Wissen-News Lieber Karibus als Bäume: Wieso die Aufforstung der Arktis keine gute Idee ist
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08. November 2024, 10:52 Uhr
Eine internationale Forschungsgruppe hat davon abgeraten, in hohen Breitengraden die Erderwärmung mit dem Pflanzen von Bäumen aufhalten zu wollen. Der fragile arktische Lebensraum könne dadurch in Gefahr geraten.
Die Aufforstung gilt weithin als kosteneffizienter Weg zur Verringerung der globalen Erwärmung. Bäume sind in der Lage, große Mengen von Kohlenstoff aus der Luft zu speichern. Eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern hat allerdings auf die Grenzen dieses Plans hingewiesen – und die liegen unter anderem im hohen Norden. Dort würde das Anpflanzen von Bäumen den Klimawandel eher beschleunigen als abbremsen, sagt Jeppe Kristensen, Hauptautor der neuen Studie von der dänischen Universität Aarhus: "Die Böden in der Arktis speichern mehr Kohlenstoff als die gesamte Vegetation der Erde. Diese Böden sind anfällig für Störungen, etwa durch die Bewirtschaftung in der Forst- und Landwirtschaft, aber auch durch das Eindringen von Baumwurzeln."
Klimawandel ist Ergebnis der Energiebilanz der Erde
Dazu komme, dass Bäume den Boden verdunkeln, was die Energiebilanz des Untergrunds verändern. "Grüne und braune Bäume nehmen mehr Wärme von der Sonne auf als weißer Schnee." Dürren oder Waldbrände bedrohten zudem die Regionen, dadurch absterbende Vegetation könnte den gespeicherten CO2 schnell wieder in die Atmosphäre freisetzen. Generell sei die Klimadebatte sehr auf Kohlenstoff fixiert, was den Klimawandel nicht komplett abbilde, so Kristensen. "Aber im Kern ist der Klimawandel das Ergebnis davon, wie viel Sonnenenergie in die Atmosphäre gelangt und wie viel sie wieder verlässt – die so genannte Energiebilanz der Erde."
Pflanzenfresser als Alternative zu Aufforstung
Treibhausgase seien zwar eine wichtige Determinante dafür, wie viel Wärme aus der Atmosphäre entweichen kann, in hohen Breitengraden sei die Reflektion des Sonnenlichts zurück ins All allerdings bedeutsam für die Gesamtbilanz der Energie. "Ein ganzheitlicher Ansatz ist nicht nur eine reichhaltigere Art, die Klimaauswirkungen naturbasierter Lösungen zu betrachten, sondern er ist zwingend erforderlich, wenn wir in der realen Welt etwas bewirken wollen", erklärt der zweite Hauptautor und Polarforscher Marc Macias Fauria von der Universität Cambridge. Und wird deutlich mit Hinblick auf eine vermeintlich umweltentlastende Forstwirtschaft in der Arktis: "Man kann nicht alles haben und die Erde betrügen. Wenn wir die Aufforstung im Norden als Klimalösung verkaufen, machen wir uns nur selbst etwas vor."
Um den Klimawandel in der Arktis aufzuhalten, schlagen die Forscher vor, eher die Populationen großer Pflanzenfresser wie etwa Karibus aufzupäppeln. "Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass große Herbivore die Pflanzengemeinschaften und die Schneeverhältnisse in einer Weise beeinflussen, die zu einer Nettokühlung führt“, so Macias-Fauria. Demnach begrenzen die Tiere die Fauna durch ihr Fressverhalten, verdichten durch ihre Wanderungen den Schnee und verzögern damit das Auftauen des Permafrostbodens.
Links/Studien
Die Studie "Tree planting is no climate solution at northern high latitudes" ist in der Zeitschrift "Nature Geoscience" erschienen
jar/pm
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 05. November 2024 | 16:00 Uhr
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