach aber auch, dass Jungbäume anfangen, sich an die Herausforderungen des Klimawandels anzupassen. Auch der Leiter des Nationalparks Hainich in Thüringen, Manfred Grossmann, schildert, was die Rotbuche so einzigartig macht: "Die Buche hat mehrere Eigenschaften, die sie so konkurrenzstark macht. Ihr größter Vorteil ist sicherlich, dass sie extrem schattenverträglich ist. Sie kann über Jahrzehnte im Schatten alter Bäume ausharren – in der Zeit sind andere Bäume längst verkümmert, und wenn sich dann eine Lücke auftut, geht das Rennen nach oben und das Rennen macht die Buche."
Das gilt vor allem für dichte Bestände auf fruchtbarem Boden. Doch weil diese Baumart so viele unterschiedliche Standorte besiedeln kann, hat sie auch unterschiedliche Erscheinungsformen, berichtet Großmann: "Sie kann auch an Felsstandorten oder an der Küste krüppelige Formen annehmen, sie wächst bis an die Waldgrenze und nimmt dann buschartige Formen an. Im Nationalpark Kellerwald wird sie nur fünf bis sechs Meter hoch."
In Deutschland ist sie der häufigste Laubbaum überhaupt, seine Verbreitung geht weit über unsere Grenzen hinaus. Das Verbreitungsgebiet der Rot-, oder auch Waldbuche reicht von Südengland über Frankreich über ganz Mitteleuropa bis zur Westukraine. Und noch weiter geschaut, von Südskandinavien bis Zentralspanien über Korsika und Italien bis zur Balkanhalbinsel.
Übrigens hatten wir alle sie vermutlich schon mal im Mund: Aus dem Holz der Rotbuche werden viele Alltagsgegenstände gemacht, zum Beispiel die Stäbchen aus dem Stieleis.
Fluss des Jahres: Weiße Elster
Eigentlich muss es heißen: Flusslandschaft des Jahres. Die Auszeichnung wird alle zwei Jahre vergeben, und dahinter stecken Bundesumweltministerium, Naturfreunde Deutschlands und der Deutsche Anglerverband.
Für 2022 fiel die Wahl auf die Weiße Elster und damit auf den wichtigsten Fluss Mitteldeutschlands. Sie hat nichts mit dem Rabenvogel zu tun, ihr Name hat ihren Ursprung im Slawischen "Alstrawa" für "die Eilende", was sich zu Elster weiterentwickelte. Der Fluss entspringt im Elstergebirge im Westerzgebirge, schlängelt sich durch Thüringen, wandert heute durch die vom Menschen geformte, stark veränderte Flusslandschaft in die der Leipziger Tieflandsbucht und mündet schließlich im Süden von Halle in die Saale. Einst ein hübsches, wild mäanderndes Flüsschen, mit verschiedensten Flora- und Fauna-Habitaten. Regional wachsen Orchideen an ihren Ufern, an denen auch Biber, Fischotter, Mops- und Graue Mausohrfledermaus zu Hause waren, genau wie Rotbauchunke und Nördlicher Kammmolch.
Früher war sie auch Heimat der Flussperlmuschel. Heute ist sie ein Fluss, der stark vom Menschen geprägt und verformt wurde.
Pilz des Jahres: Fliegenpilz
Glückspilz und Giftpilz gleichzeitig: Das ist Amanita Muscaria, der rote Fliegenpilz, Pilz des Jahres 2022. So appetitlich er auch aussieht, so unappetitlich sind seine Nebenwirkungen:
Auf den Verzehr folgen geweitete Pupillen, rasender Puls, Krämpfe und zentralnervöse Störungen. In sibirischen Schamanenkulten machte man sich die Inhaltsstoffe des rotkappigen Waldbewohners zunutze. Beim Trocknen entsteht Ibotensäure. Die Folge: "Sinnestäuschungen, stark verzerrte Realität und selten auch Tobsuchtsanfälle. Zugleich verursachen das Muscarin und die Ibotensäure Erbrechen und einen heftigen Kater", verdeutlichen die Experten der deutschen Gesellschaft für Mykologie e.V. die Nebenwirkungen des Pilzes. Rentiere berauschen sich demnach gern am Fliegenpilz. Allerdings ist es nicht primäre Aufgabe des Fliegenpilzes, Rentiere zu berauschen. Der Pilz ist vielmehr ein wichtiger Symbiosepartner für Laub- und Nadelbäume, mit denen er über die Wurzeln, die seine Fäden umgarnen, Tauschhandel treibt: Der Pilz liefert so Wasser und Nährstoffe, die Baumwurzeln revanchieren sich mit Zuckerverbindungen, die Fliegenpilze wiederum nicht herstellen können.
Wildbiene des Jahres: Mai-Langhornbiene
Eucera nigrescens: So heißt sie unter Fachleuten, oder eben Mai-Langhornbiene. Wobei sie keine Hörner hat, aber die Männchen (für Bienen) extrem lange Antennen, an denen man sie gut erkennt. Ansonsten ist sie pelzig behaart, ein bisschen größer als Apis Mellifera, die "klassische" Honigbiene in unseren Bienenstöcken.
In Sachen Ernährung ist sie eine Spezialistin, sie fliegt vor allem auf Lippenblütler. Wer eine Kräuterspirale im Garten hat, oder Kräuter auf dem Balkon wie Zitronenmelisse, Rosmarin, Katzenminze, Salbei, Thymian oder Lavendel hat damit gute Chancen der Biene mit den langen "Hörnern" zu begegnen. Jedenfalls, wenn er nicht grade in Sachsen wohnt, da gilt Eucera nigrenscens bereits als vom Aussterben bedroht, in Berlin ist sie es wohl schon, in NRW gilt sie als gefährdet.
In der Natur findet man sie an Wegrändern und Waldsäumen, gern fliegt sie auch Zaun-Wicken an, die viele Freizeitgärtner routiniert als "lästiges Unkraut" ausrupfen. Obwohl die Wicke den Bienen des Jahres 2022 (und nicht nur denen) über Wochen Nektar und Pollen bietet. Für ihre Nester braucht die Mai-Langhornbiene vegetationsfreie oder nur spärlich bewachsene Stellen auf ebenen Flächen oder Böschungen, vor allem wenn der Boden schön lehmig ist oder sandig, gräbt sie sich gern ihr Zuhause.
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