Spornpieper im Singflug
Ändern auch Singvögel ihre Flugrouten ins Winterquartier? Beim Spornpieper beobachten Ornithologen das gerade. Bildrechte: IMAGO / blickwinkel

Vogel-Flugrouten Überwintern im Süden? Manche Vögel fliegen von Ost nach West

14. November 2021, 10:00 Uhr

Vögel nehmen auf dem Weg gen Süden meist dieselbe Route, die einen im Formationsflug, die anderen allein. Dass Vögel auf dem Weg ins Winterquartier ihre Routen ändern, ist selten und ein Fall für die Forschung.

Zum Überwintern fliegt man von Nord nach Süd: Vermutlich eine Art Binsenweisheit unter Zugvögeln. Oder man bleibt hier, wie zum Beispiel viele unserer Singvögel, die wir dann fleißig füttern. Jetzt beobachten Ornithologen noch einen anderen Trend: beim Spornpieper, Anthus richardi. Die Untersuchung einer französischen Forschungsgruppe zeigt: Diese Singvögel nutzen neue Überwinterungsrouten, etliche fliegen von ihren Brutstätten im sibirischen Grasland nicht mehr vertikal nach Südasien zum Überwintern, sondern horizontal Richtung Westeuropa. Wurden zwischen 1981 und 1993 zwischen drei und sechs Exemplare in Süden Frankreichs gesichtet, waren es 2018 schon 144 Exemplare. Die ersten Exemplare überwinterten bereits 1991, inzwischen aber nicht mehr nur im südlichen Frankreich, sondern auch in Spanien, Portugal und Italien.

Warum wechseln Singvögel ihre Flugrouten und -ziele?

Aber was steckt dahinter, warum ändern die Spornpieper ihr Verhalten? Haben sich die Lebensbedingungen in Südasien verändert, weichen sie zunehmender Urbanisierung aus, gibt es weniger Freiflächen, wo sie brüten? Untersuchungen dazu gibt es noch nicht, aber der Schweizer Ornithologin Ginny Chan zufolge ist die Spornpieper-Population allein in Indien in den vergangenen Jahrzehnten um 90 Prozent zurückgegangen.

Spornpieper steht auf einer Wiese
Der Spornpieper ist durch seine langen Beine gut zu erkennen. Aber der größte aller Mitteleuropäischen Pieper ist ein seltener Gast in Deutschland, so der Nabu. Auf der Durchreise ins Winterquartier sind bisher Sichtungen in Norddeutschland bekannt. Aber vielleicht ändert sich das ja gerade. Bildrechte: IMAGO / blickwinkel

Anders als Arten wie Gänse oder Kraniche ziehen Singvögel nicht in großen Formationen, sondern alleine, sie folgen ihrem Instinkt. Für die neuen Routen der Spornpieper gibt es in der Wissenschaft bislang zwei Theorien: Entweder vagabundieren einzelne Exemplare aus Sibirien zufällig durch Europa. Oder die in Europa gesichteten Vögel stammen aus in Europa entstandenen Populationen. Das hat ein Forschungsteam um den schwedischen Ornithologen Paul Dufour in Frankreich und Spanien über drei Winter lang untersucht und zwar anhand von Daten aus dem Zeitraum 1981 bis 2019.

Der Spornpieper ist ein großer, robuster, fast drosselähnlicher Pieper mit kräftigem Schnabel, langem und hellem Augenstreif und langem Schwanz. Laut den Daten der internationalen Vogelbeobachtungsplattform Ebird ist er vor allem in weiten Teilen Europas und Asiens verbreitet. 

Eine Karte zeigt mit rosa Markierungen die Verberitung des Spornpiepers in Europa, Asien, Afrika und auf der arabischen Halbinsel
So sieht die Verbreitungskarte des Spornpiepers laut der Plattform Ebird aus. Bildrechte: Ebird

Kontinuierlich geänderte Flugziele oder einfach nur verflogen?

Unter den 81 von Hand untersuchten Exemplaren waren 28 erwachsene Vögel, was für die sogenannte Migrationsthese spricht, nach der sich neue Populationen gebildet haben. Genau wie der Fakt, dass von 68 Vögeln mit Farbringen elf im Folgewinter erneut gesichtet wurden, vier von ihnen sogar in zwei Folgejahren. In einer weiteren Untersuchung wurden im Winter 2019/2020 sieben Pieper mit Sensoren ausgestattet. Drei von ihnen wurden wieder eingefangen, deren Sensordaten belegten, dass die Vögel den Sommer am westlichen Rand eines Brutgebiets in Russlands verbracht hatten. Bei einem Vogel wiesen die Daten auch daraufhin, dass das Tier gebrütet hatte. Insgesamt hatten diese Brutvögel zwischen Südfrankreich und Sibirien etwa zwischen 5.700 und 7.300 Kilometer zurückgelegt und zwar durch Länder, in denen Spornpieper sonst nicht vorkommen. Was also alles eher auf die Etablierung neuer Überwinterungsstrategien hinweist.

Dem entgegen stehen dagegen Vogel-Analysen anhand von Mauservariationen von 331 weiteren Spornpiepern, und zwar von Fotos aus Citizen Science Projekten. Die Federkleid-Zustandsanalyse verrät das Alter der Tiere, und hier zeigte sich, dass besonders im Winter sehr viele erwachsene Spornpieper auf der iberischen Halbinsel, in Nordafrika und Südfrankreich anzutreffen sind. Die Forschungsgruppe schließt daraus: Das Vagabundieren von Vögeln aufgrund von Orientierungsfehlern scheint mehr zu sein als eine kuriose Spielart, sondern ein Hinweis darauf, dass auch Singvögel neue Zugrouten etablieren. Das gelte es weiter zu untersuchen. Und auch, ob auch andere Singvögel ihre Flugrouten und Überwinterungsquartiere aktualisieren.

Anthus richardi Spornpieper
Nest eines Spornpiepers mit Jungen: Welche Routen werden sie ziehen? Bildrechte: imago images/Ardea

Die Forschungsarbeit wurde hier im Fachmagazin Current Biology veröffentlicht.

(lfw)

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