Der Zwergplanet Pluto und einer seiner fünf Monde, Charon, im maßstabsgerechten Größenvergleich.
Der Zwergplanet Pluto (links) und einer seiner fünf Monde, Charon, im maßstabsgerechten Größenvergleich. Bildrechte: MDR, NASA, JHUAPL, SwRI

Pluto Charon: War die Eisschicht des Pluto-Mondes dünner als angenommen?

15. Februar 2023, 12:57 Uhr

Auf dem Pluto-Mond Charon gibt es tiefe Risse. Die neue Auswertung der gesammelten Daten von der Raumsonde New Horizons zeigt eine andere Entstehungsgeschichte als die bisherige. Entstanden die Risse auf Charons Oberfläche doch durch das Gefrieren eines unterirdischen Ozeans?

Auch Zwergplaneten haben Monde. Pluto hat sogar fünf Stück. Einen von ihnen haben Astronomen und Forscherinnen für einen trägen Eisball gehalten: Charon. Der Pluto-Mond hat einen Durchmesser von circa 1.200 Kilometern und ist damit ungefähr zwei Drittel kleiner als unser Erdmond. 

Auf dem ersten Blick ähneln sich beide ein wenig. Sie haben Einschlagskrater, wirken übermäßig grau, doch als die Raumsonde New Horizons der amerikanischen Raumfahrtbehörde Nasa 2015 den Mond besuchte, änderte sich die Vorstellung von Charon in den Augen der Forschenden. Denn Charon hat einige Risse auf seiner Oberfläche. 

"Wenn ein innerer Ozean gefriert, dehnt er sich aus, wodurch große Spannungen in seiner eisigen Hülle entstehen und das Wasser darunter unter Druck gesetzt wird. Wir vermuteten, dass dies die Ursache für die großen Canyons und kryovulkanischen Ströme auf Charon ist", erklärt Alyssa Rhoden. Sie ist Expertin für die Geophysik von Eissatelliten, insbesondere von solchen, die eigene Ozeane beherbergen. Zudem gehört sie zum Team des Southwest Research Institute (SwRI), das die Daten von New Horizons untersucht.

Was ist Kyrovulanismus? Kyrovulkanismus ist eine Erscheinungsform des Vulkanismus, die sich nur bei sehr niedrigen Temperaturen abspielt. Statt Lava speien diese Vulkane ein Eisgemisch aus Methan, Kohlenstoffdioxid, Wasser oder Ammoniak.

Der gefrorene Ozean auf Charon

Rhoden wollte verstehen, wie sich die rissige Oberfläche bildete. Dafür modellierte sie den Ozean unter der Eishülle von Charon während seiner Erstarrungsphase. In ihren Modellen bestand der Ozean aus Wasser, Ammoniak und einer Kombination aus beidem. Obwohl Ammoniak als Frostschutzmittel wirken kann und hohe Konzentrationen dazu beitragen könnten, die Dauer des flüssigen Aggregatzustandes zu verlängern, hat dies je nach Zusammensetzung des Ozeans kaum einen Einfluss darauf.

Sobald der gefrierende Ozean Druck auf die äußere Schale von Charon ausübte, soll dies Risse verursacht haben, die die gesamte Schale durchdrangen. Es ist wie bei einem mit Wasser gefüllten Luftballon, der gefriert. Das Volumen des Ozeans nimmt zu, übt Druck auf die darüber liegende Flüssigkeit aus und schließlich entstehen Risse auf der Oberfläche. 

Pluto
Eine Aufnahme vom Zwergplaneten Pluto. Bildrechte: NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Southwest Research Institute

Auch der Zeitpunkt des Gefrierens des Ozeans ist wichtig. Die synchronen und kreisförmigen Umlaufbahnen von Pluto und Charon stabilisierten sich relativ früh, sodass die Gezeitenerwärmung nur in den ersten Millionen Jahren stattfand.

Die bisherige Theorie für das Innere von Charon deuten darauf hin, dass die Risse auf der Eishülle von Charon nicht durch das Gefrieren eines unter der Oberfläche liegenden Ozeans hätten entstehen können. Der Eispanzer sei dafür viel zu dick. Doch diese Annahme sei nach den neuen Erkenntnissen falsch. 

Die neue Entstehungsgeschichte der Risse auf dem Pluto-Mond Charon 

Die Canyons auf Charon verlaufen entlang des globalen tektonischen Gürtels, der sich quer über die Oberfläche erstreckt und die nördlichen und südlichen geologischen Regionen des Mondes voneinander trennt. "Wenn Charons Eispanzer dünn genug gewesen wäre, um vollständig aufzubrechen, würde dies bedeuten, dass der Ozean wesentlich stärker gefroren war, als es die auf Charons Hemisphäre identifizierten Canyons vermuten lassen", erklärt Rhoden. 

Die Forscher um Rhoden argumentieren, dass die kryovulkanischen Ströme nicht lange angehalten hätten, da die Bedingungen auf Charon nur den Verlust von Wärme begünstigten. Selbst die Radioaktivität auf Charon war damals nicht hoch genug, um einen Heizeffekt zu erzeugen: "Aufgrund der geringen radioaktiven Erwärmung im Inneren von Charon und des Verlusts der Gezeitenerwärmung zu einem frühen Zeitpunkt in seiner Geschichte sollte eine dünne Eishülle nur von kurzer Dauer gewesen sein."

Damit haben auch die kryovulkanischen Ströme aus dem Ozean relativ früh in der Geschichte von Charon aufgehört. Denn das Gefrieren des Ozeans sagt auch eine Abfolge von geologischen Aktivitäten voraus. Die Oberflächengeologie muss demnach anders als bisher angenommen gewesen sein. 

Entweder war Charons Eispanzer weniger als zehn Kilometer dick, als die Ströme auftraten, im Gegensatz zu den angegebenen mehr als 100 Kilometern, oder die Oberfläche stand während des eruptiven Prozesses nicht in direkter Verbindung mit dem Ozean.

Alyssa Rhoden, Expertin für die Geophysik von Eissatelliten

Das Gefrieren der Ozeane könnte zur Bildung von tiefen Rissen geführt haben, die zwar nicht vollständig durchdrungen wurden, aber Canyons auf dem Pluto-Mond bildeten. Die Risse könnten zuerst in den Eispanzern entlang des tektonischen Gürtels entstanden sein, der die nördlichen und südlichen Regionen des Planeten trennt. Für die Bestätigung dieser Theorie müssten zukünftige Missionen weitere größere und ausgedehnte Strukturen auf der Hemisphäre des Mondes entdecken.

Studie

Die Studie wurde unter dem Titel "The challenges of driving Charon's cryovolcanism from a freezing ocean" (engl. Die Herausforderungen des Kryovulkanismus auf Charon in einem gefrierenden Ozean) in der März 2023 Ausgabe des Fachmagazins Icarus veröffentlicht. 

Autor

Farbige Illustration eines Planeten, ähnlich eines Gasriesen wie Jupiter; rotbraune Struktur wie langgezogene Wolken. Auf dem dunklen Hintergrund Sterne, bunte Wolke.
Home alone, und das zu Weihnachten! Diese künstlerische Darstellung zeigt ein Beispiel für einen Einzelgänger-Planeten, der von ESO-Forschenden in der Region Rho Ophiuchi entdeckt wurde. Bildrechte: ESO/M. Kornmesser
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