Leipziger Pazifik-Expedition Im Nordpazifischen Müllstrudel schwimmt vor allem Polyethylen
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24. Juni 2020, 20:00 Uhr
Sechs Wochen lang war das Forschungsteam vom Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) im vergangenen Jahr auf dem Pazifik unterwegs: Auf dem Weg von Vancouver nach Singapur haben sie zahlreiche Proben genommen und Plastik aus dem Meer gefischt. Seit dem Spätsommer sitzen sie an der Auswertung einer ganzen Containerladung Material und Proben. Nun gibt es erste Erkentnisse und noch immer einige Hürden.
Zehn Monate ist es mittlerweile her, dass auf den Hof des Umweltforschungszentrums in Leipzig ein Lkw mit einem großen blauen Schiffscontainer an Bord gefahren kam. Darin war wertvolle wissenschaftliche Fracht: Proben aus dem Pazifik - Wasserproben, Sedimente vom Meeresboden und größere Plastikteile, die das Forschungsteam aus dem Wasser gefischt hatte. Seitdem sind allein am UFZ in Leipzig vier Arbeitsgruppen mit der Auswertung und der Analyse dieser Proben beschäftigt und auch an mehreren Partner-Einrichtungen wird daran geforscht, erzählt die Leiterin der Expedition MICRO-FATE - die Umwelttoxikologin Annika Jahnke.
Einmal über den Pazifik
Jahnke und ihr Team aus 19 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterschiedlicher Institute haben innerhalb von sechs Wochen den Pazifik überquert. Dabei sind sie auch durch den Nordpazifischen Müllstrudel - den sogenannten Great Pacific Garbage Patch - gefahren. Der befindet sich im Pazifik auf etwa 30 Grad Nord, erklärt Jahnke. "Das ist da, wo Ozeanströmungen sich treffen. Dadurch wird das Meer an der Oberfläche in eine Strudelbewegung versetzt, wo sich Plastik, was an der Oberfläche schwimmt, anreichern kann." Hat sich hier also tatsächlich mehr Plastikmüll finden lassen als in anderen Bereichen des Ozeans?
Auf der Reise hat das Team an insgesamt neun Stellen Proben genommen: An der Wasseroberfläche, in der Wassersäule - also den verschiedenen Wasserschichten - und vom Meeresboden. Das besondere Interesse der Forschenden gilt dabei dem Plastik: Jedes Jahr gelangen Millionen Tonnen Plastikabfälle über Flüsse, durch Wind oder Abwässer in die Ozeane. Der kleinste Teil davon schwimmt an der Wasseroberfläche. Doch was passiert mit dem Rest? Um das herauszufinden, hat das Team so viele Proben wie möglich genommen.
Analysen mit Hindernissen
Im Labor analysieren die Forschenden nun seit einigen Monaten die Proben. Insgesamt gibt es am UFZ vier Teams dafür: Eine Gruppe beschäftigt sich mit der Analyse der Polymere - sie bestimmt also, um was für eine Art Plastik es sich bei den Proben genau handelt. Jahnkes Arbeitsgruppe beschäftigt sich daneben mit der sogenannten Schadstoff-Analytik. Dabei geht es um die Umweltschadstoffe, die das Plastik entweder aufgenommen oder auch abgegeben hat. Und dann gibt es noch die Fachleute für die Effekte, ergänzt Jahnke. Die kümmerten sich etwa um die Organismen, die auf der Oberfläche des Plastiks gewachsen sind.
Und wir haben festgestellt, dass der Pazifik sehr nährstoffarm ist. Also das war bekannt, aber wir haben das auch wirklich gesehen. Das heißt also, dass diese Oberfläche, dieser Lebensraum Plastik möglicherweise tatsächlich einen relevanten Anteil am Umsatz in diesem sehr nährstoffarmen Gebiet haben könnte.
Angefangen hat das Team mit den Proben von der Wasseroberfläche: Also den größeren Plastikteilen, die sie aus dem Meer gefischt haben. Je tiefer die Probe entnommen wurde, desto weniger bzw. desto kleinere Plastikpartikel sind darin enthalten, erläutert Jahnke.
Das Team arbeite deshalb gerade daran, die Analysemethoden zu verfeinern und anzupassen. Denn gerade diese Proben stellten hohe Anforderungen an die Methoden. "Das heißt, häufig wächst irgendetwas an den Partikeln, sie haben Biofilm auf der Oberfläche", erläutert die Forscherin. Dann müsse man erst einmal den Biofilm loswerden, um das Plastik identifizieren zu können. Vor Herausforderungen wie diesen stand das Team in den vergangenen Wochen häufiger, so Jahnke. Und das, obwohl es Vorarbeit gebe.
Meistens müssen wir das Rad nicht neu erfinden, sondern es gibt schon publizierte Methoden. Häufig ist es aber so, dass die nicht detailliert genug beschrieben sind. Oder man stößt auf Probleme, die dort nicht erwähnt werden.
Und genau aus diesem Grund habe sich das Team noch nicht an die Proben aus tieferen Wasserschichten "herangewagt". "Einfach weil wir die Methoden noch nicht bis zum Letzten verfeinert haben", meint Jahnke. Anders sieht es bei den Bodenproben aus der Tiefsee aus. Dort sei die Methodik jetzt so weit entwickelt, dass sie in den kommenden Monaten untersucht werden können.
Das sei etwas später, als es eigentlich geplant gewesen ist, sagt Jahnke. Denn natürlich hat die Corona-Pandemie auch dem Forschungsteam zu schaffen gemacht. Auch sie konnten aufgrund der Pandemie-Maßnahmen nicht in ihre Labore und waren zum Abwarten gezwungen. "Durch die Corona-Unterbrechung haben wir auch ein paar Wochen, wenn nicht gar Monate, verloren", sagt Jahnke.
Vor allem Polyethylen an Meeresoberfläche
Obwohl das Forschungsteam diese Verzögerungen aufgrund der Corona-Pandemie zu verschmerzen hatte, gibt es mittlerweile erste Erkenntnisse, erzählt Studienleiterin Jahnke. So handle es sich bei fast allem Material, was das Team von der Wasseroberfläche abgefischt hat, um ein und dasselbe Plastik - nämlich um Polyethylen. Und Jahnke vermutet auch schon, woran das liegen könnte: Die Dichte von Polyethylen ist geringer als die von Wasser. Das führt dazu, dass das Plastik schwimmt.
Polyethylen Polyethylen gilt als einer der weltweit am meisten genutzten Standardkunststoffe. Er wird vor allem für Verpackungen genutzt.
Sinken also vor allem die anderen Plastikarten eher ab? Das kann Jahnke noch nicht beantworten. Dazu müsse sie noch die Analyse der Proben aus den verschiedenen Wasserschichten abwarten. Doch mit diesen Ergebnissen rechnet sie erst im Winter.
Mehr verraten haben dem Forschungsteam die Proben aus dem Netz des sogenannten Katamarans. Der war am Forschungsschiff SONNE befestigt und sammelte Plastik von der Wasseroberfläche ein. Anhand der Menge konnten die Forschenden nun feststellen, dass es im Bereich des Nordpazifischen Müllstrudels tatsächlich erheblich mehr Plastik an der Wasseroberfläche gibt.
Da haben wir gesehen, dass die Konzentrationen im Bereich des Great Pacific Garbage Patch tatsächlich deutlich höher waren als in den Randgebieten, wo wir Proben genommen haben.
Es gebe zwar tatsächlich keine Plastikinseln und auch keinen zusammenhängenden Müllteppich an irgendeiner Stelle des offenen Pazifiks, so Jahnke. Man sehe aber schon vom Schiff aus Gebiete, in denen man "jede Minute sozusagen ein neues, großes Plastikstück vorbeischwimmen sieht".
Sinken 99 Prozent des Mülls in die Tiefe?
Bisher konnte das Team um Jahnke eine der spannendsten Hypothesen ihrer Forschung also noch nicht bestätigen oder widerlegen: Demnach schwimmt nur ein Prozent von dem Plastik, das in die Weltmeere transportiert wird, an der Oberfläche. Der Großteil sinkt ab und befindet sich entweder in der Wassersäule oder am Ozeanboden, so Jahnke. Wenn die Analysedaten dann aber vorliegen, könnten sie sogar mit anderen Regionen verglichen werden.
Wir hatten das Glück, dass wir auf der Expedition zwei Kolleginnen vom Alfred-Wegener-Institut dabei hatten, die eigentlich in der Arktis forschen. Die haben Publikationen und Daten in der Arktis erzeugt, zu Fragen, wie viel Plastik sich unter dem Seeeis befindet und wie viel zur Tiefsee absinkt. Und das heißt, wir können dann einen Vergleich ziehen.
Da der Nordpazifische Müllstrudel als eine der am schlimmsten mit Plastik kontaminierten Regionen der Welt gilt, in dem es schon an der Oberfläche riesige Ansammlungen gebe, erwarten die Forschenden, dass sich auch darunter in der Tiefsee deutlich mehr Plastikmüll findet als in der Arktis. Denn dort sei ja auch an der Meeresoberfläche viel weniger davon zu sehen, erläutert Jahnke.
Aber das ist jetzt eine super spannende Fragestellung, die wir leider noch nicht beantworten können, weil wir zwar aus der Arktis schon wissen, wie es sich dort verhält, aber eben noch nicht aus dem Pazifik. Da werden wir uns noch ein bisschen gedulden müssen.
(kie)
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