Sprachforschung Grammatik? Kann doch jeder Affe!

23. Oktober 2020, 15:35 Uhr

So schwer kann Grammatik doch nicht sein. Ist sie auch nicht, schließlich ist sie ein Teil unserer alltäglichen Kommunikation. Und der unserer Vorfahren. Und unserer Vorvorfahren. Und …

Zwei kleine Affen mit weißen Haarbüscheln am Kopf sitzen auf einem Ast. Zwei Sprechblasen mit Zeichen darin symbolisieren von den Affen angewandre Grammatik. Rinsherum und im Hintergrund viel unscharfes Grün.
Grammatik: Wenn's Weißbüschelaffen können, kann's doch nicht so schwer sein. Bildrechte: Wikimedia Commons/Francesco Veronesi (CC BY-SA 2.0); MDR (M)

Sie hadern gern mal mit der Grammatik und würden sich als sprachlich eher weniger talentiert einstufen? Na na na, nur nicht den Kopf in den Sand stecken. So schlecht sind Sie gar nicht! Nehmen wir mal folgenden Satz:

Die Katze, die zuvor mit mit einem Menschen Fangen gespielt hat, schläft auf einem Kissen.

Und, wer schläft auf einem Kissen? Die Katze, richtig. Dass Sie das verstanden haben ist ziemlich cool, denn dazu musste ihr Gehirn trotz des Einschubs mit dem Menschen eine Beziehung zwischen den Teilsätzen mit der Katze und mit dem Kissen herstellen. Noch eins:

Die Katze, die zuvor mit einem Menschen Fangen gespielt hat, der dazu ein Wollknäuel nahm, das er vorher bei einer netten Person in einem Stoffgeschäft eingekauft hat, schläft auf einem Kissen.

Ja, es wird kniffliger, aber nach wie vor sehen Sie die Katze vor sich, die entspannt auf dem Kissen döst und und eben nicht eine Person, die Wolle verkauft, bei der Siesta.

Abhängigkeiten von Wörtern erkennen

Dass wir Beziehungen zwischen Wörtern herstellen können, ist ein entscheidendes Merkmal unserer Sprache. Wir können nicht nur "Die Katze schläft auf einem Kissen" richtig deuten, sondern den Bezug zwischen Katze und Kissen auch herstellen, wenn es einen oder mehrere Einschübe gibt. Das sind so genannte "nicht-benachbarte Abhängigkeiten", im Gegensatz zu benachbarten Abhängigkeiten wie "Die Katze schläft auf einem Kissen". Ja, was sind wir Menschen schlau!

Was ist eigentlich Grammatik?

Grammatik mag Lernende zuweilen im Deutschunterricht ärgern. Im Grunde ärgert dort aber nur die Theorie über grammatikalische Gegebenheiten, die es wiederum zu lernen gilt. Denn wenn man von Kindesbeinen an eine Sprache lernt, lernt man auch ihre Grammatik – das System dieser Sprache. Ein Teilbereich der Grammatik ist die Syntax, die sich mit dem Bau von Sätzen beschäftigt. Wie die aktuelle Forschung zeigt, sind die Ursprünge dafür bereits viele Millionen Jahre älter als die menschliche Sprache selbst. Die verändert sich im Übrigen im Laufe der Zeit und damit auch die Grammatik. Das lässt sich derzeit am deutschen Genitiv sehen: Zum einen scheint er in der Umgangssprache zu verschwinden, zum anderen wird er teilweise auch fälschlich gebraucht, um einen besonders hohen Sprachstil hervorzuheben. Was ist nun richtig? Das, was sich irgendwann durchsetzt.

Nun. Nicht nur wir. Zwar kümmert es schlummernde Katze wenig, welche Rolle sie in welcher grammatikalischen Syntax spielt – bei Affen ist das aber anders. Und: Ausnahmsweise sind uns mal nicht nur die nächsten Verwandten, also Schimpansen und Bonobos, ebenbürtig, sondern auch Weißbüschelaffen. Die gehören zu den Krallenaffen und sehen ganz putzig aus, ihre Verwandtschaft mit uns Menschen lässt sich nur erahnen. Trotzdem: Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Universität Zürich hat herausgefunden, dass Weißbüschelaffen, Schimpansen und Menschen grammatikalische Tests gleichermaßen bestehen.

Test mit Tönen

Nur, wie soll das gehen, wo doch Tiere – zumindest meistens – nicht sprechen können? Die Forschenden haben dazu eine künstliche Grammatik entwickelt und statt Wörtern einfach Töne verwendet. Die kamen z.B. in einer bestimmten Reihenfolge nacheinander – in einer Syntax eben –, manchmal wurden sie durch Einschübe anderer Töne "gestört". Diese Einschübe sind vergleichbar mit sprachlichen Einschüben – also im Beispiel oben die Sachen mit dem Menschen und dem Wollknäuel. Solche Einschübe wurden im Test von Affe und Mensch gleichermaßen erkannt, so wie auch generelle Fehler in der Tonfolge, also der Syntax.

Die Schlussfolgerung ist ebenso erstaunlich wie das Ergebnis selbst: Diese Informationsverarbeitung nicht-benachbarter Abhänigkeiten ist älter als unsere menschliche Sprache selbst – und hat sich mindestens vierzig Millionen Jahre vorher entwickelt. Wenn Sie also das nächste Mal wieder mit der Idee der Grammatik hadern, schieben Sie es nicht auf Ihre Deutschlehrerin oder Ihren Deutschlehrer, sondern auf unsere felligen Ahnen, die einfach schon zu schlau waren.

flo

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