Oh Tannenbaum... Wieviel Wind verträgt der Weihnachtsbaum?
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10. Dezember 2019, 11:23 Uhr
Ein Weihnachtsmarkt ohne Tanne? Undenkbar. Und je höher, um so schöner. Aber wieviel Wind vertragen Weihnachtsbäume tatsächlich? Dank einer Untersuchung der FH wissen wir: Die Bäume kippen schneller als gedacht.
Leipzig hat dieses Jahr eine 20 Meter hohe Fichte auf dem Marktplatz stehen, die in Halle ist 14 Meter hoch und Erfurt hat sich nach den Schlagzeilen von 2018 um "Rupfi", die 27 Meter hohe recht eigenwillig aussehende Rotfichte, eine Weißtanne gesetzt: 22 Meter hoch, genannt "Martin" nach ihrer Herkunft aus dem Martinfeld im Eichsfeld. Dem Umweltbundesamt zufolge werden jedes Jahr 30 Millionen Bäume in der Vorweihnachtszeit gefällt und verbreiten zum Jahresende weihnachtliche Stimmung in Stadtzentren, Vorgärten oder Wohnzimmern. Wenn sie nicht geklaut werden wie in Dresden. Damit die Stimmung nicht kippt, selbst wenn einmal ein heftiger Wind weht, müssen alle Bäume gut befestigt sein. Nur, was bedeutet eigentlich "gut befestigt"?
Die Nordmanntanne im Windkanal
Wissenschaftler in Aachen haben das untersucht. "Es gibt in der wissenschaftlichen Literatur nur wenig Angaben zum Thema", weiß Achim Bosten, ein Statiker aus Aachen. Er hat zusammen mit Experten des Fachbereichs Luft- und Raumfahrttechnik der Fachhochschule Aachen im vergangenen Jahr untersucht, wie stark eine Verankerung für einen Baum eigentlich sein muss. Die Ergebnisse der Tests im Luftkanal überraschten auch die Wissenschaftler, die den Windkanal normalerweise für Luft- und Raumfahrttechnik, Automobil- und Motorradtechnik benutzen und zum ersten Mal überhaupt eine Nordmanntanne in den künstlichen Wind stellten: 1,40 Meter groß und mit Klarlack besprüht, damit der Baum auch bei Starkwind nicht nadelt.
Diplom-Ingenieur Guido Müller sagte im Gespräch mit MDR Wissen: "Vielleicht hat es der eine oder andere schon gesehen, wenn Autos in einem Windkanal getestet werden. Und den Windkanal, den kann man steuern und der ist hochgefahren worden – bis zu einer Geschwindigkeit von 85 km/h – was dann schon ordentlicher Sturm ist. Und wir haben dabei geguckt, welche Kräfte dabei auf den Baum einwirken, damit man über den Wert, den man daraus ermitteln kann, das auch für größere Bäume hochrechnen kann und dann genau sagen kann, wie das Fundament zu bemessen ist."
Das Testergebnis mit dem 1,40 hohen Bäumchen überraschte selbst die Forscher:
Die Kraft, die auf diesen Baum einwirkt, ist ähnlich wie die Kraft, die auf einen Lkw einwirkt, der auf der Autobahn fährt.
Im Klartext: Schon Windböen um die 80 km/h werden einem freistehenden Baum gefährlich. Was bedeutet das wiederum für unsere Weihnachtsmärkte? Bei vielen Weihnachtsbäumen, die auf einem Platz aufgestellt werden, ist nicht sicher, ob sie einem Sturm standhalten würden. Um einen zehn Meter hohen Baum auf dem Weihnachtsmarkt zu sichern, braucht es zwischen zehn und zwölf Tonnen Gewicht - und das ist weit mehr als bisher angenommen.
Es wird Bäume geben, die sind ausreichend beschwert. Es wird aber sicherlich auch Bäume geben, die nicht ausreichend beschwert waren und wo schon immer die Gefahr bestand, dass sie bei einem größeren Windereignis umfallen.
Wie zum Beispiel 2015 in Erfurt auf dem Weihnachtsmarkt. Die 28 Meter hohe Tanne fiel nach einem Sturmtief um — zum Glück vor Eröffnung des Weihnachtsmarktes, so dass niemand zu Schaden kam. Die Stadt hat aus dem sprichwörtlichen Fall gelernt, dem Marktamt zufolge ist der Weihnachtsbaum nun in eine Hülse in den Boden eingelassen, ebenso wie in Leipzig, Dresden und Halle. In großen Städten sind Marktbesucher offenbar auf der sicheren Seite, denn diese Art der Befestigung macht einen gewaltigen Unterschied:
Wenn der Baum im Boden versenkt ist, ist er ja relativ vergleichbar mit dem Baum, der in der Natur steht, der sich mit den Wurzeln festhängt und dann natürlich über den Stamm einen deutlich höheren Wert abkann.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 21. November 2017 | 09:20 Uhr