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Elektromobilität Das Aus vom Verbrenner-Aus? Das muss sich in Deutschland ändern

15. Juli 2024, 13:56 Uhr

Weltweit steigen die Verkäufe von Elektroautos, nur in Deutschland ist die Nachfrage zuletzt gesunken. Auch die Autoindustrie korrigiert ihre Ziele immer wieder nach unten. Die nun eingeführten Strafzölle auf Elektroautos aus China könnten das Problem verschärfen. Was also muss passieren, damit das Verbrenner-Aus tatsächlich kommen kann? Der Forscher Thorsten Koska nennt drei Faktoren.

Junge Frau mit langen, braunen Haaren gelben Mantel, lacht und blickt mit leicht gesenktem Kopf in Kamera
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Eigentlich sieht es für die Elektromobilität gut aus: Batterien können dank sinkender Lithiumpreise und neuer Technik billiger werden, die Reichweite wird größer, Angebot und Nachfrage steigen weltweit. Nur in Deutschland gibt es einen Knick. Nach dem Wegfall der Förderung gingen die E-Autoverkäufe um fast 16 Prozent zurück. Und auch die Hersteller haben ihre Elektromobilitäts-Ziele mittlerweile nach unten korrigiert.

Mit den Strafzöllen der EU auf Elektroautos und deren Bestandteile aus China können nun weitere Probleme hinzukommen: Die deutschen Autobauer sehen als Produzenten teurer und hochwertiger Autos, die chinesische Ware im billigeren Preissegment als keine große Konkurrenz, wohl aber die Zölle als Problem für die eigene Produktion. Denn viele der deutschen, auch europäischen Autos werden in China produziert und sind damit selbst von den Zöllen betroffen.

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Daneben liegen wichtige Rohstoffe und Batterien, die für E-Autos notwendig sind, in chinesischer Hand. Im schlimmsten Fall kommen also nicht nur keine billigeren Elektroautos aus China, sondern auch die Autos auf dem heimischen Markt könnten sich verteuern, so Thorsten Koska vom Wuppertal Institut Klima, Umwelt, Energie.

Die Strafzölle könnten ihm zufolge aber auch der deutschen Autoindustrie die Chance eröffnen, eigene konkurrenzfähige, günstige Elektrofahrzeuge auf den Markt zu bringen. Dafür müssen aber folgende drei Punkte erfüllt werden:

1. Schluss mit dem politischen Hü und Hott

Sowohl auf deutscher als auch auf europäischer Ebene gibt es immer wieder ein politisches Tauziehen um Klimaziele und die jeweiligen Vorgaben für den Verkehr. Das sorge bei Herstellern und Verbrauchern gleichermaßen für einen Verlust an Glaubwürdigkeit und Unsicherheit, so Thorsten Koska. Ihm zufolge hätten in den letzten Jahren "verschiedene politische Akteure die EU-Flottengrenzwerte mit dem Verbot für fossile Verbrenner in Frage gestellt und deren Abschwächung angekündigt". Auch dass die Bundesregierung die Förderung von E-Fahrzeugen einstellt, würde den Markt weiter schwächen.

Zahlen der Neuzulassungen von reinen Elektorfahrzeugen und wie sie sich durch die jeweiligen politischen Entscheidungen verändern
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Tatsächlich ist seitdem die Nachfrage gesunken. Eine Delle, vermutet Thorsten Koska, die sich langfristig wieder geben wird. Schon im Juni 2024 stieg laut Kraftfahrtbundesamt die Zahl der Neuzulassungen wieder auf einen ähnlichen Stand wie vor dem Ende der Kaufprämie und auch die öffentlichen Ladepunkte sind laut Bundesnetzagentur seit dem vergangenen Jahr um 40 Prozent gestiegen. Trotzdem benötigt es zusätzliche Anreize, so Thorsten Koska. Besonders in einem Land, in dem sowieso schon viele Vorbehalte und Vorurteile existieren - etwa, was die Umweltfreundlichkeit von Elektroautos angeht. Die fehlenden Haushaltsmittel seien dabei kein Grund zu verzichten. Auch ohne gäbe es Möglichkeiten, Anreize zu schaffen.

2. Die richtigen Anreize und Signale für Verbraucher setzen

Er schlägt eine Neuzulassungssteuer für Verbrenner und einen entsprechenden Steuerwegfall für Elektroautos vor. Eine Art Bonus-Malus-System, wie es bereits in vielen europäischen Ländern der Fall ist – etwa in Norwegen. Das hieße: Ein klares Signal für die Elektromobilität, mehr Steuereinnahmen für die Regierung und entsprechende Anreize für die Verbraucher.

Ein Gewinn für alle, meint Thorsten Koska, letztendlich auch für die Autoindustrie. Denn eine solche Steuer nur aus vermeintlichen Schutz für die heimische Wirtschaft wegzulassen, bewirke das Gegenteil. "Es gibt die Vorstellungen, man würde der Automobilindustrie helfen, wenn man den Verbrennungsmotor länger leben lässt", so der Forscher. "Letztendlich besteht die Gefahr, und das sehen wir auch aktuell, dass Investitionen in Innovation, in neue E-Auto-Technik, Batteriefabriken und Ähnliches aufgeschoben werden und damit die Hersteller drohen, weiter den Anschluss zu verlieren."

Weltweit wachsen die Märkte für Elektroautos. Im letzten Jahr stiegen die Verkäufe laut International Energy Agency um 35 Prozent, schon jetzt liegen Automarken wie Tesla oder BYD international vorn. Letzterer löste auch Volkswagen als Sponsor der Europameisterschaft ab. Selbst Anbieter fernab der Autoindustrie, wie etwa Huawei, steigen mit ein.

Weltweite Neuzulassungen von Elektroautos und der Anteil in den 3 großen Leitmärkten
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Das Problem, dass deutsche Hersteller zunehmend abgeschlagen sind, sieht auch Psychologe Christian Stöcker. In einer Spiegel-Kolumne schreibt er über das zögerliche Verhalten der Autobranche und darüber, dass ausgerechnet ein Wirtschaftsbuch aus den 90ern das Dilemma erklärt: Demnach würden Produkte, die heute noch nicht nützlich erscheinen, morgen genau die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden decken. Wer nach Nachfrage geht, hinkt immer hinterher. Soll heißen: Statt darauf zu warten, bis alle eingestiegen sind, sollten die Hersteller zuerst am Zug sein. Und ein guter Start ist der Preis.

3. Elektroautos müssen für alle bezahlbar werden

Der ist der größte Kritikpunkt. Denn, dass Staaten wie Deutschland die Elektroautos subventioniert haben, hat den Autoherstellern auch gleichzeitig die Möglichkeit gegeben, sich darauf auszuruhen. Auch die Bundesregierung fordert: Die Anschaffungskosten müssen gesenkt werden.

Das beherrschen die asiatischen Hersteller: Im Gegensatz zu den europäischen bieten sie Elektroautos der unteren Mittelklasse für Preise unter 10.000 Euro in großer Stückzahl an, auch BYD. Zum Vergleich: Die meisten europäischen Kleinwagen, die der ADAC auflistet, liegen im Preisbereich von 20.000 bis 40.000 Euro.

Die Preise kämen aber nicht nur durch chinesische Staatssubventionen zustande (ein Hauptgrund für die Strafzölle), so Maximilian Fichtner vom Institut für Nanotechnologie am Karlsruher Institut für Technologie. "Asiatische Hersteller sind schlicht innovativer, pragmatischer und setzen neue Erkenntnisse schneller in bezahlbare Hochtechnologie um." Etwa bei Akkus. So sorgten chinesische Entwickler für eine Renaissance der Lithium-Eisenphosphat-Batterie, die billiger ist als der Lithium-Ionen-Akku, setzen zunehmend auf Wechselakkus und entwickelten das Auto mit dem niedrigsten Luftwiderstand.

Für deutsche Hersteller heißt das, in neue Techniken investieren, auch kleine, erschwingliche Fahrzeuge anbieten. Größter Faktor ist dabei die Batterie, so Thorsten Koska. Die müsste innovativer und in Massen angefertigt werden. "Dort hat China und insgesamt Südostasien einen aktuell großen Vorsprung, der aber aufgeholt werden kann, wenn die europäische Industrie sich darauf künftig fokussiert." Einfach dürfte das nicht werden, denn China hat nicht nur einen Wissens- und Infrastrukturvorsprung, sondern besitzt eben auch wertvolle Rohstoffe, die für den Bau der Elektroautos gebraucht werden. Umso wichtiger sind Innovationen und Investitionen bei uns in Europa. Strafzölle allein helfen nicht.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 12. Juli 2024 | 19:47 Uhr

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