Tiefseebergbau Erze aus der Meer: Forschungsschiff "Sonne" untersucht Folgen des Tiefseebergbaus
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19. November 2022, 05:00 Uhr
Auf den Böden der Tiefsee schlummern ungehobene Schätze, die der Mensch gut gebrauchen könnte: Kupfer, Nickel, Kobalt, Lithium, Zink, Molybdän und Seltene Erden. Aber was passiert, wenn man in der Tiefsee Erze schürft? Das Forschungsschiff "Sonne" ist erneut auf Expedition, um solche Fragen zu klären.
Kupfer, Nickel, Kobalt, Lithium, Zink, Molybdän und Seltene Erden: In der Tiefsee gibt es theoretisch viel zu holen für den Menschen. Nur mit welchen Folgen?
Für Meeresbiologin Prof. Antje Boetius gibt es viele Fragen, die erst beantwortet werden müssen, bevor wir uns am Tiefsee-Meeresboden zu schaffen machen: "Was wollen wir Menschen uns leisten? Was müssen wir uns leisten können? Besonders die Frage, wo künftig seltene Metalle herkommen sollen für all das, was es neu zu bauen gilt, für all die Geräte, die wir brauchen oder zu brauchen glauben, gucken wir in die Tiefsee. Dort gibt es Vorkommen von einer Vielfalt seltener Metallen, und das scheint leichter zu sein, sich dort zu bedienen als an Land."
Ein trügerischer Schein, und die Forscherin warnt im Gespräch mit MDR WISSEN deutlich: "Wenn wir tatsächlich zum Tiefseebergbau kommen müssen, bedeutet das einen gigantischen Eingriff in die Lebensvielfalt der Tiefsee, in die bis dahin weitgehend ungestörten Lebensräume. Es ist unsere Aufgabe als Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen abzuschätzen, was für eine Bedrohung das für die Artenvielfalt der Tiefsee darstellt."
Expedition SO295
Um festzustellen, welche Kettenreaktionen der Mensch in tausenden Metern Tiefe auslöst, wenn er erzhaltige Knollen vom Boden entfernt, ist das Forschungsschiff "Sonne" jetzt wieder in See gestochen. Die aktuelle Expedition SO295 geht in die Clarion Clipperton Zone zwischen Mexiko und Hawaii. Das Projekt "MiningImpact", übersetzt in etwa "Auswirkungen des Erzabbaus", will untersuchen, wie stark und dauerhaft das Ökosystem am Ozeanboden durch den Manganknollenabbau geschädigt wird. In einem Testgebiet auf mehreren 10.000 Quadratmetern Fläche war Anfang 2021 die Oberfläche mit Manganknollen vom Tiefseebodens abgeerntet worden. Nun will das Forschungsteam mit Expertinnen und Experten aus zwölf Instituten untersuchen, wie sich das seither auf das Leben in der Tiefe ausgewirkt hat. Insgesamt ist es die fünfte Expedition des Projekts MiningImpact.
Die Folgen des Tiefseebergbaus lassen sich bislang nur erahnen
Projektkoordinator Dr. Matthias Haeckel sagt: "Unsere wissenschaftlich unabhängigen Untersuchungen während dieses Kollektortests haben gezeigt, dass hierbei mit den Knollen die belebte Zone des Meeresbodens, die oberen vier bis acht Zentimeter, komplett entfernt wurden."
In der Wassertiefe, in der Manganknollen vorkommen, baut sich die Sediment-Schicht durch das Absinken abgestorbenen Planktons über 10.000 bis 20.000 Jahre auf. Beim Einsammeln der Knollen werden diese Sedimente erst mit aufgenommen und später in die tiefen Wasserschichten zurückgeleitet. Und da beginnt eines der Probleme: Die Sedimente setzen sie sich nicht automatisch wieder da ab, wo sie vorher lagen, sondern auch in Nachbarregionen der Abbaufläche. "Dadurch wird eine deutlich größere Fläche als das Abbau-Areal geschädigt werden. Die Auswirkungen sind zudem langfristig – es wird Jahrhunderte dauern, bis sich die Ökosystemfunktionen in diesen Gebieten wieder erholt haben. Das spezielle Manganknollenhabitat ist jedoch dauerhaft zerstört", prognostiziert Dr. Felix Janßen, Tiefseeforscher am AWI.
Artenvielfalt am Tiefseeboden
Aber wen stört es eigentlich, wenn man erzhaltige Klumpen vom Meeresboden einsammelt, die liegen da unten doch bloß rum (weitgehend unberührt seit Millionen Jahren, so lange brauchen sie zum Wachsen) und außer Stille und Dunkelheit passiert hier nichts?
Aber der Schein der stillen Dunkelheit trügt, denn sogar die Knollen selbst beherbergen jede Menge Lebewesen, spezielle Tiefseeorganismen wie den gestielten Schwamm, oder Weichkorallen, Seeanemonen und Seepocken. Und auch das Tiefseesediment ist ein belebtes Gebiet, hier leben Hunderte Arten, wie Ruderfußkrebse, Schlangensterne, Würmer und Muscheln. Diese Lebensräume würden durch die Manganknollen-Sammlung gestört. Lebensräume, die immer noch weitgehend unbekannt sind, wie Professor Dr. Pedro Martínez Arbizu, Fahrtleiter der Expedition, weiß: "Die Artenvielfalt im Manganknollengebiet ist enorm. Die meisten Arten sind noch nicht beschrieben und über ihre Lebensweise ist noch gar nichts bekannt."
Links/Studien
Hier können Sie alles über das Projekt MiningImpact lesen.
lfw