Frühling in Natur und Garten Giftiger Schwarzblauer Ölkäfer: Nicht anfassen, nur bewundern
Hauptinhalt
27. März 2024, 09:29 Uhr
Das von ihnen abgegebene Reizgift Cantharidin wurde schon im alten Ägypten als Wehenpflaster und Potenzmittel verwendet. Teilweise mit fatalen Folgen. Angst haben braucht man vor den beeindruckenden Käfern jedoch nicht. Bislang sind weder bei Menschen noch bei Haustieren Vergiftungen bekannt. Zudem: Nur wenige von tausenden Eiern schaffen es in den zwei Jahren zum ausgewachsenen Käfer. Wer einem ausgewachsenen Exemplar begegnet, der verneige sich in Ehrfurcht vor so viel Überlebenswillen.
- Der Schwarzblaue Ölkäfer (Meloe proscarabaeus) sondert das Reizgift Cantharidin ab. Das würde bereits 1550 vor Christus gegen eine Fülle von Krankheiten, als Wehenmittel und auch als Potenzmittel verwendet
- Ein Ei-Gelege umfasst bis 10.000 Eier, doch nur wenige schaffen es bis zum ausgewachsenen Käfer
Der Schwarzblaue Ölkäfer (Meloe proscarabaeus) ist selten und ein Sonderling. Nicht nur, dass er gefühlte Ewigkeiten (zwei Jahre) braucht, um sich zum ausgewachsenen Käfer zu entwickeln. Er lebt auch nur etwa einen Monat. Der bis zu 3,5 Zentimeter große Käfer besitzt noch dazu ein hochgradig wirksames Gift. "Dieser schwarz-blau glänzende Sechsbeiner ist seit 4.000 Jahren Bestandteil unserer Kultur. Das Reizgift Cantharidin im Körper der Käfer wurde gegen eine Fülle von Krankheiten verwendet – bereits 1550 vor Christus wird im altägyptischen Papyrus Ebers, der in der Leipziger Universitäts-Bibliothek aufbewahrt wird, das wahrscheinlich älteste Ölkäferpflaster beschrieben, welches wehenerzeugend wirken sollte", erklärt Thomas Schmitt, Direktor des Senckenberg Deutschen Entomologischen Instituts in Müncheberg.
Im Honig serviert zur Potenzsteigerung mit teilweise fatalen Folgen
In Honig zubereitet gehörten Ölkäfer laut Schmidt zu den bekanntesten 'Liebestränken' zur Steigerung der sexuellen Potenz. "Oftmals mit fatalen gesundheitlichen Folgen: Bereits ein einziger Käfer enthält eine tödliche Dosis Cantharidin für einen Erwachsenen! Diese hohe Toxizität wurde im antiken Griechenland für Hinrichtungen missbraucht, zudem sind Morde mit dem Käfergift bis in die Neuzeit bekannt", erläutert Schmidt. Laut Naturschutzbund Nabu seien jedoch im normalen Umgang mit den Käfern keine Vergiftungen von Menschen und Haustieren bekannt. "Trotzdem empfiehlt es sich, Körperkontakt zu vermeiden und Abstand zu halten – auch zum Wohle der Tiere selbst."
Viele Eier doch nur wenige Käfer
Dabei ist der Weg vom Ei bis zum ausgewachsenen Ölkäfer ein sehr schwieriger. Klein, orangefarben und durchscheinend sitzt die Brut der Weibchen derzeit in den Blumenblüten, und wartet auf den richtigen Flieger, eine bodenbrütende Wildbiene. Die Larven, die sich beim richtigen Brummer in den Pelz klammern, haben schon einmal fünf von sechs Richtigen im Ölkäferlotto gezogen. Larven, die sich auf die falsche Biene setzen, haben verloren und gehen ein. Genau wie die, die zwar mit in ein Bienennest fliegen, aber neben einem Bienen-Ei landen – auch die gehen ein.
Die Wirtsbiene wird gefressen
Erwischt eine Larve die richtige Biene und landet tatsächlich auf einem ihrer Eier, frisst sie dieses auf und häutet sich: Die nächste Entwicklungsstufe ist erreicht, als blinde, kurzbeinige, madenartige Larve, die fortan den Pollen der Wirtsbiene verputzt. Nach dreimaliger Häutung verlässt diese Made dann das Bienennest, vergräbt sich, häutet sich wieder und verharrt dann als Scheinpuppe. Ist sie daraus geschlüpft, verpuppt sie sich ein weiteres Mal, bis sie im Frühjahr des Folgejahres als Ölkäfer ins wahre Insekten-Leben startet.
Da der Lebensweg vom Ei zum Ölkäfer mit so vielen Zwischenstationen und Risiken gepflastert ist, hat die Natur vorgesorgt: Ölkäferweibchen vergraben im Frühjahr fünf- bis sechsmal im Abstand von ein bis zwei Wochen ihre Ei-Gelege: 2.000 bis 10.000 Eier. Und aus denen schlüpfen dann wieder die (Triungulinus-)Larven, die auf Blüten klettern und auf den richtigen Flieger warten. Die sind übrigens genauso giftig wie die ausgewachsenen Ölkäfer, erklärt Professor Dr. Konrad Dettner von der Uni Bayreuth, Spezialist für die chemische Ökologie der Insekten. Bei Ölkäfer-Imagines, also bei den Käfern synthetisiert das Männchen Cantharidin in den Anhangsdrüsen. Bei der Kopulation wird das Gift vom Männchen auf das Weibchen übertragen. Das ist also nach der Kopulation giftiger als vorher. Das Weibchen selbst baut Dettner zufolge ein wenig Cantharidin als Fraßschutz in die einzelnen Eier ein.
Warum wir Ölkäfer so selten treffen
Dass wir den Ölkäfern so selten begegnen, liegt zum einen an diesem sehr komplexen Lebenszyklus, der sehr störanfällig ist, erklärt Thomas Schmitt, Direktor des Senckenberg Instituts in Müncheberg: "Trotz der riesigen Anzahl an Eiern, die jedes Weibchen legt, geht so viel 'auf dem Weg' verloren, dass kein großer Puffer da ist." Der Hauptgrund für die relative Seltenheit dieser Käfer sei aber der Verlust geeigneter Lebensräume. Das wiederum erklärt Professor Schmitt zufolge, warum die Tiere an für sie geeigneten Stellen dagegen zahlreich vorkommen, zum Beispiel an den Oderhängen Brandenburgs. Sein Fazit: "Wenn man den Tieren ihren Lebensraum lässt, ist der komplexe Lebenszyklus kein Problem. Wenn dieser schwindet, dann dagegen schon."
Und weil der Ölkäfer eben so besonders ist, hatten ihn Insektenforscher und Naturschützer zum "Insekt des Jahres 2020" bestimmt.
Aktualisierung Dieser Artikel erschien zuerst am 15.5.2023 und wurde am 27.3.2024 aktualisiert.
Dieses Thema im Programm: arte: Das Geheimwissen der Ägypter | 22. April 2023 | 20:15 Uhr