Vogelerkennung Liefern Vogelstimmen-Apps sinnvolle Forschungsdaten?
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02. Mai 2021, 05:00 Uhr
Vogelstimmen erkennen, ein Kinderspiel für Handy-Apps: Aufnehmen, analysieren lassen und schon wissen wir, wer uns frühmorgens aus dem Schlaf gezwitschert hat. Lassen sich die so generierten Daten eigentlich für die Wissenschaft nutzen?
"Was zwitschert bei Dir so schön im Hintergrund, bist du im Wald?" fragt die Schwiegermutter am Telefon. Wenn ich's nur wüsste, hätte man früher gesagt. Heute sagt man: Moment, ich frag mal meine Vogelerkennungs-App. Die spuckt nach wenigen Sekunden aufgenommenen Vogelgesangs die Wahrheit aus: Es war die Lerche und nicht die Nachtigall. Vielleicht hören wir unsere Vögel tatsächlich besser dank der vielen Vogelstimmen-Erkennungs-Apps. Diese Vogelbestimmungs-Programme nutzen aber auch der Wissenschaft, denn ganz nebenbei entsteht durch die Aufnahmen eine riesige Datenbank.
Eine dieser Apps wurde in Chemnitz entwickelt: BirdNET. Täglich bekommen die Forscher hunderttausende Vogelstimmen mit dem Standort zugeschickt. Sie wollen diese Daten nun für Studien zur Verfügung stellen. Aber sind die Aufnahmen der Vögel wirklich gut genug? Stefan Kahl ist Informatiker an der TU in Chemnitz, er hat die App BirdNET entwickelt, die inzwischen eine Million Menschen auf ihrem Smartphone haben, inzwischen auch Leute mit iPhone.
BirdNET-APP - wie die Vogelaufnahmen nutzbar wurden
Das Handyprogramm funktioniert mit einem Algorithmus, der mit mehr als einer Million Vogelstimmenaufnahmen trainiert wurde. Allerdings war dem Algorithmus anfangs nicht klar, was er analysieren sollte. Die Vogelaufnahmen waren zu lang. Es gab zu viele Pausen, zu viele Nebengeräusche. Stefan Kahl und sein Team schwenkten um auf eine Visualisierung des Audiosignals. Nun wählt man zur Vogel-Analyse die Klänge in den Hör-Abschnitten aus, in denen der Vogel zu hören ist. Das funktioniert: Seither werden nur noch ganz kurze Audioausschnitte eingeschickt. So weiß der Algorithmus klar, welcher Klangabschnitt zu analysieren ist.
Das verbesserte die Nutzungserfahrung und Genauigkeit extrem. Heute werden im Schnitt 80 Prozent aller Vögel erkannt.
Die Datenmenge, die die BirdNET-Community generiert, ist enorm: 2020 bekam Stefan Kahl ungefähr 30 Millionen Vogelstimmen zugeschickt. Da sind auch immer welche dabei, die nicht erkannt werden, oder auf der Aufnahme ist kein Vogel zu hören. Selbst wenn man die rausrechnet, nur die betrachtet, in denen BirdNet sich sehr sicher war, bleiben immer noch 13 Millionen Audioschnipsel mit Vogelbeobachtungen, mit Audio und Standort. Ein gigantischer Datensatz alleine aus einem Jahr. Die will App-Entwickler Kahl der Forschung zur Verfügung stellen, doch bei denen ist BirdNET noch relativ unbekannt. Während man am Max-Planck-Institut für Ornithologie noch nicht von ihr gehört hat, ist sie bei Hobby-Ornithologen wohl bekannt.
Wir haben Nutzerinnen dabei, die schon hunderte Aufnahmen übermittelt haben. Das ist schon jenseits von Lernen. Das sind Menschen, die gehen gezielt raus und wollen uns helfen.
Wie nützlich sind die App-Daten - droht Verzerrungsgefahr?
Doch lohnt sich das? Erkennt BirdNEt die Vögel wirklich so gut? Christian Rollwage entwickelt am Fraunhofer Institut professionelle Vogelstimmenerkenungs-Geräte. Die stehen einige Wochen im Wald und erkennen autark welche Vögel singen. So etwas braucht man zum Beispiel, bevor ein Bauprojekt beginnt. So kann man ausschließen, dass da seltene Vögel brüten. Rollwage sagt, auf die Analysen von BirdNET könne man sich verlassen. Was die Auswahl der Vogelarten angeht, ist er skeptisch. Er fürchtet, dass ein verzerrtes Bild entstehen könnte.
Ich gehe durch den Wald und höre einen Vogel, der mir unbekannt ist. Dann würde ich eher zum Handy greifen und gucken, was das für ein Vogel war. Wenn das alle machen, gibt es eine Verzerrung in Richtung der unbekannteren Vögel.
Der Mensch hört vor allem das, was er nicht kennt, was ihn überrascht, und so stellt sich Rollwage das auch mit BirdNET vor. Deshalb müsse man sehr aufpassen, welche Fragestellung verfolgt wird und was abgebildet werden soll.
Menschen schicken Meisen-, Amsel-, und Rotkehlchengesang
Stefan Kahl macht sich darüber keine Sorgen. Genau solche Verschiebungen müsste die Forschung für Studien herausrechnen. Abgesehen davon wissen die meisten Leute gar nicht wie eine Meise singt, die Amsel, oder das Rotkehlchen, also die häufigen Arten. Dadurch bekommt er vor allem von denen sehr viele Aufnahmen zugeschickt. Und zwar in Mengen, von denen die Forschung bisher nur träumen konnte:
Das, was vorher mühevoll mit Audioaufnahmen von Experten gemacht werden musste, können wir jetzt tausendfach nachbilden. Weil wir nicht nur 100 Aufnahmen von einer Goldammer haben, sondern wir haben Zehntausende.
Ein Schatz, sagt er, ein Pool an Beobachtungsdaten, der viel zu schade wäre, ihn nicht zu nutzen.
(af/lfw)
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