Thema Zeit Was ist die Jetzt-Zeit?
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02. Januar 2020, 05:00 Uhr
Zeit kennt eine Vergangenheit und eine Zukunft. Doch es gibt auch die Gegenwart - also das Jetzt. Doch was genau ist das Jetzt? Fest steht: Das Jetzt ist ein Phänomen, mit dem sich die Wissenschaft schwer tut.
Hasta La Vista, Baby. Schau mir in die Augen, Kleines. Mein Name ist Bond, James Bond. JETZT ist es soweit und ich verrate Ihnen, was diese drei Filmzitate gemeinsam haben. Sie sind – alle – rund drei Sekunden lang und sind damit genau ein JETZT lang. Ja, Sie haben richtig gehört. Ein JETZT! Momentan gehen Hirnforscher davon aus, dass das, was wir als den einen Moment empfinden, rund zwei bis drei Sekunden lang ist.
Ja, und dieser eine Moment, das JETZT, das ist schon was Besonderes. Schließlich spielt sich unser gesamtes Leben darin ab. Mehr noch: diese vermaledeiten zwei bis drei Sekunden sind alles, was wir kennen, was wir haben. Alles andere ist Vergangenheit oder Zukunft. Egal wie sehr wir uns verbiegen, strecken, konzentrieren: Wir kommen aus diesem einen JETZT nicht raus. Wir stecken drin.
Das JETZT ist eine Illusion
Und JETZT kommt's. Physiker sagen: Dieses kleine Bisschen, das wir von der Realität haben - nennen wir es Gegenwart - ist eigentlich eine Illusion. Oder - wie Kernphysiker Steffen Turkat aus Dresden es formuliert: "Ein von Menschen konstruiertes Objekt, würde ich behaupten, also, das JETZT lässt sich in der Physik sehr schwer greifen."
Selbst Albert Einstein betonte einst: "Das JETZT sorgt mich ernstlich." Steffen Turkat teilt dieses Gefühl auch heute noch: "Das macht uns auch immer noch Sorgen. Weil das JETZT ziemlich schwer zu definieren ist."
Es ist nachvollziehbar, das Physiker mit dem JETZT nichts zu tun haben wollen, denn seit Einstein wissen wir: Zeit ist relativ. Sie kann mal schneller und mal langsamer ablaufen, je nachdem wo und wie schnell man im Universum unterwegs ist. Unter diesem Gesichtspunkt wird das JETZT - also die Gegenwart - plötzlich zum Paradox. Denn, bevor wir wussten, dass Zeit relativ ist, mussten wir ja davon ausgehen, dass ein Moment überall im Universum gleich schnell vergeht und Zeit etwas Universelles ist.
Keine universelle Definition des JETZT
Das aber ist Schnee von gestern, wie Quantenphysiker Herrmann Nicolai erklärt: "Einstein hat festgestellt: Das stimmt nicht. Auch das Phänomen der Gleichzeitigkeit hängt ab vom Beobachter. Also vom Bewegungszustand des Beobachters. Das heißt also in der speziellen Relativitätstheorie gibt es keine universelle Definition von JETZT."
Also - Physiker sagen: Das JETZT ist in der wahren Natur nicht zu finden, geht ja gar nicht, wenn Zeit nicht überall gleichschnell vergeht. Aber es lässt sich nicht leugnen: Wir stecken drin, in unserem persönlichen Zeitempfinden. Und das könnte einen existentiellen Grund haben, wie der Neurologe David Poeppel erklärt: "Es kann sein, dass Zeit erfunden ist, aber so oder so brauchen wir irgendeine Methode im Kopf, um die Welt, um die Erfahrungswelt oder die gedankliche Welt zeitlich einzuordnen und Sequenzen zu schaffen."
Nichts ist wie es scheint
Unser Gehirn, erklärt Poeppel, hat sich eine Methode einfallen lassen, wie wir überleben können, denn - halten Sie sich fest: Nichts ist wie es scheint! Wir Menschen haben ein Problem: Viele Reize, die von außen auf uns einwirken, passen erst einmal nicht zusammen. Lichtreize etwa erreichen uns viel früher als der Schall. Und noch etwas kommt hinzu. Erst ab einer bestimmten Frequenz können wir verschiedene Ereignisse und Reize überhaupt auseinander halten, so Poeppel: "Manche Sachen, kann man eben so gerade wahrnehmen. Die kleinsten Sachen, die man so ungefähr wahrnimmt und über die man explizit nachdenken kann, sind in einer Größenordnung einer fünftel Sekunde."
Heißt auf der anderen Seite, es gibt viele Ereignisse, die in unserem JETZT verschmolzen sind, die aber eigentlich gar nicht zusammen gehören. Klingt ziemlich kompliziert. Doch was soll das? Dazu Poeppel: "Das ist so ein bisschen wie im Film. Also man macht sozusagen, sei es beim Sehen oder beim Hören, oder beim Fühlen ganz kurze schnelle Aufnahmen und die werden dann aneinander gereiht. Also so wird das sozusagen implementiert, im Gehirn."
Gegenwart ist subjektiv
Also: Unser Gehirn bekommt ununterbrochen Rohmaterial über fünf Sinnesquellen auf die Festplatte rein und ein Chefcutter - also der Schnittmeister im Oberstübchen - schneidet daraus einen Film, der für uns Sinn ergibt. Und die einzelnen Szenen dauern je zwei bis drei Sekunden. Und genau die sind unsere Gegenwart. Und die ist ganz schön subjektiv. Aus der Perspektive einer Schnecke oder einer Eintagsfliege kommt wahrscheinlich ein ganz anderer Film heraus.
Damit ist es raus. Dieses verflixte JETZT, das scheint sich tatsächlich ausschließlich in unserem Kopf abzuspielen. Da sind sich Physiker und Hirnforscher einig: Und das etwa 1,3 Milliarden Mal im Leben - falls man es schafft, 100 Jahre alt zu werden.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR RADIO | 02. Januar 2020 | 07:10 Uhr
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