Schwelleneffekte Klimaforscher warnen vor tödlicher Heißzeit
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06. August 2018, 21:09 Uhr
Ein internationales Forscherteam warnt davor, dass die Erde selbst bei Einhaltung der Pariser Klimaziele in eine Heißzeit geraten könnte. Ein Temperaturanstieg um 5 Grad wäre für einen Großteil der Menschheit tödlich.
Möglicherweise gelingt es nicht, die globale Erwärmung auf durchschnittlich zwei Grad Celsius einzudämmen, selbst wenn die im Pariser Klimaabkommen festgelegten Ziele erreicht werden. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forscherteam um Will Steffen von der Australian National University und Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Die Studie erscheint im wichtigen Fachjournal "Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)".
Grundlage für die pessimistische Einschätzung ist eine Reihe von Studien zu sogenannten Kipp-Punkten im Weltklima, die die Autoren ausgewertet haben. Demnach könnte die Erderwärmung schneller zu Dominoeffekten führen, als bislang angenommen. In einigen Fällen würden sich bisherige Kohlenstoffspeicher in unkontrollierbare Kohlenstoffquellen verwandeln.
Schon in der Vergangenheit war die Erde viel wärmer als heute
Eine Heißzeit kennen wir schon aus der Vergangenheit der Erde, vor etwa 50 bis 60 Millionen Jahren zum Beispiel. In dieser Zeit war es mehrere Grad wärmer als heute, es gab keine Eisflächen und der Meeresspiegel lag viel höher. Eine Heißzeit wäre noch viel extremer als das, was Klimaforscher derzeit bei einem Temperaturanstieg um bis zu drei Grad prognostizieren.
In der aktuellen Studie heißt es, dass die Temperatur bei einer Heißzeit um bis zu fünf Grad steigen würde und der Meeresspiegel um bis zu 60 Meter.
Klimawandel droht unaufhaltsame Kettenreaktion in Gang zu setzen
Diese neuralgischen Stellen der Klimaerwärmung sind bereits seit längerer Zeit bekannt. "Wenn wir eine bestimmte Erwärmung überschreiten, dann setzen Prozesse ein, die die Erderwärmung nochmal massiv beschleunigen könnten", sagt der renommierte Klimaforscher Mojib Latif vom GEOMAR-Forschungsinstitut in Kiel.
Ein Problem sind zum Beispiel die abtauenden Permafrostböden in Sibirien, Kanada oder Alaska, durch die bislang gebundenes Methan frei wird. Methan hat eine drei bis vierfach stärkere Wirkung auf das Klima als CO2.
Wälder im Hitzestress, polare Eisschilde schmelzen
Ein anderer Kipppunkt sind die großen Wälder, unter ihnen die borealen (lat. nördlich) Nadelwälder am Nordpolarkreis oder der Amazonas-Regenwald. Letzterer nimmt allein etwa ein Viertel der Kohlenstoffmenge auf, die sonst alle anderen Pflanzen und Lebewesen weltweit aufnehmen, ist aber massiv von Abholzung bedroht. Die borealen Nadelwälder wiederum werden empfindlich geschädigt durch Hitzestress und Waldbrände in Folge der Erwärmung. Beide Waldgebiete könnten ohne massive Gegenmaßnahmen unwiederbringlich verloren gehen.
Auch der Rückgang der Eisschilde, etwa in Grönland oder in der Westantarktis wäre kaum umzukehren. Weißes Eis reflektiert Sonnenstrahlung in das Weltall zurück während dunkles Meerwasser die Energie aufnimmt und hält. Das Nordpolarmeer könnte bereits mittelfristig im Sommer eisfrei sein.
Dauerhaftes Super-Treibhausklima möglich
Aktuell liegt das Weltklima bereits 1 Grad Celsius über dem Niveau vor der Industrialisierung, im Klimaabkommen von Paris ist eine Begrenzung auf 2 Grad Celsius vorgesehen. Doch das könnte bereits zu viel sein und die Erde durch Dominoeffekte auf 4 bis 5 Grad Erwärmung katapultieren, schreiben die Forscher.
Was wir derzeit noch nicht wissen, ist, ob das Klimasystem sicher bei etwa zwei Grad über dem vorindustriellen Niveau geparkt werden kann, wie es das Pariser Abkommen vorsieht. Oder ob es, einmal so weit angestoßen, weiter abrutschen würde in ein dauerhaftes Supertreibhaus-Klima. Die Forschung muss sich daran machen, dieses Risiko schnellstmöglich besser abzuschätzen.
Größe Küstenstädte könnten überflutet werden
Was bei einer solchen extremen Erwärmung passiert ist kaum abzusehen. Fachbehörden wie das Umweltbundesamt gehen aber davon aus, dass ab einer Erwärmung von zwei bis vier Grad bereits Milliarden Menschen gefährdet sind, unter anderem könnten Küstenstädte wie New York, Hamburg, Singapur oder Shanghai und ganze Länder wie die Niederlande von Überflutung bedroht sein.
(ens)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 07. August 2018 | 08:00 Uhr