Nachgefragt Achatina fulica: die perfekte Haustier-Schnecke?
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28. Mai 2024, 12:28 Uhr
Sind afrikanische Riesenschnecken gute Haustiere? Oder sind die Riesenschnecken gefährlich? Ein Experte für Riesenschnecken kennt die Antworten.
Sie sind leise, sie haaren nicht, sie kacken nicht in den Flur, sie fressen, was man ihnen vorsetzt, sie baden, ohne zu plätschern; sie springen nicht aufs Sofa oder zerkratzen die Schlafzimmertür, und das, obwohl sie nachts munter sind. Sie legen Eier, und man kann in aller Stille beobachten, wie ihr Nachwuchs heranwächst.
Sind Achatina fulica gute Haustiere?
Sind afrikanische Riesenschnecken damit optimale Haustiere? "Ja und nein", sagt Robert Nordsieck im Gespräch mit MDR WISSEN abwägend. Er ist Mitautor des Buches "Die Afrikanische Riesenschnecke Achatina (Lissachatina) fulica" und in der Familie Nordsieck Spezialist für Schnecken bereits in dritter Generation.
Wer schon einmal beobachten konnte, wie eine gewöhnliche Schnirkelschnecke Eier legt, versteht vielleicht die Faszination, die von ihren großen Verwandten, den faustgroßen Achatschnecken ausgeht, mit denen sich Robert Nordsieck beschäftigt. "Schnecken sind spannend und Achatina fulica ist leicht zu halten", sagt er. Sie wachsen schnell, vom Ei bis zur ausgewachsenen Schnecke dauert es nur sechs Monate.
Sind Achatina fulica gefährlich für den Menschen?
Aber was ist mit dem Lungenrattenwurm, einem Parasiten, der die Achatina fulica als Zwischenwirt nutzt und Menschen krank machen kann? "Diese Parasiten befallen Tiere in der Wildnis, das passiert im Terrarium nicht, wenn man sie von einem vertrauenswürdigen Züchter kauft. Der Wurm muss ja irgendwoher kommen, und es holt sich wohl niemand wildlebende Schnecken aus Afrika ins Haus", so der Schnecken-Experte.
Eine jüngst veröffentlichte Schweizer Studie hatte kürzlich aufgezeigt, dass in den vergangenen 60 Jahren 36 verschiedene Krankheitserreger, von denen 15 auch Menschen krank machen können, in Achatina fulicas nachgewiesen wurden. Am häufigsten wurde in den analysierten Studien der Lungenrattenwurm gefunden, ein Krankheitserreger, der bei Menschen Meningitis auslösen kann, die bei Erwachsenen zu schweren neurologischen Beeinträchtigungen und bei Kleinkindern zum Tod führen kann.
Wie können Achatina fulica Menschen krank machen?
Sämtliche Krankheitserreger, die die Schnecken beherbergen kann, können durch den Verzehr schlecht gegarter Schnecken oder durch den Verzehr von Gemüse, mit dem die Schnecken in Berührung gekommen sind oder durch direkte Berührung der Schnecke überragen werden. Deshalb ist es wichtig, Gemüse gründlich zu waschen und die Schnecke nicht ohne Handschuhe anzufassen.
Aber sind eigentlich nur Achatina fulica Zwischenwirte für Krankheitserreger? Keinesfalls, sagt Robert Nordsieck und verweist auf die Schlammschnecke, die Billharziose verbreiten kann, oder die Heideschnecke, die als Zwischenwirt für Zerkarien, also Fadenwürmer, fungiert (kennt man aus Badeseen, Zerkarien sorgen beim Menschen als Fehlwirt lediglich für juckenden Hautausschlag) oder die Bernsteinschnecke, die, wenn sie von Leucochloridium paradoxum befallen wird, geringelte, absonderlich große Fühler aufweist.
Gibt es in Europa Achatina fulica außerhalb von Terrarien?
In Europa ist Achatina fulica leicht zu kaufen, sowohl Privatpersonen als auch Züchter bieten sie in Foren und Kleinanzeigen-Portalen ab 1 Euro das Stück an. Verkauft werden sowohl Schnecken-Eier-Gelege als auch Jungtiere. Erstaunlicherweise auch in Spanien, wo die Regionalregierung der Kanaren seit dem Sommer im Alarmzustand ist. Im Juli 2023 wurden nämlich auf Teneriffa frei lebende Exemplare gefunden. Die Regionalregierung hat dazu aufgerufen, eine Hotline zu kontaktieren, wo Riesenschnecken-Funde gemeldet werden sollen. Auf dem spanischen Festland dagegen sind im Süden in Andalusien schon 2011 erste Exemplare aufgetreten, seit 2016 wird die Population dort beobachtet.
Im Sommer 2009 wurde ein Exemplar in der Slowakei in Ve'ký Krtíš entdeckt. Im Oktober 2018 wurden in Ferrara, Region Emilia-Romagna, ein lebendes und ein totes Exemplar sowie Schalenfragmente eines dritten Exemplars gefunden.
US-Staat Florida: Eine Million Dollar für die Bekämpfung der Achat-Schnecke
Ganz anders in den USA. Hier hat man seit den 1960er-Jahren Erfahrungen mit der schnell wachsenden Schnecke gemacht: Ein Junge aus Florida soll von Hawaii – wo sie in den 1930-er Jahren eingeführt wurde – drei Exemplare nach Südflorida mitgebracht haben, die von seiner Großmutter später im Garten ausgesetzt wurden. Sieben Jahre später wurden mehr als 18.000 ausgewachsene Schnecken mit tausenden Eiern gefunden, in den zehn Folgejahren eine Million Dollar für die Ausrottung der Schnecken eingesetzt. Genau wie in Spanien gibt es auch in den USA eine Hotline, bei der man Funde der Riesenschnecken melden kann.
Seither musste Florida sich in drei verschiedenen Bezirken mit Populationen der Riesenschnecken auseinandersetzen, die genetisch nicht miteinander verwandt waren, zuletzt erst wieder 2022. Nicht nur die Einfuhr, auch der Besitz dieser Schnecken ist in den USA verboten. In Europa enthält die EU-Verordnung 1143/2014 zwar Maßnahmen zur Verhinderung und Eindämmung der Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten, einschließlich Beschränkungen für Haltung, Kauf, Verkauf und Freisetzung in der freien Natur. Achatina fulica ist in der Unionsliste der invasiven, gebietsfremden Arten aber noch nicht aufgeführt.
Warum sind Einfuhr und Besitz dieser Schnecken in den USA verboten?
Achatina fulica zählen zu den weltweiten Plagen, sie stehen auf der globalen Gefahren-Liste der 100 invasien Arten. Warum eigentlich? Acahtina fulica sind Allesfresser und rasend schnell, wenn es um Vermehrung und Anpassungsfähigkeit geht. Während sich der kleine Schneckennachwuchs verrottetes Pflanzenmaterial und weiches Futterstoffe wie Bananen, Rüben, Tagetes frisst, ist der Speiseplan der ausgewachsenen Exemplare breit gefächert: 500 verschiedene Pflanzenarten vertilgen sie, je nach Angebot; darunter Aubergine, Kürbis, Erdnüsse, Bohnen, Erbsen, Gurken, Melonen, Salat und mehr.
Fehlt es an derlei Angeboten, fressen sie auch Zierpflanzen, Baumrinde und angeblich sogar Farbe und Stuck an Häusern, wie das US Department of Agriculture auf seiner Informationsseite über diese Schnecken schreibt. Sie fressen aber auch andere einheimische Schnecken, womit sie gleichzeitig ihren Kalkbedarf decken, sowie Flechten und Pilze.
Wie pflanzen sich Achatina fulicas fort?
Einmal geschlechtsreif, können sich die Riesenschnecken bei optimalen Lebensumständen – sprich Temperatur, Feuchtigkeit der Umgebung, Nahrungs- und Kalkangebot passen – ständig reproduzieren. Vom Ei bis zur ausgewachsenen Schnecke dauert es sechs Monate, sagt Nordsieck. Achatina fulicas sind zweigeschlechtig.
Was bedeutet das für die Fortpflanzung, wenn sich zwei ausgewachsene Riesenschnecken treffen? Bei ausgewachsenen Exemplaren können beide weibliche und männliche Fortpflanzungszellen produzieren, weiß Nordsieck: "Nach einer Paarung legen dann beide Schnecken Eier." Allerdings nur, wenn die Schnecken in Alter und Größe übereinstimmen, sonst übernimmt die größere die Eiproduktion.
Afrikanische Riesenschnecken können bis 500 Eier auf einmal legen
Und zwar nicht zu knapp. Pro Gelege sind bis zu 500 Eier bei einer Ablage möglich. "Die müssen im Terrarium regelmäßig gesucht und entfernt werden", sagt Nordsieck. Dazu muss man die Höhlen finden, in denen die Schnecken ihre Gelege verstecken. Manchmal geht es auch leichter: "Weil die Schnecken sich auch gern eingraben, buddeln sie dabei ihre Gelege wieder aus."
Das ist Arbeit, und man darf die Eier keinesfalls im heimischen Kompost entsorgen", warnt Nordsieck und erklärt auch warum: "Man darf exotische Tiere nicht aussetzen, das steht auch in Paragraf drei, Absatz vier des Tierschutzgesetzes. Daher empfiehlt es sich, frühzeitig etwas gegen den Nachwuchs zu unternehmen. Das Einfrieren der Eier ist auch deutlich humaner als das Abtöten der geschlüpften Tiere."
Hat Achatina fulica denn keine Fressfeinde?
Tatsächlich gibt es Fressfeinde der gefräßigen Schnecke. Dazu zählen viele Nagetierarten wie die Reisfeld-Ratte, die Malayische Feldratte, die Polynesische Ratte, Wildschweine, auch Landkrebse, andere Schneckenarten und verschiedene Krustentiere.
Allerdings nicht dort, wohin Achatina fulica eingeführt wurde, als Haus- oder Zuchttier. So verweist Robert Nordsieck auf die Pazikifinsel Moorea, wo man sich in den 60er-Jahren ein Wirtschaftswachstum durch die Zucht von Achatina fulica erhoffte. Der Erfolg blieb aus und man überließ die Hoffnungsbringer sich selbst. Vergeblich wurde später versucht, die sich munter verbreitende Achatina fulica mit einer Raubschnecke auszuschalten: ein Schuss, der nach hinten losging – die rosige Wolfsschnecke Euglandina rosea vertilgte viel lieber die einheimischen Partulaschnecken, und ließen Achatina fulicas ihrer Wege ziehen.
Achatina fulica in Deutschland: Warme Gebiete wie Rheingraben und Breisgau gefährdet
Nun gut, könnte man sagen, in Ländern mit feuchtwarmem Klima ist es kein Wunder, dass sich Achatinas leicht vermehren, etliche Länder Südamerikas und Südostasiens plagen sich mit der Schadschnecke herum.
Aber wir hier in Europa? Wie wahrscheinlich ist das Szenario, dass Riesenschnecken zum Beispiel in Deutschland im Freien überleben könnten? "Die Gefahr ist real", sagt der Experte. Wenn es feucht genug ist, könnten Eier auch außerhalb der Legehöhle überleben. Den Winter würden diese Achatschnecken zwar kältebedingt in den meisten Regionen Deutschlands draußen nicht überstehen. Denkbar sei das aber durchaus in wärmeren Regionen wie im Breisgau in Baden-Württemberg oder in Graz in Österreich, führt Nordsieck aus. "Und dass milde Winter Schneckenprobleme verschärfen, sehen wir im Sommer unseren Gärten, wo nach milden Wintern mehr Nacktschneckenschäden auftreten."
Sind Riesenschnecken als Haustiere geeignet? Auf jeden Fall!
Zurück zur Ausgangsfrage: Sind diese speziellen Schnecken nun geeignete Haustiere? Robert Nordsieck sagt: "Ja, auf jeden Fall. Persönlich würde ich zwar eher einheimische Schnecken als Kindergartentiere vorschlagen, damit die Kinder gleichzeitig auch etwas über die einheimische Fauna lernen. Achatschnecken sind andererseits aber deutlich größer und besser zu sehen und sind daher vielleicht ein besseres Haustier. Lissachatina fulica ist im Gegensatz zu vielen anderen Achatschneckenarten sehr anspruchslos, was sie zu einem guten Terrarientier für Anfänger macht."
Links/Studien
Studie zur Bekämpfung von Achatina fulica 2023
Achatina fulica in Italien
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