Im Gespräch mit Antje Boetius Tiefsee-Forschung sichtet Müll statt Meer
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22. September 2021, 12:05 Uhr
Antje Boetius ist mehrfach ausgezeichnete Tiefseeforscherin. Im Gespräch mit MDR WISSEN auf dem Silbersalz Festival in Halle/S., dessen wissenschaftliche Leiterin sie ist, schildert sie, wie sich das Handeln der Menschen und der Klimawandel selbst in den tiefsten Tiefen der Meere bemerkbar machen.
An rund 50 Tiefsee-Expeditionen hat Antje Boetius in ihrem Leben schon teilgenommen. Dass der Einfluss des Menschen aber Klima und Natur schadet, hat sie schon bei ihrer allerersten Fahrt im Pazifik erfahren:
"Ich habe noch studiert und wollte lernen, wie man überhaupt Tiefseeleben fängt und bestimmt. Und dann im Netz aus 4,5 Kilometer Wassertiefe kam raus: Plastiktüten, Cola- und Pepsi-Dosen und allermöglicher Schrott. Mitten im Pazifik, hunderte von Meilen kein Land in Sicht. Da hab' ich gedacht, wie kann man nur so viel Pech haben. Ich bin Studentin, ich will hier losforschen. Und wahrscheinlich ziehen alle anderen Studenten der Meeresforschung ganz neue Tiere raus und ich habe einen Haufen Müll."
Das war 1990. Eines sei ihr damals einfach noch nicht klar gewesen, sagt Forscherin Boetius heute, nämlich, dass der Müll schon überall war. Seitdem habe der Anteil von Abfall im Wasser erschreckend zugenommen. "Es gibt keinen Ort mehr, wo kein Müll liegt. Wo Meereis oben drauf ist, ist wenigstens der ganz große Müll nicht gelandet, weil das Meereis schützt." Aber auf der anderen Seite kommen mit dem Schnee die kleinen Mikroplastik-Partikel runter.
Klimawandel in tiefsten Meeresregionen spürbar
Aber Müll und Mikroplastik ist nur ein Teil dessen, womit die Meere und ihre Lebewesen kämpfen. Auch die Erwärmung des Klimas hat Boetius beobachten, die alle zehn Jahre mit einer Expedition an den Nordpol fährt: "Wir haben dort Veränderungen festgestellt, die mit dem Aufschmelzen, dem Abschmelzen des Meereises und dem sich verändernden Nahrungsangebot zu tun haben." Bis in die tiefsten Meeresregionen wirke der Klimawandel, sagt sie. Bis da, wo Boetius forscht, an den heißen Quellen der Tiefsee.
Es gibt sogar eine Theorie, die besagt, das erste Leben sei an heißen Quellen in der Tiefsee entstanden. Die können Sie hier lesen. Daraus ergibt sich für Boetius und ihre Kollegen ein extremer Spagat zwischen der Erforschung des Lebens und den Auswirkungen der Klimaerwärmung: "Das ist ja das Absurde, dass man auf der einen Seite noch die großen Fragen beantworten muss, wie, wo kommt das Leben eigentlich her, was lebt eigentlich in der Tiefsee. Davon haben wir nicht mal ein Promille erforscht! Und gleichzeitig, während wir versuchen, diese Universalfragen zu beantworten, sehen und messen wir die ganze Zeit Störungen durch den Menschen."
Antje Boetius setzt sich für eine Verschärfung des Klimaschutzes ein. Sie gehört zu den Verfasserinnen einer Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina von 2019, der Titel der Publikation lautet: "Klimaziele 2030: Wege zu einer nachhaltigen Reduktion der CO2-Emissionen."
C02-Ausstoß längst höher als C02-Speicher-Kapazität
Das Kernproblem des Klimawandels beschreibt die Forscherin anhand des CO2 so: "Die Meere haben ungefähr ein Drittel aufgenommen, die Landpflanzen etwa auch ein Drittel. Sie speichern das im Holz oder in den Mooren. Das reicht aber nicht mehr. Die Natur schafft ungefähr 56 Prozent. Nur wird es immer mehr, was wir emittieren. Die Natur kann nicht mehr aufnehmen." In der Stellungnahme hatten Boetius und andere für die CO2-Bepreisung plädiert.
Für Boetius ist aber auch der Kohleausstieg essentiell: "Die große Aufgabe ist herauszufinden, was ist der größte Schalter, wie kommen wir am schnellsten voran? Niemand möchte gerne in einer Dauerkrise leben. Wenn man sich anschaut, woher kommt das ganze CO2 in der Atmosphäre, ist es zum größten Teil aus dem Energiesystem, dass wir weltweit nutzen. Der größte Teil davon ist immer noch Kohle. Und die ist zu teuer, hat zu wenig Wärmelieferung für den Anteil CO2, den sie entlässt. Und sie richtet so einen Schaden an, wenn wir sie weiter nutzen, dass wir uns das nicht leisten können." Daher müsste die Menschheit weltweit schnell aus der Kohlenutzung. Für eine Übergangszeit könnte noch Erdgas genutzt werden, weil hier die Energieeffizienz sauberer sei. Doch im Kern gehe es darum, schnell die Energie aus Sonne, Wind und Wasser zu nutzen.
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