Milder Winter Frost adé, Biene ahoi?
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19. Januar 2023, 12:58 Uhr
Frühmorgens zwitschern die Vögel, die ersten Pollen fliegen, man könnte glatt Frühlingsgefühle kriegen. Und wie ist das bei den Insekten: Brummt und summt es schon im Bienenstock, werden Schmetterlinge munter?
Tief im Westen ... wo die Pollen schon fliegen, also rund um Bochum, Düsseldorf, Dortmund, Köln spüren Menschen mit Pollenallergie: Es fliegt was in der Luft, die ersten Pollen sind unterwegs, und zwar die von Hasel und Erle. Auch Frühaufsteher im Norden, Süden und Osten hören es: Die ersten Vögel zwitschern morgens, als sei der Frühling eingeläutet.
Ein milder Winter, kann man sich da nicht einfach mal freuen? Wenn man ins Reich der Insekten schaut, eher nicht. Denn milde Tage zu Zeiten, an denen es klirrend kalt sein sollte, bringen einiges durcheinander. Zum Beispiel bei den Bienen. Professor Robert Paxton von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sagt: "Wenn es im Winter sehr kalt ist, unter null Grad, wärmen sich die Bienen gegenseitig im Stock, in dem sie sich in einer Bienentraube eng um die Königin scharen." Die Bienen stellen Wärme her, indem sie mit ihren Muskeln zittern. "Dabei verbrauchen sie dann sehr wenig Energie", weiß der Forscher. Wenn der Winter nun sehr mild ist, die Temperaturen weit über Null Grad liegen, ist Schluss mit Kuscheln: "Wenn es wärmer wird, fünf, oder zehn oder 15 Grad, fangen die Bienen an zu wandern, und sind nicht mehr so eng mit der Königin verbunden. Dadurch verbrauchen sie mehr Energie und dann besteht die Gefahr, dass der Honigvorrat nicht ausreicht, den sie gesammelt haben um über den Winter zu kommen." Zum Beispiel, wenn es noch mal richtig kalt wird oder sich kalte Wochen bis weit ins Frühjahr ziehen.
Wenn es wärmer wird, fünf, oder zehn oder 15 Grad, fangen die Bienen an zu wandern, [...] verbrauchen sie mehr Energie und dann besteht die Gefahr, dass der Honigvorrat nicht ausreicht.
Erster Bienen-Jahresausflug: 1 x WC und zurück
Könnte es sogar sein, dass ganze Bienenvölker beschließen: Los Leute, draußen ist es warm, da fliegen schon Haselpollen herum, wollen wir raus? Paxton verneint. Zum einen, weil an Haselpollen kleine Luftsäcke haften, die dafür sorgen, dass die Pollen gut fliegen können – ein brillanter Trick der Natur für diese Selbstbestäuber. "Dadurch sind sie nicht so nahrhaft für die Bienen," erklärt der Wissenschaftler.
Viel wichtiger ist für Bienen etwas anderes: "Ob sie raus wollen, ist abhängig vom Licht! Wenn die Sonne scheint, bei null Grad, Schnee und Sonnenschein: Dann ist es sehr hell. Vielleicht fliegen dann einige Bienen aus. Aber nur kurz um zu koten", erklärt Robert Paxton. Denn Bienen sammeln ihre Ausscheidungen den ganzen Winter über in ihrer Kotblase, und fliegen bei Temperaturen ab zwölf Grad und starkem Sonnenschein aus, um sich zu entleeren. Sollte also jetzt die eine oder andere Honigbiene ausfliegen, kehrt sie nach der Kotblasen-Leerung zurück in den Stock, denn bei Temperaturen um die zehn Grad können sie nicht ewig lang draußen fliegen, erläutert Robert Paxton. 15 Grad Celsius ist dem Forscher zufolge der Schwellenwert für Honigbienen: "Dabei generieren sie genügend Hitze, aber nach einer halben Stunde müssen sie wieder rein." Denn für die Bienen gilt genau wie für andere Insekten, die sich einen Fett- und damit Energievorrat zugelegt haben: Die hauseigenen Vorräte reichen über die kalten Tage, solange der Energieverbrauch nicht angekurbelt und damit aus dem biologischen Takt gebracht wird.
Wie geht es den Schmetterlingen im milden Winter?
Wie ist es nun bei den anderen Insekten, zum Beispiel den Schmetterlingen: Wie kommen die mit dem milden Winterwetter klar? Elisabeth Kühn, Biologin und Spezialistin für Schmetterlinge am Umweltforschungszentrum (UFZ) Leipzig sagt: "Das hängt von der Überwinterungsstrategie der Schmetterlings-Arten ab."
Und damit auch, in welchem Entwicklungsstadium sich das Insekt gerade befindet, Puppe, Raupe oder Falter. Die Biologin führt aus: "Der Skabiosen-Scheckenfalter beispielsweise überwintert eingesponnen im Kokon. Zitronenfalter, Tagpfauenauge und Admiral als Falter zum Beispiel auf Dachböden, in Garagen. Wenn es draußen mild ist, flattern die plötzlich los, legen Eier, und verbrauchen ihre ganze Energie, die sie den ganzen Winter gebraucht hätten. Und beim nächsten Frost kommen sie dann um." Wer draußen im Winter solch muntere Exemplare findet, sollte sie in einen kühlen Raum bringen, wo sie den Rest des Winters ausharren können, rät die Biologin.
Wenn es draußen mild ist, flattern die plötzlich los, legen Eier, und verbrauchen ihre ganze Energie.
Viele Arten überwintern auch im Puppenstadium. Die Arten, die im Erdreich ihrer Entwicklung harren, haben bei milden Wintern dann schlechte Karten. Wenn es früh im Jahr taut, der Boden feucht wird, verschimmeln oder verrotten die Puppen, führt die Schmetterlings-Forscherin aus. Inwieweit sich das dann auch auf das Vorkommen verschiedener Schmetterlingsarten auswirkt, sehen wir Menschen erst im Sommer. Wen das ganz konkret interessiert, notiert sich den April schon mal im Kalender: Dann startet das Bürgerwissenschafts-Projekt "Tagfalter-Monitoring", das Elisabeth Kühn betreut, in die nächste Runde.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Wetter | 09. Januar 2023 | 22:10 Uhr