Covid-19 Wer kann mir bei Long-Covid weiterhelfen? Patientenleitlinie gibt Antworten
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08. Oktober 2021, 19:00 Uhr
Weit über 100.000 Menschen in Deutschland erleben lang nach ihrer Covid-19 noch immer rätselhafte Symptome. Eine neue Patientenleitlinie von Lungenfachärzten soll ihnen nun Orientierung geben.
Wenn eine Covid-19 scheinbar nicht mehr endet: Halten Symptome länger als vier Wochen nach der ursprünglichen Infektion noch an, sprechen Mediziner von einer Long-Covid. Erleben Betroffene dagegen nach über drei Monaten noch Symptome, dann ist von Post-Covid die Rede. Dieser Horror ist für zwei bis fünf Prozent aller Infizierten Realität. In Deutschland gibt es zwischen 100.000 und 200.000 Betroffene mit dieser Diagnose. Die meisten von ihnen sind Frauen im Alter zwischen 30 und 50 Jahren.
Long-Covid-Patienten auf der Suche nach Behandlung oft orientierungslos
Monate nachdem die eigentliche Infektion vorbei ist, leiden sie immer noch an Symptomen wie Atembeschwerden, Erschöpfungszuständen (Fatigue) oder neurologischen Problemen wie Geruchsverlust, Kopfschmerzen und Konzentrationsschwierigkeiten. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie hat nun eine Patientenleitlinie herausgegeben, die Betroffenen Orientierung geben soll.
"Die Leitlinie soll Patienten die Möglichkeit geben, ihre Symptome schon vor dem Arztbesuch einzuordnen", sagt Torsten Bauer, Chefarzt für Pneumologie am HELIOS Klinikum Emil von Behring in Berlin. Das soll helfen, die oftmals komplizierte Frage zu beantworten, wer bei anhaltenden Post-Covid-Beschwerden am besten weiterhelfen kann. "Wir sehen, dass die Patienten nach durchgemachter Infektion häufig durch das Gesundheitssystem mäandern und nicht wissen, an wen sie sich wenden sollen", sagt Christian Taube, Direktor der Klinik für Pneumologie an der Essener Universitätsmedizin.
Federführender Arzt selbst von Post-Covid betroffen
Genesene Covid-Patienten mit anhaltendem Geruchsverlust werden von ihren mitunter ratlosen Hausärzten zu einer Lungenärztin geschickt, dabei könnte eine Neurologin wahrscheinlich besser helfen. "Hier kann mir die Leitlinie Tipps geben, wer die richtigen Ansprechpartner sind", sagt Taube.
Christian Gogoll war federführender Koordinator der Leitlinie. Der Oberarzt an der Evangelischen Lungenklinik in Berlin-Buch weiß sehr genau, wovon er spricht, denn er ist selbst betroffen. Infiziert hatte er sich im Januar 2021. "Ich habe jeden Tag noch neue Beschwerden", konstatiert er ein dreiviertel Jahr später. Erlebt hat er mitunter heftiges Herzrasen und Schwindelanfälle. Die rund 70 Long-Covid-Ambulanzen an Universitätskliniken und Krankenhäusern in Deutschland hält er für zu wenig. "Es müsste mehr Haus- und Facharztnetzwerke zum Thema geben", sagt er.
Bindegewebe heilt nur sehr langsam
Was genau die Beschwerden auslöst, ist immer noch nicht völlig klar. Klar ist nur: Die Schwere der Infektion sagt nichts darüber aus, ob es zu Long- oder Postcovid kommt. Beides kann auch bei sehr milden Verläufen eintreten. Verschiedene Erklärungsansätze stehen nebeneinander, möglicherweise treffen auch mehrere von ihnen zu. Die Forscher vermuten einerseits, dass das Virus in bestimmten Geweben nicht richtig bekämpft werden kann und dann aktiv bleibt.
Daneben können es auch durch das Virus verursachte Schäden sein, die einfach sehr lange brauchen, bis sie ausgeheilt sind. Das könne beispielsweise bei der Lunge der Fall sein. "Die Lunge besteht aus viel Bindegewebe und das ist wie bei der Ohrmuschel nur schlecht durchblutet. Das bedeutet, die Lunge heilt sehr, sehr langsam", sagt der Facharzt Torsten Bauer. Es könne hier helfen, Tagebuch über die Beschwerden zu führen. Das könne den möglicherweise sehr langsam verlaufenden Heilungsprozess besser sichtbar machen, empfiehlt er Betroffenen.
Covid-19 könnte zu Autoimmunkrankheit führen
Eine weitere Hypothese lautet, dass es fehlgesteuerte Reaktionen des Immunsystems sind, die die Post-Covid-Symptome verursachen. Eine bei der Infektion zu spät angelaufene Entzündungsreaktion könne sich zur Autoimmunkrankheit weiterentwickelt haben, vermuten einige Mediziner.
Erweist sich diese Hypothese als richtig, dann ist das eine schlechte Nachricht für diejenigen, die gehofft haben, eine Impfung nach durchgemachter Infektion würde ihre Beschwerden lindern. "Wer Post-Covid abwenden will, sollte sich rechtzeitig vor einer Infektion impfen", rät Gogoll. Kommt es später trotz Impfung zu einer Durchbruchsinfektion, sei eine Post-Covid sehr unwahrscheinlich, wenn die Autoimmunhypothese zutreffe, sagt Torsten Bauer. Denn der Grund sei dann wahrscheinlich die sehr spät beginnende Reaktion des Immunsystems, die bei Ungeimpften erst nach acht bis zehn Tagen beginne. "Bei Geimpften dauert das nur zwei bis drei Tage", sagt Bauer. Dadurch können viele Schäden verhindert werden.
(ens)
Zur Leitlinie
- Leitlinie “Long-/Post-COVID-Syndrom" für Betroffene, Angehörige, nahestehende und pflegende Personen, Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin
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