Insekt des Jahres 2021 Älter als die Dinos: Die Dänische Eintagsfliege
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30. November 2020, 08:20 Uhr
Fliegt sie uns beim Picknick auf die Decke, verscheuchen wir sie vermutlich rigoros. Dabei hätte diese Fliege ein bisschen mehr Respekt verdient: die Dänische Eintagsfliege, das Insekt des Jahres 2021. Die Spezies ist steinalt und ein Spezialist in Sachen Häutung.
Man könnte meinen, das Kuratorium, das das Insekt des Jahres kürt, hat einen ganz schön seltsamen Humor: 2021 ist es die Dänische Eintagsfliege, auch genannt die Große Eintagsfliege. Eine Fliege, echt jetzt? Auf den ersten Blick klingt das, nun ja, eher nicht so spannend. Wenn man mal dran denkt, was der Ölkäfer, Insekt des Jahres 2020, für Abenteuer hinter sich bringen muss, um nach Jahren endlich als ausgewachsener Käfer für die nächste Generation zu sorgen: Als Larve Blumen besteigen, da dann die richtige Biene ins richtige Bienennest als Transporter erwischen, dort auf, und nicht neben dem Bienen-Ei landen...
Was macht nun diese Dänische Eintagsfliege, Ephemera danica (die so heißt, weil sie zuerst von dänischen Wissenschaftlern beschrieben wurde), so besonders, dass sie Insekt des Jahres 2021 wird?
30 Häutungen als Larve – das ist Rekord unter den Insekten
Professor Dr. Thomas Schmitt, Direktor des Senckenberg Instituts in Müncheberg, verrät, was die Dänische Eintagsfliege so bemerkenswert macht. Das Spannende bei dieser Fliege ist wie bei vielen Insekten – und da sind wir wieder beim Ölkäfer – ihr kompletter Lebenszyklus. Die Dänischen Eintagsfliegen leben weit länger, als ihr Name vermuten lässt. Allerdings nicht im Fliegenstadium, da sind sie nur zwei bis vier Tage unterwegs, und da treffen wir sie zwischen Mai und September am Ufer von Bächen, Flüssen aber auch stehenden Gewässern.
Die Paarung vergeht im Flug
Diese wenigen Tage als Fluginsekt verbringen sie damit, für die nächste Generation zu sorgen: Gepaart wird sich im Flug, Herr Eintagsfliege hat dafür extra lange Vorderbeine, mit denen er Frau Eintagsfliege in der Luft zwecks Kopulation umklammert. Zur Eiablage rauscht Frau Eintagsfliege danach im Zickzackkurs übers Wasser und taucht ihre Hinterleib-Spitze hinein, um tausende Eier abzulegen. Die sinken im Wasser zu Boden und kleben sich fest. Nach ein paar Tagen schlüpfen dann Larven, die anfangs noch durch die Haut atmen. Mit ihren kräftigen Grabe-Beinen buddeln sie sich Röhren ins Sediment. Allerdings häuten sich die Larven unter Wasser bis zu 30 Mal und entwickeln währenddessen Kiemen. Je nach Wassertemperatur und Nahrungsangebot dauert das zwischen einem und drei Jahre. Am wichtigsten ist ein intaktes Gewässer mit sandigem, feinschlickigem Boden. "Und da hat sich viel getan in den vergangenen Jahren", sagt Professor Thomas Schmitt, vom Aussterben bedroht sei diese Spezies nicht.
Sex ist das Fressen des Alters
Kurz vor dem Übergang vom Wasser- zum Landleben bildet sich bei der ausgewachsenen Larve zwischen alter und neuer Haut eine Luftschicht. So schwebt die Larve zur Wasseroberfläche, wo die Larvenhaut platzt. Binnen Sekunden schlüpft dann die Eintagsfliege, noch mit milchig-weißen Flügeln. Mit denen kann sie zwar fliegen, aber woanders hakt es noch, als sogenannte Sub-Imago, halbfertiges Insekt. Die Fortpflanzung klappt nämlich erst nach der letzten Häutung. Eine bittere Pille, die Eintagsfliegen für die paar Tage Fortpflanzungsspaß schlucken müssen: Als ausgewachsene Eintagsfliege nach letzter Häutung kann sie zwar fliegen, aber nicht mehr fressen. "Die sind dann aufs Wesentliche konzentriert", fasst Schmitt diesen Effekt zusammen. Mundwerkzeuge und funktionstüchtiger Darm fehlen dann. Fressen hat Mutter Natur in dem Stadium offenbar nicht mehr vorgesehen. Also anders als beim Menschen – "Essen ist der Sex des Alters", sagt der Volksmund ja. Bei der Fliege ist das andersherum.
Der Platz der Fliege im Großen Ganzen
Dass der Lebenszyklus dieser Fliegen extrem effektiv ist, zeigt ein Blick in die Geschichte: "Dänische Eintagsfliegen gab es schon vor den Dinosauriern", sagt Wissenschaftler Thomas Schmitt.
Das ist eine uralte Spezies, diese Fliegen sind eine Konstante in der Natur. Es gibt sie seit dem unteren Karbon, also seit vor 355 bis 333 Millionen Jahren.
Da war weder an Schmetterlinge zu denken, noch an Käfer oder eben Dinosaurier. Dass aus den tausenden Eiern pro zeugungsfähigem Weibchen alle Exemplare alle Entwicklungszyklen überleben, ist wohl von der Natur gar nicht vorgesehen. Sie sind wichtige Nahrung für andere Spezies. Für Forellen sind sie genauso ein gefundenes Fressen wie für Wasserkäfer, sagt Thomas Schmitt. Beobachten können wir sie theoretisch den ganzen Sommer über. Die Imagines schlüpfen ab Mai, das kann sich aber eigentlich über den ganzen Sommer hinziehen. Es gibt bei dieser Art im Gegensatz zu anderen also keinen ganz klaren Auslösungsmoment, stellt der Forscher klar. Und selbst wenn wir beim Waten durch einen Bach- oder Flusslauf die eine oder andere Wohnröhre platt machen – Schmitt zufolge bauen die Larven dann einfach neue. "Sogar wenn mal eine Larve zertreten wird, ist das nicht dramatisch, denn als Produzent von sehr vielen Larven ist so ein Verlust 'eingepreist'", sagt der Etymologe.
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