Verhaltensforschung Hello, Goodbye: Auch Schimpansen grüßen sich bei Ankunft und Abschied
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12. August 2021, 09:50 Uhr
Zu einem entspannten Miteinander tragen unter anderem auch die Begrüßungs- und Verabschiedungsformen bei. Bisher war man davon überzeugt, dass es nur ein Werkzeug der menschlichen Kommunikation sei. Britische Wissenschaftler zeigen mit einer Studie zur Verhaltensforschung bei Bonobos und Schimpansen das Gegenteil.
Manche winken mit der Hand, andere begrüßen sich mit einem Fist-bump. Wiederum andere umarmen sich, geben sich Küsschen oder schütteln die Hand – zumindest vor Corona. Ich erinnere mich an einen alten Kollegen, einen Bauleiter, der einem zur Begrüßung immer die Hand ein wenig zerquetscht hat. Begrüßungsfloskeln, aber auch Abschiedsgesten gehören zur Kommunikation. Bisher nahm man an, dass sie nur zur menschlichen Kommunikation gehören.
Doch auch Primaten machen das, wie die Ergebnisse einer Studie der Durham University im Vereinigten Königreich nun zeigen. Für die Analyse wurden insgesamt circa 1.200 Tiere beobachtet, darunter Bonobos und Schimpansen. Zwischen den interagierenden Affen wurden soziale und Machtdynamiken beobachtet, die laut den Forschern den menschlichen Höflichkeitsformen entsprechen.
Das Hallo und Tschüss der Affen
Raphaela Heesen, Postdoktorandin an der Durham University und Leiterin der Studie, und ihrem Team war es wichtig herauszufinden, wie eine gegenseitige Vereinbarung, wie beispielsweise die Fellpflege zustande kommen und beendet werden konnte.
Also: wie die Affen sich begrüßen und verabschieden. Die Primaten stellten dafür Blickkontakt her, um "Hallo" zu sagen. Die Reaktionen darauf waren entweder ein Blick entsprechend einem "Okay, klingt gut" oder "Auf Wiedersehen“, was die Kommunikation beendete.
Frühere Forschungen als Inspirationsquelle
Wie kamen die Forscher auf die Idee, solche Verhaltensmuster zu untersuchen? Bei früheren Experimente bei (menschlichen) Kindern wurde ihr Verhalten beim Spielen untersucht. Wenn der Versuchsleiter sich ohne Verabschiedung abrupt von der gemeinsamen Interaktion – dem gemeinsamen Spielen – entfernt hatte, protestierten die Kinder. Entweder erfolgte dies lautstark oder sie boten dem Versuchsleiter ihr Spielzeug an.
Ein ähnliches Verhalten wurde bei zwei Bonobos beobachtet. Dort ging es aber um die Körperpflege. Nachdem der eine Bonobo die Körperpflege beim anderen Affen beendet hatte, versuchte der andere Bonobo mit Gesten, die Interaktion wieder aufzunehmen.
Blickkontakt und Co. wie bei uns Menschen
Stellen Sie sich einmal vor, Sie gehen auf dem Gehweg und eine Person kommt Ihnen entgegen. Damit es zu keinem Zusammenstoß koppt, werden Blicke ausgetauscht. Ein ähnliches Verhalten zeigte sich auch bei den Menschenaffen:
Die Gruppen von Bonobos und Schimpansen in Zoos haben sich tatsächlich häufig gegenseitig angeschaut und miteinander kommuniziert, um Interaktionen zu beginnen und zu beenden.
Sie nutzen Gesten wie gegenseitiges Berühren, Händchenhalten, Kopfstoßen oder gegenseitiges Anstarren, und zwar vor und nach Begegnungen wie Putzen oder Spielen. Bonobos noch mehr als Schimpansen:
Bonobos tauschten in 90 Prozent der Fälle Eingangssignale und gegenseitige Blicke aus, bevor sie spielten, Schimpansen in 69 Prozent der Fälle. Die Ausstiegsphasen waren sogar noch häufiger: 92 Prozent der Bonobo- und 86 Prozent der Schimpanseninteraktionen beinhalteten den Ausstieg.
Einflussnahme durch soziale Nähe und Macht?
Die Forscher konnten auch einen Unterschied in der Dauer der Ein- und Ausstiegsphasen erkennen. Bei den Bonobos waren diese Phasen kürzer, wenn sie sich sozial nahe standen. Ähnliches kann man auch beim Menschen beobachten, erklärt Heesen:
Wenn man mit einem guten Freund interagiert, ist es weniger wahrscheinlich, dass man sich viel Mühe gibt, höflich zu kommunizieren.
Anders war es bei den Schimpansen. Bei ihnen herrscht eine größere Machthierarchie, wodurch der Grad der Freundschaft und die Stärke der sozialen Bindungen keine wesentliche Rolle bei den Begrüßungs- und Verabschiedungsformen spielten. Bei den Bonobos hat dagegen jedes Mitglied der Gruppe den gleichen Zugang zu zentralen Ressourcen wie beispielsweise Nahrung – die Forscher vermuten, dass dies der Grund für die unterschiedlichen Verhaltensweisen sein könnte.
Ob es diese Form der Kommunikation auch bei anderen Arten gibt, ist unklar. Dazu fehlen bisher Studien. Verhaltensforschung ist ein wichtiger Zweig der Wissenschaft, findet Heesen:
Verhalten versteinert nicht. Man muss keine Knochen ausgraben, um zu sehen, wie sich das Verhalten entwickelt hat. Aber man kann unsere nächsten lebenden Verwandten studieren: Menschenaffen wie Schimpansen und Bonobos.
Zur Studie
Die Studie "Bewertung der gemeinsamen Bindungen als Prozess bei Menschenaffen wurde am 11. August in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.