Biodiversitätsforschung Leipzig, Halle, Jena Was passiert, wenn der Wald verschwindet?
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24. Juni 2020, 11:54 Uhr
Wenn Wald verschwindet, dann verschwinden auch Arten, Insektenarten, Vogelarten, Pflanzenarten, alle werden weniger. Ich denke diesen Satz würde jeder von uns so unterschreiben. Er stimmt aber nicht grundsätzlich. Das zeigt jetzt ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung. Waldverlust heißt nicht automatisch Verlust der Vielfalt.
Das Ergebnis der Studie lautet in einem kurzen Satz zusammengefasst: Es ist kompliziert. Die Natur ist kompliziert. Dabei - denkt man - könnte es doch so klar sein: Wald weg! Tiere und Pflanzen weg!
Es ist schon überraschend.
Das sagt Shane Blowes, vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Leipzig, Halle, Jena. Er war an der Studie beteiligt. "Was wir letztlich gefunden haben, ist dass der Verlust von Wäldern zu allen möglichen Veränderungen der biologischen Vielfalt führt. Also wir finden auf jeden Fall in manchen Regionen, dass der Waldverlust auch zum Verlust von Biodiversität führt. Aber manchmal werden Arten auch mehr, manchmal aber auch weniger. Außerdem variieren auch die Zahlen derjenigen, die zugewinnen und derjenigen, die weniger werden von Ort zu Ort."
Die Spezialisten sind die Verlierer
Welche Arten es genau sind, die zu den Gewinnern und den Verlieren zählen, kann Blowes anhand der Daten nicht sagen. Nur so viel: Gewinner sind wieder die, die sich anpassen können und mit jeder möglichen Umgebung zurechtkommen. Diejenigen, die es ganz speziell brauchen und ohnehin schon selten werden, leiden unter dem Verlust der Wälder.
Es ist nicht so, dass man einfach sagen kann: Waldverlust führt überall, wo es passiert, zum gleichen Effekt oder Ergebnis. Was die Studie zeigt ist, dass es zu allen möglichen komplizierten Veränderungen in der biologischen Vielfalt führt. Manche sehen wir erst zehn Jahre, nachdem der Wald an diesem Ort verschwunden ist.
Tiere- und Pflanzenarten reagieren also nicht nur unterschiedlich, sie reagieren auch noch zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Bei kurzlebigen Gräsern und manchen Insekten sehen die Forscher ganz unmittelbar Veränderungen. Bei anderen mussten die Forscher warten, erzählt Blowes:
Zum Beispiel langlebige Tiere, wie Vögel oder Säugetiere. Da hat es sehr lange gedauert, bis wir die Reaktion gesehen haben, also eine Veränderung in der Menge der Spezies oder Populationsgrößen.
150 Jahre Untersuchungen
Um zu solchen Ergebnissen zu kommen, hatten die Wissenschaftler Unmengen an Daten ausgewertet: 6.000 Orte wurden untersucht in den letzten 150 Jahren. Bei Wäldern gucken Biodiversitätsforscher nämlich gerne genauer hin. Schließlich sind die quasi das Hauptspielfeld der Vielfalt an Land - eine Art Fünf Sterne Hotel der Natur. Hier gibt es alles für jeden.
Der Wald bietet ganz unterschiedliche Wohnräume, dadurch entsteht viel Platz für viele unterschiedliche Lebewesen, die so nebeneinander leben können. Und diese ganz unterschiedlichen Habitate machen den Wald so wichtig.
Schätzungsweise 80 Prozent der an Land lebenden Tier- und Pflanzenarten haben sich deshalb diesen komfortablen Ort zum Leben ausgesucht. Erforscht werden sie auch, um sie besser zu schützen. Die Studie soll aber auch zeigen, wie weit der Waldverlust voranschreitet. Auch dafür gibt es nicht nur eine Antwort:
Die Regionen, die dicht bevölkert sind, so wie etwa Europa, dort fand der Höhepunkt des Waldverlusts vor über hundert Jahren statt. In den Tropen dagegen sehen wir gerade laufende und zunehmende Waldverluste.
Blowes erzählt, dass der Verlust der Wälder in den Tropen gerade stärker voranschreitet als jemals zuvor. Es gibt aber auch Gebiete, in denen Wälder entstehen. Und egal, ob große oder kleine Veränderungen, alles wirkt sich aus, aber eben ganz unterschiedlich.
Studie zum Nachlesen
Die Studie ist unter dem Titel "Landscape-scale forest loss as a catalyst of population and biodiversity change" im Magazin Science erschienen.
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