Luftaufnahme des Kraters des Schichtvulkans Rinjani auf der indonesischen Insel Lombok.
Der Vulkan Rinjani hatte im Jahr 1257 eine der stärksten Eruptionen des vergangenen Jahrtausends (Stärke 7). Bildrechte: Dr Mike Cassidy

Risiko eins zu sechs Wann bricht der Super-Vulkan aus?

18. August 2022, 16:11 Uhr

Ob Corona-Pandemie, Krieg oder Klimakrise: Es sind gerade schwierige Zeiten. Da können die wenigsten Menschen noch eine Horror-Nachricht verdauen und dennoch müssen britische Vulkanologen sie loswerden. Denn sie wollen jetzt warnen, damit die Menschheit sich auf dieses Szenario vorbereiten kann. Sie sagen: Das Risiko, dass in den nächsten hundert Jahren ein Super-Vulkan ausbrechen wird, steht bei eins zu sechs. Die Katastrophe ist also nur einen Würfelwurf entfernt.

Die Fachleute des Centre for the Study of Existential Risk (CSER) der University of Cambridge und der University of Birmingham sind ernsthaft besorgt. Sie fürchten, dass in nicht allzu ferner Zukunft ein Vulkan ausbrechen könnte, der das Leben auf dem ganzen Planeten beeinflussen wird – ein Super-Vulkan der Stufe 7, der zweithöchsten Stufe auf dem sogenannten Vulkanexplosivitätsindex. So ein massiver Ausbruch hätte Auswirkungen auf das Klima, die Lebensmittelproduktion und die globalen Lieferketten, schreiben sie in einem Kommentar im Fachmagazin Nature. Und die Menschheit sei auf so ein Ereignis "kläglich unzureichend vorbereitet".

Die Forschenden sagen, dass es ein "weit verbreitetes Missverständnis" gäbe, dass die Risiken großer Vulkanausbrüche gering seien. Deshalb mangele es an staatlichen Investitionen in die Überwachung und Vorbereitung auf potenzielle Vulkankatastrophen. Das sei "rücksichtslos". Sie fordern deshalb, dass Maßnahmen zum Schutz vor vulkanischer Verwüstung getroffen werden sollten – von besserer Überwachung, über öffentliche Aufklärung bis hin zur Manipulation von Magma.

Ausbruchsrisiko liegt bei 1 zu 6

Aber woher wissen die Fachleute, dass das Risiko eines Super-Vulkan-Ausbruchs hoch ist? "Daten, die aus Eisbohrkernen über die Häufigkeit von Eruptionen in der Tiefe gesammelt wurden, deuten darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit einer Explosion der Stärke 7 in den nächsten hundert Jahren eins zu sechs beträgt", sagt die CSER-Forscherin Lara Mani. "Das ist ein Würfelwurf."

Solche gigantischen Eruptionen haben in der fernen Vergangenheit einen abrupten Klimawandel und den Zusammenbruch von Zivilisationen verursacht.

Dr. Lara Mani

Und damit besteht eine reale Gefahr für unsere Zivilisation. Blickt man in die Geschichte, haben Ausbrüche von Super-Vulkanen unter anderem zu abrupten Klima-Veränderungen geführt, infolge derer zahllose Menschen gestorben sind. Mani vergleicht das Risiko eines riesigen Ausbruchs mit dem, dass ein Kilometer breiter Asteroid auf die Erde stürzt. Solche Ereignisse hätten ähnliche klimatische Folgen. Was aber zu wenig Menschen wüssten: Die Wahrscheinlichkeit für eine Vulkankatastrophe ist hundertmal höher als die Wahrscheinlichkeit für eine Asteroiden- oder Kometenkollision.

Luftaufnahme von Santorin
Die beliebte Urlaubs-Inselgruppe Santorin mit der typischen Caldera ist bei einem Ausbruch der Stufe 7 um 1.600 v. Chr. entstanden. Bildrechte: imago/JOKER

Und trotzdem, erklärt die Forscherin, würden jedes Jahr hunderte Millionen Dollar in Asteroidenbedrohungen gepumpt. "Aber es gibt einen ernsthaften Mangel an globaler Finanzierung und Koordination für die Vorbereitung auf Vulkane." Das müsse sich dringend ändern, denn das Risiko, das die Super-Vulkane für unsere Gesellschaften darstellen, werde weltweit völlig unterschätzt.

Tonga-Ausbruch sollte Warnung sein

Welche Kraft solche Super-Vulkane haben, davon konnte sich die Welt Anfang dieses Jahres ein Bild machen, als vor Tonga ein riesiger Unterwasservulkan ausgebrochen war und eine Druckwelle um die ganze Welt gesendet hatte. Es war der größte Ausbruch, der jemals aufgezeichnet wurde. Anschließend sagten Experten, dass die Auswirkungen "apokalyptisch" gewesen wären, hätte sich die Eruption des Vulkans an Land ereignet. Und das, obwohl er auf dem Vulkanexplosivitätsindex gerade einmal die Stufe fünf erreicht hat. Die Explosion hatte die Sprengkraft von etwa zehn Megatonnen TNT, was mehr als das 500-Fache der Atombombe ist, die auf Hiroshima geworfen wurde, und die Wolke hatte einen Durchmesser von 500 Kilometern. Kaum auszudenken also, wie groß die Explosion eines Super-Vulkans der Stufe sieben wäre.

Der Tonga-Ausbruch war das vulkanische Äquivalent eines Asteroiden, der die Erde knapp verfehlt, und muss als Weckruf behandelt werden.

Die Forschenden argumentieren in ihrem Artikel, wenn der Ausbruch des Hunga Tonga länger gedauert hätte, wären globale Schockwellen verheerend gewesen wären. Die Folgen wären umso dramatischer gewesen, wenn so ein Vulkan in einem Gebiet voller kritischer Infrastruktur – wie etwa dem Mittelmeer – aufgetreten wäre.

Tambora-Ausbruch 1815 erreichte Stufe 7

Wie häufig es zu großen Eruptionen kommt, lässt sich durch die Analyse von Spuren von Schwefelspitzen in alten Eisproben nachweisen, zitieren die CSER-Fachleute aktuelle Forschungsergebnisse. Demnach ereigne sich eine Eruption, die zehn- bis hundertmal größer ist als die Tonga-Explosion, alle 625 Jahre. Das sei doppelt so häufig wie lange angenommen.

Der letzte Vulkan-Ausbruch der Stufe sieben fand 1815 in Indonesien statt, erklärt Co-Autor und Vulkanforscher Mike Cassidy. Durch den Ausbruch des Tambora seien geschätzte 100.000 Menschen vor Ort gestorben. "Die globalen Temperaturen sanken im Durchschnitt um ein Grad, was zu Massenernteausfällen führte", erläutert Cassidy. Und das wiederum sorgte für gewalttätige Aufstände und Epidemien in dem Jahr. Es werde auch das "Jahr ohne Sommer" genannt, weil die Asche den Himmel verdunkelte und kaum mehr Sonnenlicht den Boden erreichte. Und das war im Jahr 1815. Seitdem hat die Welt sich verändert: "Wir leben jetzt in einer Welt mit einer achtmal so großen Bevölkerung und einem über Vierzigfachen Handelsvolumen", sagt Cassidy.

Unsere komplexen globalen Netzwerke könnten uns noch anfälliger für die Folgen einer großen Eruption machen.

Dr. Mike Cassidy

Was wäre also, wenn es jetzt einen solchen Vulkanausbruch geben würde? Die finanziellen Verluste würden mehrere Billionen betragen und in einem mit der Pandemie vergleichbaren Ausmaß liegen, sagen die Fachleute.

So können wir uns vorbereiten

Doch damit es im Fall der Fälle gar nicht erst dazu kommt, dass weltweite Hungersnöte ausbrechen und die Wirtschaft zusammenbricht, skizzieren Mani und Cassidy in ihrem Artikel mögliche Schritte, die helfen sollen, eine "planetenverändernde" Eruption vorherzusagen und zu bewältigen und den Schaden durch kleinere, häufigere Eruptionen zu mindern.

Lokalisierung

Zunächst müssten die Risiken genauer lokalisiert werden. So seien etwa nur eine Handvoll Orte der 97 Eruptionen bekannt, die in den letzten 60.000 Jahren auf dem "Volcano Explosivity Index" als groß eingestuft wurden. Das hieße, dass es weltweit Dutzende gefährlicher Vulkane gebe mit dem Potenzial für extreme Zerstörungen, von denen die Menschheit aber gar nichts wisse. "Möglicherweise wissen wir nicht einmal von relativ neuen Eruptionen, weil es an Forschung zu Meeres- und Seekernen mangelt", so Cassidy. "Insbesondere in vernachlässigten Regionen wie Südostasien."

Doch Vulkane könnten lange Zeit ruhen und dann ganz plötzlich wieder aktiv werden und zu außergewöhnlicher Zerstörung führen. Deshalb müsse die Überwachung verbessert werden, sagen die Fachleute. Nur bei 27 Prozent aller Vulkanausbrüche seit 1950 sei etwa ein Seismometer in der Nähe gewesen. "Vulkanologen fordern seit über zwanzig Jahren einen dedizierten Vulkanüberwachungssatelliten", sagt Mani. Bisher müsse man sich für schnelle Bilder auf die Großzügigkeit privater Satellitenunternehmen verlassen.

Lava und rötlich erleuchtete Rauchwolk steigen aus dem Vulkan Fagradalsfjallauf Island empor
Auf Island sind neue Vulkane nichts Besonderes. Aber wo auf der Welt schlummern noch Riesen? Bildrechte: IMAGO / imagebroker

Geoengineering

In Hinblick auf den Schutz vor der Riesen-Explosion fordern die Fachleute verstärkte Forschung zum Thema Geoengineering von Vulkanen – also das bewusste Beeinflussen ihrer Tätigkeit. Was klingt wie in einem Film, könnte aber den rettenden Unterschied machen: Hätte man Mittel, mit denen man etwa den Aerosolen entgegenwirken könnte, die durch einen massiven Ausbruch freigesetzt werden, könnte ein "vulkanischer Winter" womöglich verhindert werden. Außerdem sollte daran geforscht werden, wie die Magmataschen unter aktiven Vulkanen so manipuliert werden könnten, dass es keine extremen Ausbrüche gibt.

Die Risiken eines massiven Ausbruchs, der die globale Gesellschaft verwüstet, sind erheblich. Die derzeitige Unterinvestition in die Reaktion auf dieses Risiko ist einfach fahrlässig.

Dr. Lara Mani

Autorin Mani räumt selbst ein, dass es unvorstellbar scheinen mag, dass der Mensch das Verhalten von Vulkanen direkt beeinflussen kann. "Aber die Ablenkung von Asteroiden tat es bis zur Gründung des Nasa Planetary Defense Coordination Office im Jahr 2016 auch", sagt die Expertin. In jedem Fall müsse sich an der derzeitigen Situation schnell etwas ändern, denn aktuell würde viel zu wenig in die Reaktion auf dieses existenzielle Risiko investiert.

Link zum Fachartikel

Cassidy, Michael & Mani, Lara: Prepare now for big eruptions. In: Nature. Vol. 608. 18. August 2022.

(kie)

Gaswolke, von der Lava des ausbrechenden Vulkans beleuchtet 5 min
Bildrechte: picture alliance/dpa/AP | Marco Di Marco
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