Seitliches Profil einer Ringeltaube
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Hirnforschung Haben Vögel ein Bewusstsein?

25. September 2020, 13:34 Uhr

"Du blöder Vogel", sagen wir, wenn wir denken, jemand hat etwas besonders Dummes gemacht oder gesagt. Dabei tun wir den Vögeln vermutlich Unrecht. Forschungen, die ganz tief ins Gehirn der Vögel geschaut haben, haben nämlich eine verblüffende Entdeckung gemacht.

Bisher glaubte man, dass die Hirnstrukturen von Säugetieren und Vögeln komplett verschieden sind. Eine Forschungsgruppe hat jetzt herausgefunden, dass das nicht stimmt: Bestimmte Mechanismen, bestimmte Schaltkreise im Vorderhirn von Vögeln und Säugetieren ähneln sich. "Und das, obwohl sie auf den ersten Blick keine Gemeinsamkeiten haben", führt Biopsychologe Martin Stacho von der Ruhruniversität Bochum aus.

Martin Stacho
Martin Stacho, Biopsychologe Bildrechte: privat

Sein Team wollte wissen, wie das Gehirn von Vögeln organisiert ist. Vögel haben erstaunliche kognitive Fähigkeiten: Dazu zählen Benutzung von Werkzeugen, kausales schlussfolgern, numerische Fähigkeiten. Wir kennen das, wenn im Herbst Rabenvögel Walnüsse auf die Straße fallen lassen und warten, bis ein Auto sie überfährt und so für sie knackt. Stacho kennt noch andere Beispiele für die erstaunlichen Fähigkeiten von Vögeln: "Dass Tauben visuelle Aufgaben lernen können, zum Beispiel englische Wörter von Nichtwörtern zu unterscheiden, oder Bilder von Monet und Picasso." Und dass, obwohl ihre Gehirnstruktur auf den ersten Blick stark abweicht von der der Säugetiere.

Des Rätsels Lösung liegt im Detail, nicht in der großen Struktur

Vogelhirn. Strukturen per Tracingverfahren
Einblicke ins Vogelvorderhirn: Fasern (rot) und Zellen (grün). Anhand solcher Aufnahmen konnten die neuronalen Schaltkreise entdeckt werden. Bildrechte: Martin Stacho

Des Rätsels Lösung fanden sie im Aufbau des Palliums, also des Hirnmantels der Vögel. Mithilfe von 3D-polarisiertem Licht und Techniken zur Verfolgung neuronaler Schaltkreise "durchleuchteten" sie den Aufbau des Palliums bei Eulen und Tauben. Dabei wurde die neuronale Struktur der Region detailliert sichtbar. Und zeigte, dass Struktur und Schaltkreise der Pallialfasern sowohl bei Taube als auch Eule dem Schichtaufbau des Säugetierkortex' auffällig ähneln. Überraschend für die Wissenschaft: Es gibt also weit weniger Möglichkeiten, für ein Gehirn sich zu strukturieren, als man bislang dachte.

Haben Vögel also auch ein Bewusstsein?

Da will sich der Neurowissenschaftler nicht festlegen. Er sagt: "Die Sache mit dem Bewusstsein... das lässt sich schlecht definieren und daher auch schlecht untersuchen. Was wir sagen können: Vögel haben eine Art von Bewusstsein. Wie weit das mit unserem Bewusstsein vergleichbar ist, kann ich nicht sagen. Auf jeden Fall haben sie eine Maschinerie, die komplexe Möglichkeiten bietet, dass sie in der Lage sind, flexibel auf die Umwelt zu reagieren. Das machen die mit einem Gehirn, das ähnlich organisiert ist wie das von Säugetieren." Für uns im Alltag bedeutet das, dass die Redewendung "Du dummer Vogel" nicht wirklich treffend ist.

Kopf einer Eule in der Nacht.
Wenn die Dunkelheit einbricht und die Menschen schlafen, erwachen nachtaktive Tiere wie Uhus erst und trauen sich aus ihren Verstecken. Bildrechte: MDR/Capricornum Film/Uwe Müller

(lfw)

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